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IAIN BANKS/Blicke windwärts


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6 Antworten in diesem Thema

#1 MST

MST

    Ufonaut

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 05:43

Eine zusammenhängende Rezension des Buches "Blicke windwärts" ist in der Rubrik "Buchkritiken des Scifiboard" nicht erwähnt. Daher nun mein Versuch. Der LESEZIRKEL erwähnte diese und jene Episode, und Kritik. Man sagte sogar: Das Buch hat keine Leidenschaft, keine Begeisterung. Nun, alle BANKS-Romane sind vom cooleren Typ, sie sind regelrecht sachlich verfasst. Das ist wohl die Eigenart von BANKS? Aber dadurch ist sein Spektrum der Eigenschaften des Problems sehr weit gespannt. Andererseits sind Emotionen wohl im Keller?

[IAIN BANKS "Blicke windwärts" ist kaum dem Thema SPACE OPERA zuzuordnen, wie der Klappentext verrät. Eher ist es eine Art Entwicklungsroman einer Bewegung zum Attentat, herausgegeben im Jahr 2000 mit LOOK TO WINDWARD. Dt. 2003 erschienen, Heyne, 6443, 524 Seiten.]

Was kann man im Buch erkennen? Stücke des Lebensweges des Homomdaner und privaten Botschafters KABO, des Chelgrianer und Komponisten ZILLER, der in Gefilden der KULTUR lebt, der Künstlichen Intelligenz NABE die das Masaq-Orbital verwaltet, und des Attentäters, des Chelgrianer QUILAN, ehemals Major der Armee, und nun Gesandter von CHEL der die KULTUR besucht, ziehen durch das gesamte Buch. BANKS serviert sie mit einem Geschmack für großartige Details und ausgefeilte Wörter, aber auch mit nebensächlichen Dingen die doch trotzdem so aussagekräftig sind um die Szenerie zu beleuchten. Ich denke nur an den Part mit dem Behemothaurum Yoleus. Dies alles skizziert den hohen Entwicklungsstand der Lebensformen und der Technik. Aber BANKS legt kategorisch mehr Gewicht auf die Sprache als auf die zusammenhängende Handlung. Zumindest in einigen Passagen. Der Roman ist sehr ausführlich gehalten und zeigt daher beeindruckend manchen Wandel der Personen.

Doch ist auch hier ein kritischer Punkt anzusprechen, wie in vielen anderen SF-Büchern, ein schreckliches Tabu, Punkt der banalen Sterilität des Textes gegenüber sinnlicher Erotik. Sie gehört nun mal zum Leben, aber was fangen Autoren damit an? In diesem Roman legt auch BANKS keinerlei Faible für Erotik dar, was die SF an und für sich dem Lesepublikum allgemein näher bringen würde. Wie Gegenwartsromane. Warum ist hier dies in der SF so abstinent? Frauen (und Kinder) sind für viele Autoren Bremsen der Handlung. Doch sie gehören zu unserem Leben. Man könnte etliche andere Autoren damit festnageln.

Grundproblem dieser Geschichte "Blicke windwärts": Der Planet CHEL will sich für die durch die KULTUR (Demokratie der Menschen) begangene Schmach rächen, denn in CHELs Kastenkrieg (Aufgehetzte der Rasse führten kriegerische Auseinandersetzungen gegeneinander) starben etliche Millionen Chelgrianer. Damit hatte die KULTUR den ehemaligen Feind im idiranischen Krieg übel mitgespielt und vor allem für die Zukunft geschwächt. Einige Obere von CHEL streben nun an, dass etwa so viele Leute der KULTUR sterben durch ein Attentat wie damals Chelgrianer. Wen soll es erwischen?: Leute des Masaq-Orbitals mit der KI NABE. NABE hat Tausende Avatare und ist in jedem Prozess aktiv und weiß alles. Durch den Tod dieser KI (welche wahrscheinlich im Buch "Bedenke Phlebas" gerettet ward?) soll auf dem Orbital (3 Mill. Km Durchmesser) alles kaputt gehen. Der Attentäter QUILAN, dessen Motiv zum Attentat der Tod seiner Frau ist, er will dabei sterben, er kann ohne sie nicht mehr leben, hat zwei Persönlichkeiten, die eigene, die zweite ist HUYLER, ein ehemaliger General, der im Krieg gestorben ist, dessen Reservekopie in QUILAN installiert wurde. Beide sind programmierte Attentäter. Wogegen HUYLER alles von Anfang an weiß, offenbart sich für QUILAN der Attentatshergang wie geplant nur Tropfen für Tropfen in der Zeit als er auf MASAQ wohnt. Sein Deckmantel, die Überredung des ZILLER wieder nach CHEL zu kommen, liefert QUILAN harmlose Alibis. Auch KABO erkennt nicht den wirklichen Grund. Zeitpunkt ist die Aufführung der neuesten Symphonie von ZILLER. Da entschärft NABE die Situation gegenüber QUILAN und erklärt, dass sein Schwinden des Lebensmutes ihn bewog dies alles einzufädeln. Er ist der Urheber. QUILAN überrascht, stirbt folgend und NABE auch. Doch NABE hat eine Kopie.

Ein weiteres Detail erscheint mir für die SF insgesamt von Bedeutung: BANKS erweitert den ganzen Strang der Handlungen mit Dingen zur Fortsetzung des Lebens. Viele Lebende lassen von sich Kopien anfertigen um später, nach dem Tod, wiederbelebt zu werden in einem Körper oder einer Maschine. Damit tritt BANKS voll in die Fußtapfen des Autors MCLEOD mit "Mars-Stadt" und "Cassini-Division". Wem die Priorität gebührt mag dahingestellt sein, denn auch BANKS schrieb schon in "Förchtbar Maschien" von solchen Dingen. Zumindest ist dies ein wichtiges Element der neueren SF.

#2 Henrik Fisch

Henrik Fisch

    Soeinnaut

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 17:06

Kleine Zusatzinformation: Wie MST bereits erwähnte wurde der Roman

Iain Bank
Blicke Windwärts

im Lesezirkel vom November 2003 dieses Boards besprochen:

Iain Banks: Blicke Windwärts, Kapitel 1-8
Iain Banks: Blicke Windwärts, Kapitel 9-16


@MST:

Doch ist auch hier ein kritischer Punkt anzusprechen, wie in vielen anderen SF-Büchern, ein schreckliches Tabu, Punkt der banalen Sterilität des Textes gegenüber sinnlicher Erotik. Sie gehört nun mal zum Leben, aber was fangen Autoren damit an?

MST, Freund, ich finde es wirklich toll, wenn sich jemand die Mühe macht ein Buch zu besprechen. Ich weiß aus beruflicher Erfahrung, wie schwierig es ist, seine Gedanken zu Papier zu bringen. Von daher bitte ich Dich dringend das folgende nicht als plumpe Anmache zu verstehen. Aber findest Du diesen Satz, der den Beginn eines Absatzes einleitet, nicht selber ein wenig arg intellektuell zerfaselt? Ich musste den Satz dreimal lesen, bevor ich eine Ahnung bekan, was Du dem arglosen leser eigentlich sagen willst. Ganz davon abgesehen, habe ich in diesem Banks-Roman wirklich alles möglich bemerkt und bemängelt; nur keine Erotik. Weil die hier nämlich nun wirklich stören würde und ich der Meinung bin, dass nicht jedes SF-Buch - anders als von Dir angesprochen - erotische Elemente enthalten muss. Aber vielleicht liege ich ja auch falsch.

Nebenbei bemerkt meine ich mich in der Lesezirkel-Besprechung deutlich daran erinnern zu können, dass wie Banks nüchternen Schreibstil sehr wohl positiv auffassten, jedoch die mangelnde untypische Alien-Charakterisierung bemängelten. Ich persönlich fand zum Beispiel den Charakter "Nabe" - also die allmächtige KI des Systems - vällig steril. Man möge mich hier korrigieren, wenn ich falsch liege.

Bis dennen,
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#3 rockmysoul67

rockmysoul67

    Temponaut

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 20:22

O, jeh, dies wird die Kritik einer Kritik einer Kritik. Also, ich fand den Satz von MST ganz logisch und klar und ich habe sofort verstanden, was er meint (auch wenn ich nicht einverstanden bin, sondern Henriks Meinung über Erotik in SF jederzeit unterschreibe). Tatsächlich sollte aber ein Allgemeingedanke über ein Genre nicht als Kommentar über ein einziges Buch oder über einen einzigen Autor benutzt werden. Die Bemerkung wäre eher am richtigen Platz im Lesezirkel als in der Rezension (wofür ich MST sowohl bedanke als bewundere), aber sollten wir es wirklich so eng sehen? Immerhin ist dies nur ein Forum, wo man ja nicht jedes Sätzchen auf die Waage legen sollte. Das Forum ist ein Hobby, ein Platz für Gedankenaustausch. Sonst wagt sich am Schluss niemand mehr seine Meinung oder eine Rezession zu schreiben, weil er dann befürchten muss selbst kommentiert zu werden. Alsdann, für ein einziges Mal eine Kritik an dich, Henrik: Sehe es nicht so streng, wir sind hier nicht allesamt Journalisten, die fürs Brot schreiben (und können daher auch nicht immer die Professionalität aufzeigen, die du dich als ehemaliger Journalist angeeignet hast). Soweit meine Gedanken an diesem Samstagabend.

#4 MST

MST

    Ufonaut

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 20:25

@Henrik FischDas Thema Erotik ist sicher etwas hineingedrängt von mir, aber es liegt schon länger auf dem Tablett, und ich möchte es auch mehr verallgemeinert wissen, auf die Autoren insgesamt bezogen, bei IB habe ich es nun gerade erwähnt.Eine Buchkritik kann man manchmal kaum auf 30 Zeilen unterbringen, und wenn doch, so leiden andere Eiegnschaften darunter, die die Berechtigung haben gleichfalls erwähnt zu werden.Ich hoffe nun nicht zu egoistisch herangegangen zu sein?MST.

#5 rockmysoul67

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    Temponaut

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Geschrieben 10 Januar 2004 - 22:58

@ MST Da fällt mir ein, falls du es gerne etwas erotischer in SF sehen möchtest, darf ich dir die grossartige Kurzgeschichte "Der Duft der Orangen" von Bernhard Kempen empfehlen? Einfach mal lesen bei Alien Contact und zwar hier.

#6 Henrik Fisch

Henrik Fisch

    Soeinnaut

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Geschrieben 11 Januar 2004 - 20:33

@MST:

Ok, in dem Fall stimme ich Dir zu. Tatsächlich gehen die meisten Autoren mit dem Thema irgendwie hölzern oder aber sehr lüstern um (ich denke da an einige Spätwerke von Robert A. Heinlein). Interessant fand ich in dem Zusammenhang übrigens die Sammlung "Fleisch" von Farmer. Zwei zusammenhängende Romane und eine davon unabhängige Geschichte, die öfters mal den durchaus nicht eindeutig einzugrenzenden Raum der Pornographie betreten. Gerade deswegen sehr lesenswert.

Bis dennen,
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#7 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 12 Januar 2004 - 11:53

Hallo MST,

Aber BANKS legt kategorisch mehr Gewicht auf die Sprache als auf die zusammenhängende Handlung. Zumindest in einigen Passagen. Der Roman ist sehr ausführlich gehalten und zeigt daher beeindruckend manchen Wandel der Personen.

Es ist ja nicht schlimm, dass Banks mehr Gewicht auf die Sprache legt, aber zu einem guten Buch gehört weitaus mehr - nicht zuletzt eine vernünftige Handlung und realistische Charaktere. Ich hatte bei vielen Dialogen den Eindruck, dass uns Banks als Autor etwas sagen möchte und nicht die Person, der er die Worte in den Mund gelegt hat. Ein Essay wäre vielleicht angebrachter gewesen, um über all die Dinge zu philosophieren, die ihm auf dem Herzen liegen. Überraschenderweise hatte das letzte Drittel all das, was ich zuvor vermisst habe. Besonders faszinierend und prosaisch fand ich den Abschnitt, in dem Bezug auf den Titel "Blicke windwärts" genommen wird.

Viele Lebende lassen von sich Kopien anfertigen um später, nach dem Tod, wiederbelebt zu werden in einem Körper oder einer Maschine.

Auch bei Greg Egan (Diaspora, Cybercity) findet man diese Idee, sogar plausibel erklärt und sehr gut umgesetzt mit interessanten Blickwinkeln. Da fällt mir eine Kurzgeschichte von James Patrick Kelly ein: THINK LIKE A DINOSAUR. Außerirdische haben den Menschen die Technologie gebracht, in Bruchteilen von Sekunden über riesige Entfernungen zu reisen. Ganz einfach erklärt wird dazu am Zielort eine Kopie von der Person angefertigt, so dass sie zweimal existiert. Das "Original" wird dann "entfernt", um das Gleichgewicht wiederherzustellen. "Entfernen" bedeutet, dass die Person getötet werden muss... Sullivan


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