Handlung (möglichst spoilerlos)
In der nahen Zukunft leidet eine Pianistin, die sehr erfolgreich ist, an Multipler Sklerose (MS). Da sie meint, relativ bald nicht mehr spielen zu können (Lähmung, eine Spätfolge von MS) oder früher als Andere sterben zu müssen, lädt sie einen Reproduktionsspezialisten, der auch sehr bekannt ist, zu einem Konzert ein, und schlägt ihm danach vor, von ihr selbst einen ersten menschlichen Klon zu "ziehen"; dabei wolle sie das Kind selber gebären. (MS ist nicht genetisch bedingt.)
Das klappt alles sehr gut, und ein Kind wird geboren. Die Mutter trainiert von Anfang an mit ihr am Klavier. Letztere vergöttert als Kind ihre Mutter und will nur noch so werden wie sie.
Wegen einem Streit mit der Mutter veröffentlicht allerdings der Mediziner letztendlich die Wahrheit über das "erfolgreiche Experiment". Die Beziehung zwischen Mutter und Teenage-Tochter bricht zusammen, begleitet vom rabiaten Interesse der Medien. Der Mann muss ins Gefängnis.
Der restliche Film beschäftigt sich damit wie die Tochter sich von ihrer Mutter durch viele Tiefen und einige Höhen emanzipiert. Sie will ihr eigenes Leben führen, kommt aber von ihrer Mutter kaum los.
Kritik
Der Film erhebt deutlich einen hohen Anspruch - mit dem Klon-Thema ehrlich und realistisch umzugehen. Man merkt Franka Potente an, dass sie die schwierige Doppelrolle (die 2 Charaktere sollen sich unterscheiden, sind andererseits zeitversetzte Zwillinge) mit großem Engagement angeht.
Es ist ein sehr ruhiger, sogar langsamer Film, so dass man Zeit hat mit zu denken, welche Auswirkungen eine solch perfekte Kopie auf das Leben der Frauen selbst, und auf die Umgebung, hätte. Es geschieht bis zur Veröffentlichung der Wahrheit fast nichts Unerwartetes und doch ist es erstaunlich. Interessantes Gefühl.
Potente als Twen, die sich als Trotzhöhepunkt von der Nähe und den Ansprüchen ihres älteren Zwillings trennt, ist sehr glaubhaft gespielt. Sie ist frech und anklagend - sie will frei sein. Durch die langsame Entwicklung gelingt der Eindruck sehr gut, dass diese Trennung in diesem besonderen Fall fast Übermenschliches von ihr verlangt.
Potente als Diva und Mutter ist ein wenig hölzern - sie wirkt manchmal wie eine neben sich selbst stehende Nebenrolle. Immerhin hat dies den Effekt, dass man als Beobachter nur ganz selten den Eindruck hat, dass sie das Ganze konzipiert hat als Akt der Verzweiflung. Was genau ihre Beweggründe sind, bleibt angenehm verborgen.
Neben den interessanten Verwicklungen die den ersten menschlichen Klon irgendwann wirklich einholen müssen, ist dies auch das heimliche Thema des Films: Wenn Klonen so leicht und perfekt funktioniert wie in dieser Zukunft, warum braucht eine starke, erfolgreiche Frau eigentlich noch einen Mann? Mal von dem Schockeffekt aufs Kind abgesehen wenn es erfährt was es wirklich ist, kann eine Mutter ihr eigenes Kind mehr lieben als wenn es die genaue Kopie ihrer selbst ist, mit ähnlichen Veranlagungen und Schwerpunkten? Der Film vermittelt diese enge Verbindung zwischen den beiden recht deutlich, und ist alleine schon deswegen gelungen.
Und außerdem ein Plädoyer für Männer sich noch besser zu benehmen in Zukunft...
Von der wissenschaftlichen Seite darf man sich wünschen dass zwei Punkte klarer gestellt worden wären: Dass der Weg zu lebensfähigen geklonten Embryos/Kindern wohl kaum auf Anhieb klappt, und dass Klone keineswegs vollkommen identisch aussehen müssen. Hier werden ältere Filmklischees bedient; allerdings ist Letzteres sicherlich schwer zu vermitteln, und hätte außerdem verhindert dass wir Potente's Leistung bei ihren Konfrontationen mit ihrem älteren Ego zu Gesicht bekommen hätten. Und alles Andere an der Geschichte war sehr glaubwürdig.
Ist es ihr bester Film? Ein neuer Versuch mit einer (2!) Hauptrolle(n) international anzukommen (man hat den Eindruck dass die Locations auch dementsprechend gewählt wurden - nichts besonders Europäisches zu erkennen)?
Jedenfalls ein schönes Beispiel für einen guten, besinnlichen Film völlig ohne Action, und mit einer einfachen Kernidee. Geniale Effekte/Makeup fehlen, und nehmen dem Film trotzdem nichts.
Übrigens, der letzte gesprochene Satz im Film ist ein milder "twist in the tail". Schon dieser Satz qualifiziert aus meiner Sicht diesen Film als SF. Man gebe acht!
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 07 Januar 2005 - 23:00.