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Stephen Baxter: Evolution


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31 Antworten in diesem Thema

#31 Henrik Fisch

Henrik Fisch

    Soeinnaut

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Geschrieben 10 April 2004 - 07:19

Hallo Trurl,

Deine Idee mit einer Betrachtung der Evolution außerhalb der Erde wäre sicherlich interessant, nur hat Baxter nach einem logischen Grund der Evolution gesucht. Deswegen hier kurz ein Zitat aus Deinem Posting:

Evolution ist NICHT fressen und gefressen werden. Evolution ist die Art und Weise wie sich komplexe dynamische Systeme im Wechselspiel mit ihrer Umwelt entwickeln.

Komplexe dynamische Systeme entwickeln sich im Wechselspiel mit ihrer Umwelt DURCH fressen und gefressen werden. Lebewesen müssen sich ernähren um zu überleben. Wer sich besser ernährt, der lebt länger und besser, also ist fressen einer der wichtigsten Triebe. Und gleichzeitig auch der Motor für eine weitere Entwicklung, die Evolution des Lebens eben. Baxter hat das mit seinem Buch eigentlich ganz gut begründed.

Eine wie von Dir vorgeschlagene andersartige Evolution müsste entweder von dem Grundprinzip "Ernährung" abweichen, wobei das Gechriebene eventuell zu abstrakt und zu weit entfernt von unserer Welt ist, als dass es interessant wäre. Wir könnten die Beweggründe dieser anderen Evolution vielleicht gar nicht mehr nachvollziehen. Oder wir gehen tatsächlich weg von der Erde und schauen uns die Evolution von Aliens an, aber dann wäre der Motor auch wieder Nahrungsaufnahme. Es wäre vielleicht ganz nett zu erfahren, wie Methan-Atmer bei 10 G funktionieren, aber die Grundlegenden Probleme wären die gleichen wie bei uns auf der Erde. So ein Roman wäre auch auch nur wieder eine Metapher für die Probleme auf der Erde und dann kann der Autor auch gleich auf der Erde bleiben. Man möge mich vom Gegenteil überzeugen.

An dieser Stelle möchte ich übrigens noch einmal den Blick auf den Roman

Robert L. Forward
Das Drachenei

lenken - inzwischen jetzt zum dritten mal - wo die Evolution auf einem Neutronenstern stattfindet. Und das ist wirklich mal etwas richtig abgefahrenes.

Bis dennen,
Henrik Fisch
Gerade fertig gelesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"

#32 Trurl

Trurl

    Phanto-Lemchen

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Geschrieben 10 April 2004 - 12:36

Hallo Henrik,

Schön, dass Du in die Diskussion noch einmal einsteigst. :(

Die Nahrungsaufnahme (oder abstrakter: die Energiezufuhr) ist natürlich elementar für die Existenz der Lebewesen und gleichzeitig ein Anknüpfungspunkt für die Evolution. Der Erfolg der dieser Methode Lebewesen durch verspeisen anderer Lebewesen mit Energie zu versorgen ist unbestritten, deswegen gibt es sie ja.

Man könnte sich natürlich auch Formen der Energiezufuhr ausdenken die auf anderen Prinzipien bestehen und es gibt sie bei den Pflanzen und Algen auch: durch Sonnenlicht mittels Photosynthese.

Komplexe dynamische Systeme entwickeln sich im Wechselspiel mit ihrer Umwelt DURCH fressen und gefressen werden. Lebewesen müssen sich ernähren um zu überleben. Wer sich besser ernährt, der lebt länger und besser, also ist fressen einer der wichtigsten Triebe. Und gleichzeitig auch der Motor für eine weitere Entwicklung, die Evolution des Lebens eben. Baxter hat das mit seinem Buch eigentlich ganz gut begründed.

Ich möchte hier widersprechen, weil mir diese Sichtweise zu kurz greift. Als den eigentlichen Antriebsmotor für die Evolution würde ich die Ernährung nicht direkt bezeichnen.

Ernährung ist ein Faktor für das Überleben des Individuums. Aber sie dient indirekt einem anderen Zweck, nämlich das Individuum solange am Leben zu erhalten bis es sich reproduziert hat.

Die Evolution setzt aber nicht beim Individuum an, sondern bei der Art. Ob das Individuum überlebt ist der Evolution völlig schnuppe. Hauptsache ist, dass die Art überlebt. Deshalb ist der eigentliche Motor der Evolution der Reproduktionserfolg der Art. Nur die Arten die ihre Gene am effizientesten weiterverbreiten existieren weiter. Da spielt natürlich bei räuberischen Arten der Jagderfolg auch eine Rolle. Die Art die effektiver (erfolgreicher) jagt hat gegenüber einer konkurrierenden räuberischen Art ein Reproduktionsvorteil und wird langfristig die andere Art verdrängen (Hyänen verdrängen Löwen). Es ist also nicht so einfach die Evolution auf das reine Fressen und Gefressen werden zu reduzieren. Evolution ist nicht das Überleben des stärksten Fressers (denn was heißt schon stärkster in der Evolution), sondern des Bestangepasstesten unter den gerade herrschenden Umweltbedingungen (als die Mammuts Ende der Eiszeit ausstarben waren auch die Tage der Säbelzahntiger gezählt).

Der Reproduktion der Arten wiederum wird beeinflusst durch die Veränderung der Umweltbedingungen, die eine physische Anpassung der Art (Mutation) erzwingt. Schafft die Art diese Anpassung nicht, weil sie physisch bereits zu stark auf eine vorhandene Anpassungsform spezialisiert ist (das Beispiel mit dem Säbelzahntiger), stirbt sie aus (Selektion). Die Mutationsrate von Lebewesen ist relativ konstant, sie wirkt sich als Unterscheidungskriterium aber erst dann aus, wenn diese Mutation unter veränderten Umweltbedingungen einen entscheidenden Überlebensvorteil bietet (in Form einer größeren Reproduktionsrate), ansonsten werden Mutationen sehr schnell aussortiert (Selektion). Zum Beispiel ist ein dichtes Haarkleid nur dann ein Überlebensvorteil wenn die allgemeinen Klimabedingungen sich in Richtung kälter verschieben (Vorteil der Säugetiere gegenüber den Dinosauriern). Das ist alles natürlich extrem stark verkürzt dargestellt, aber mir geht es nur darum das Prinzip der Evolution zu zeigen. Die Evolution ist im Grunde ein blinder Prozess dem es schnurzegal ist was auf der Erde herumkreucht und fleucht.

Wären die Umweltbedingungen völlig stabil so wäre keine Evolution in Richtung höhere Lebewesen in Gang gekommen und auf der Erde würde es nur Bakterien geben. *

Was mir bei der Evolution wichtig ist im Hinterkopf zu behalten ist erstens die Abhängigkeit von den Gegebenheiten der Umwelt zu beachten. Sie entscheidet in welche Richtung sich die Evolution entwickelt. Zweitens die Unvorhersehbarkeit dieser Entwicklung. Katastrophen können die Evolution in ganz neue Richtungen lenken. Und drittens: der historische Verlauf der Evolution ist unwiederholbar. Würde die Evolution auf der Erde wieder von Null beginnen so hätten wir heute eine ganz andere Form der Evolution. Die Evolution hat unter unendlich vielen Pfaden zufällig einen einzigen ausgewählt der zu uns Menschen geführt hat. Es hätte aber auch ganz anders kommen können. Deshalb meine Idee, mein Vorschlag diesen historischen nicht reproduzierbaren Verlauf der Evolution als solchen darzustellen, indem man alternative Evolutionen zeigt, andere mögliche Evolutionen. Genau das ist für mich auch Science Fiction oder vielleicht besser Speculative Science. Eigentlich ein Wissenschaftsthema mit den Mitteln der SF realisiert. Schade dass es das noch nicht in der Form gibt, wie es mir vorschwebt.

Zum Drachenei:
Den Roman kenne ich natürlich und als Gedankenexperiment ist er wirklich sehr interessant und spannend. Etwas in der Art hatte ich mir auch unter diesen anderen hypothetischen nichtbiologischen Evolutionen vorgestellt.

Forward hätte allerdings die Kultur der der fremden Wesen auf dem Neutronenstern etwas radikaler und nicht so furchtbar konventionell darstellen können. Ich war seinerzeit darüber etwas enttäuscht, dass es Forward irgendwie nicht gelungen ist, den Cheela wenigstens einen Hauch von Fremdartigkeit zu verleihen zumal sie physisch völlig nichtbiologisch sind. Vor allem im Kontrast zu der sehr originellen und exotischen Umgebung auf dem Neutronenstern, dessen physikalische Bedingungen sehr exakt ausgearbeitet sind, fällt dieser Punkt negativ auf. Das ist der Jammer mit den Hard-Science Autoren: die Physik ist stimmig, weil sie sich darin gut auskennen, die Aliens sind es dagegen meist nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Dummerweise habe ich den Roman wohl irgendwann verschenkt und musste ich ihn mir erst kürzlich wieder antiquarisch besorgen. ;)

* Wenn Dich der ganze Themenkomplex interessiert, es gibt ein sehr spannendes nicht allzu umfangreiches Buch von Josef H. Reichholf, Der schöpferische Impuls. Eine neue Sicht der Evolution das ich empfehlen kann. Reichholf führt das Ganze im Detail aus und erläutert die Evolution im Wechselspiel zwischen Umwelt - Organismus, Zeiten der Veränderung und des Gleichgewichts.
Wobei ich zu meiner Überraschung anmerken muß dass Reichholf ebenfalls der Ernährung des Organismus einen hohen Stellewert einräumt, wie ich bei einem kurzen Blick in sein Buch feststellen muß. ^_^
Mein eigener Ansatz ist hier eher an Dawkins ("Das egoistische Gen"), der Soziobiologie und dem Primat der Gene ausgerichtet. Baxter scheint mehr der Reichholfschen These anzuhängen. Ich glaube ich muß mir noch einmal Reichholfs Argumente im Detail ansehen.

Trurl

Bearbeitet von Trurl, 10 April 2004 - 12:42.

»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

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