Herbert Thiery begann seine Aktivitäten als SF-Fan in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts im Perry-Rhodan-Club Saarbrücken. In den 80er Jahren war er in der 1983 gegründeten SFCD-Regionalgruppe Südwest aktiv, war maßgeblich an den SFCD-JahresCons 1986 und 1996 in Saarbrücken beteiligt und stand vom März 1995 bis Ende 2011 – also mehr als 16 Jahre – dem SFCD e.V. als Kassierer zur Verfügung.
Als ich Herbert Thiery in den 80er Jahren kennenlernte, geschah das in Bayern, bei Frank Linner in Utting am Ammersee. Dort traf ich ihn einige Male, ohne dass daraus ein besonderer Kontakt über diese Treffen hinaus entstanden wäre. Wir haben gemeinsam getrunken, wir waren auf dem Oktoberfest, wir haben laute und plakative Sprüche gemacht. Herbert wirkte immer wie ein »grober Klotz«, ein Mensch mit einem simpel erscheinenden Weltbild, mit klaren Aussagen, einfachen und unmissverständlichen Einstellungen. Als SFCD-Vorstandsmitglied war er wohl am ehesten das, was böse Zungen als Vereinsmeier bezeichnen würden. Von mindestens einem seiner ehemaligen Vorstandskollegen weiß ich, dass er die »Zusammenarbeit« mit Herbert als anstrengend, wenig sinnvoll und am ehesten noch als Zeitverschwendung empfand. Ich habe Herbert nie als feinsinnigen Menschen erlebt und kann mich auch nicht daran erinnern, woran seine Leidenschaft für die SF und Fantastik festzumachen gewesen wäre. Herbert war groß, kräftig gebaut, laut und manchmal proletenhaft.
Aber.
Herbert war ein Mensch. Er war für den SFCD mehr als 16 Jahre lang ein wichtiges Mitglied. Seine Ansichten, die Vereinskasse zu führen, fanden keinen ungeteilten Zuspruch, aber sie haben dem Verein nicht erkennbar geschadet. Es gibt immerhin keinen Beweis dafür, dass eine andere Kassenführung mehr Mitglieder in den SFCD gezogen hätten. Herbert war in seiner Amtsführung konservativ und nahezu vollständig darauf bedacht, einerseits das Geld, das der Verein einnahm, so weit wie möglich beieinander zu halten, aber auch andererseits den Vereinsmitgliedern für ihren Beitrag etwas zu bieten. Seine »Sonderleistungen« – z. B. die vom EDFC übernommenen Ernsting-Gästebücher – mögen manchem Vereinsmitglied nicht gefallen haben, aber sie waren ein sinnvolles und wichtiges Zeichen des Vorstands gegenüber seinen Mitgliedern.
Er war nicht ohne Fehler, wie wir das alle nicht sind. Er hat seine Fehler niemals wirklich zugegeben. Er musste das auch nicht. Seine Argumentationsfähigkeiten waren nicht sehr filigran und oft genug schoss er wohl über das zu erreichende Ziel hinaus, aber seine Reaktion auf Kritik war niemals ein einfaches Schulterzucken. Er hat nie versucht, irgendetwas einfach totzuschweigen. Herbert war streitbar – und ich hätte mich noch viel lieber mit ihm gestritten, wenn ich gewusst hätte, dass es nur um Sachen gegangen wäre. Aber Herbert hat in seiner Welt seine Grenzen gekannt – und verteidigt.
Am Ende spielt es keine Rolle, wie man zu Herbert stand, was man von ihm dachte, wie man sich von ihm behandelt fühlte. Es bleibt für mich die Erkenntnis, dass er dem Verein mehr als 16 Jahre lang wichtig genug war, dass er immer wieder gewählt wurde (und wenn es am Ende vielleicht auch nur als »Gegengewicht« zu meinen eigenen Bemühungen, in den Vorstand zu gelangen, gedacht war). Wenn er dem Verein Schaden zugefügt haben sollte, dann spielt auch das keine Rolle mehr; es ließe sich nicht nur nicht mehr ändern, es hätte offensichtlich auch keinen bleibenden und endgültigen Schaden angerichtet. Im Gegenteil glaube ich sogar, dass ihm allenfalls vorzuwerfen wäre, dass er die Veränderungen der deutschen SF- und Fandomszene nicht gesehen hat. Aber das haben seine anderen Vorstandskollegen über die Jahre hinweg auch nicht getan.
Lustigerweise sind es nicht unsere Streitigkeiten, an die ich mich erinnere, wenn ich an Herbert denke. Ich erinnere mich vielmehr an einen großen, körperlich massigen Menschen, ich erinnere mich an seinen riesigen Citroen, den er fuhr, als wir uns kennenlernten, ich erinnere mich an seinen saarländischen Dialekt, an seine laute, plakative Art zu sprechen. Ich erinnere mich an unser erstes gemeinsames Vorstandstreffen im Oktober 2006 bei Birgit Fischer, und ich erinnere mich an unsere letzte Begegnung auf dem ElsterCon 2010, als man ihm seinen schlechten Gesundheitszustand bereits ansah; ein Anblick, der mich erschreckte.
Als er Ende 2011 nicht mehr wiedergewählt wurde, verschwand er praktisch von der SFCD-Bühne. Es gab noch ein paar Bemühungen seinerseits, Daten und Informationen zu erhalten, um eine Ewige Mitgliederliste für den Verein auszubauen, aber mehr war da nicht.
Herbert Thiery ist 58 Jahre alt geworden. Er hinterlässt seine Frau Requina, seinen Sohn Ralf Philipp und seinen Stiefsohn Bryan. Er hinterlässt auch Erinnerungen, im Verein, positive, negative, welche auch immer. Er hinterlässt mich ratlos. Ich weiß, dass dieser »Nachruf« ihm nicht gerecht wird. Und ich weiß, dass er diesen frühen Tod nicht verdient hat.
Michael Haitel
Murnau am Staffelsee
22.09.2013
Bearbeitet von My., 22 September 2013 - 19:16.