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Kristallwelt


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19 Antworten in diesem Thema

#1 Trurl

Trurl

    Phanto-Lemchen

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Geschrieben 25 März 2004 - 00:27

Kristallwelt - J.G. Ballard
(engl. The Crystal World, 1966)
aus dem Englischen übersetzt von Margarete Bormann
Suhrkamp Verlag, 1982


Der Lepra Arzt Edward Sanders wird kurz nach seiner Ankunft in der westafrikanischen Hafenstadt Port Matarre in mysteriöse Ereignisse verwickelt. Eigentlich will er nur für ein paar Tage ein befreundetes Kollegen Ehepaar in Mont Royal einige Kilometer Fluss aufwärts besuchen und persönliche Angelegenheiten ordnen. Doch die Transportwege nach Mont Royal sind unterbrochen und das Waldgebiet um den Ort ein militärisches Sperrgebiet.
Auch in Port Matarre scheint nicht alles normal zu sein. Über der Hafenstadt liegt ein merkwürdiges Licht das nur Hell und Dunkel kennt. Auch die Menschen wirken seltsam farblos. Dafür sind leuchtende, Kristall überzogene Objekte im Umlauf, die aus der Umgebung von Mont Royal stammen und auf dem Markt heimlich gehandelt werden.
Die angespannte Stimmungslage überträgt sich schnell auch auf Dr. Sanders und er beginnt mit der jungen französischen Journalistin Louise, die er in seinem Hotel kennen lernt, bereits in der ersten Nacht eine intime Beziehung. Louise, die der Ehefrau seines Freundes mit der Sanders eine kürzlich beendete Affäre hatte, verblüffend ähnelt wartet indes auf Nachricht ihrer Kollegen die bereits nach Mont Royal unterwegs sind. Ein Ertrunkener der mit Kristall überzogenem Unterarm aus dem Fluss gezogen wird, stellt sich als einer von Louise Kollegen heraus.
Als Sanders endlich eine Transportmöglichkeit nach Mont Royal findet und den Ort betritt, erwartet ihn eine wahre Wunderwelt aus Kristall. Der ganze Wald und alles was in ihm gefangen ist sowohl Gebäude, Tiere als auch Menschen befinden sich in einem fortschreitenden Prozess der Kristallisation. Der Magie des Kristallwaldes verfallen immer mehr Menschen auch seine ehemalige Geliebte Suzanne ist bereits in den Bann des Kristallwaldes geraten.
Sanders erlebt am eigenen Leib die wunderbare und lebensgefährliche Wirkung des Kristallwaldes. Er wird in eine bizarre Auseinandersetzung zwischen dem wahnsinnigen Architekten Ventress und dem Diamantgrubenbesitzer Thorensen hineingezogen, die scheinbar um Ventress Ehefrau geführt wird, aber letztlich nur den Todeswunsch beider Männer befriedigt. Alle Menschen die dem Einfluß des Waldes erliegen, werden von einer unbewussten und unstillbaren Todessehnsucht erfasst. Da sind Leprakranke die in dem Wald ihre Erlösung suchen. Ein Priester erwartet mitten im Wald in einer Kristall gewordenen Kirche seine Vereinigung mit Gott. Die Wissenschaft steht dem eskalierenden Phänomen hilflos gegenüber und entwirft Zeittheorien. Weitentfernte kosmische Ereignisse beginnen den Zeitvorrat des Universums aufzubrauchen. Die Zeit läuft aus. Als Folge erleidet die Materie so etwas wie eine Phasenverschiebung auf subatomarer Ebene (die genaue Begründung ist unglaubhaft aber für das Funktionieren des Roman völlig nebensächlich).
Sanders kann sich dem Einfluß des Waldes noch einmal mit letzter Anstrengung entziehen und flieht. Doch auch ihn hat der Kristallvirus bereits mental infiziert. Er ist nicht mehr in der Lage ein normales Leben zu führen und trennt sich nach seiner Rückkehr endgültig von Louise. Er bricht mit seinem bisherigen Leben und akzeptiert seine unausweichliche Bestimmung ...

Der Roman ist vollgepackt mit Metaphern, mit mythischen und christlichen Bezügen, der wissenschaftliche Hintergrund ist allerdings eine Farce und dient nur als Aufhänger für das Katastrophenszenario. Ballard entwirft in Kristallwelt eine Ästhetik des schönen Todes, dessen sich der Leser genauso schwer entziehen kann wie sein Held. Man kann fast verstehen warum Sanders zwangsläufig seinem unausweichlichen Schicksal entgegenfiebert. Allerdings, bei Lichte betrachtet ist auch ein ästhetisch schöner Tod genauso endgültig wie jeder andere auch und deshalb nicht erstrebenswerter. Man vergisst diesen Tatbestand leicht, da Ballard ein exzellenter Stilist ist und seine Erzählung sich flüssig und geradezu traumhaft schwerelos liest. Kristallwelt ist sicher keine SF aber eine wunderschöne, meisterhafte Erzählung der Phantastik.

Trurl

Bearbeitet von Trurl, 25 März 2004 - 08:51.

»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

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#2 Gast_Gerd_*

Gast_Gerd_*
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Geschrieben 25 März 2004 - 01:14

Ähm - auch wenn das manche vielleicht doof, unnötig, off-topic oder was-weiß-ich-wie finden - könnte man bei diesen (generell sehr gelungenen) Rezis nicht ein paar bibliographische Angaben dazu machen? Und:

Man vergisst diesen Tatbestand leicht, da Ballard ein exzellenter Stilist ist und seine Erzählung sich flüssig und geradezu traumhaft schwerelos liest.

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass du den Roman nicht im Original gelesen hast, Trurl, oder? (Falls doch - vergiss den Rest ;) ) Falls du also die deutsche Ausgabe gelesen hast - wäre es da nicht nur fair, den Menschen, der sich bestimmt eine Menge Mühe gemacht hat, dafür zu sorgen, dass sich "Kristallwelt" auf deutsch so "traumhaft schwerelos" liest, zumindest einmal zu erwähnen? Ronni hat in einem anderen Thread (sinngemäß) geschrieben, dass ein guter Übersetzer unsichtbar ist / sein sollte - aber muss er deswegen auch namenlos bleiben? Nur mal so als Anregung :jumpgrin: Gerd

#3 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 25 März 2004 - 07:09

Wir können ja eine FAQ machen was in einer Buchkritik als Kopf stehen soll. Manche beschweren sich sonst über eine fehlende ISBN o.ä. Damit würde man auch ein einheitliches Aussehen haben was gar nicht so schlecht wäre.Sullivan

#4 Trurl

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Geschrieben 25 März 2004 - 08:45

@Gerd

Ich bin durchaus nicht böse deswegen. Soweit ich weiss werden die Rezension, die von uns in den Buchkritiken abgestellt werden nicht mit den gleichen harten Kriterien gemessen wie die eher professionellen in Alien Contact. Hier gehts etwas lockerer zu. Die Rezis sollen (das ist jedefalls meine Intention) eigentlich als Appetitanreger dienen, ein Hinweis für andere interessierte Leser das es noch andere wichtige SF-Werke gibt die man sich vielleicht einmal anschauen sollte.
Allerdings kann man natürlich soweit das geht ein paar bibliografische Zusatzinfos angeben, werde ich mir jedenfalls merken, danke.

Kristallwelt ist erstmal 1969 in der Phantastischen Reihe des Marion von Schröder Verlags auf Deutsch erschienen (kennt übrigens noch jemand dies Reihe? In ihr sind seinerzeit eine Reihe von hervorragenden SF-Werken erschienen)
Meine Ausgabe ist die Taschenbuchausgabe des Suhrkamp Verlags von 1982.
Und um die Ãœbersetzerin auch nicht zu unterschlagen:
Das war/ist Margarete Borman, die ich allerdings nicht kenne ;)

Genrell gesehen könnte man meiner Rezi sogar noch viel mehr vorwerfen.

Ich habe nämlich sträflich vernachlässigt etwas mehr über diesen heute etwas in Vergessenheit geratenen Autor zu sagen. Ich müsste dazu allerdings erst in meinen Lexika nachschlagen um etwas Vernüftiges dazu zu schreiben, vielleicht weiss ja eRRDe7 als ausgewiesener Ballard Freund, mehr dazu. :jumpgrin:

In der Kürze und nur was ich noch gerade im Gedächtnis habe:
Ballard gehörte in den 60er Jahren in England (zusammen mit Brian Aldiss und einigen anderen Autoren) zu einer Bewegung die sich New Wave nannte und die Sprache ins Zentrum ihrere Werke stellte und sehr experimentelle, stilistisch avancierte SF-Literatur verfassten, das merkt man auch Kristallwelt sehr deutlich an. Im übrigen verfasste Ballard eine Reihe von Bänden mit Kurzgeschichten, man könnte sagen dass er eigentlich fast ausschliesschlich Kurzgeschichten geschrieben hatte, die teilweise eher in Richtung Phantastik gehen.

Kristallwelt ist übrigens ebenfalls nach einer Kurzgeschichte entstanden die Der illuminierte Mann (engl. The Illuminated Man, 1964) heisst. In ihr wird fast die gleiche Geschichte erzählt, sie handelt aber in Florida (In Kristallwelt wird zum Beispiel hingewisen das Florida ebenfalls von der Kristallisation befallen ist).

Ich muß gestehen, das ich selbst von Ballard sehr wenig kenne. Kristallwelt habe ich vor vielen Jahren als Jugendlicher gelesen und lediglich die Atmosphäre der Geschichte ist mir dauerhaft im Gedächtnis geblieben. Deswegen war ich gespannt ob sich die gleiche Lesespannung wieder einstellt. Als Fazit kann ich jetzt sagen, dass Kristallwelt eine sehr schöne, intensive, sprachlich bildhafte Erzählung ist, die auch heute nichts von ihrem spezifischen Reiz verloren hat. Da keine aktuellen zeitgeschichtlichen Bezüge im Roman auftauchen, ist ihr "zeitloser" Charakter erhalten geblieben. Der Roman ist heute noch genauso "aktuell" wie damals vor fast 30 Jahren.

Trurl

Bearbeitet von Trurl, 25 März 2004 - 14:25.

»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

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#5 Thomas Sebesta

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Geschrieben 25 März 2004 - 09:43

Wir können ja eine FAQ machen was in einer Buchkritik als Kopf stehen soll. Manche beschweren sich sonst über eine fehlende ISBN o.ä. Damit würde man auch ein einheitliches Aussehen haben was gar nicht so schlecht wäre.

Die Idde ist nicht schlecht. Der Tread "Was ist gute SF" sollte eigentlich, soferne er fertiggeführt wird, sehr nützliche Anhaltspunkte geben nach denen man ein Leerformular machen könnte mit den Punkten, die in einer Rezi enthalten sein sollten - neben den harten Sachfakten bzw. als Leitfaden für die Beurteilung eines Werkes. Damit würden die Rezis übersichtlich und auch in ihrer formalen Qualität besser lesbar und auch diskutierbar. Gruß Thomas

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#6 Gast_Michael Iwoleit_*

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Geschrieben 25 März 2004 - 11:22

Ich habe nämlich stäflich vernachlässigt etwas mehr über diesen heute etwas in Vergessenheitheit geratenen Autor zu sagen. Ich müsste dazu allerdings erst in  meinen Lexika nachschlagen um etwas Vernüftiges dazu zu schreiben, vielleicht weiss ja eRRDe7 als ausgewiesener Ballard Freund, mehr dazu. ;)

Ich bin baff erstaunt. Kann man Ballard ernsthaft als einen "etwas in Vergessenheit geratenen Autor" bezeichnen? Die Kurzsichtigkeit mancher SF-Leser verblüfft mich doch immer wieder. Ballard mag jüngeren SF-Lesern kein Begriff mehr sein, weil er seit einigen Kurz- geschichten in den frühen Neunzigern keine SF mehr veröffentlicht hat. Sein Bekanntheitsgrad ist seit den Verfilmungen von Spielberg und Cronenberg eher gestiegen als gesunken. Von der Kritik (und von immer mehr Mainstream-Lesern) wird er als einer der wichtigsten zeitgenössischen Romanciers seines Heimatlandes angesehen. Kurz: Er ist einer der Handvoll SF-Autoren, denen es gelungen ist, sich außerhalb der SF international zu etablieren. Der deutsche Buch- markt hat sich in seinem Fall aber mal wieder als Blindgänger erwiesen: Ballards Romane seit "The Day of Creation" sind nicht mehr ins Deutsche übersetzt worden. Wer mehr wissen möchte: Ein ausführlicher Essay über Ballard aus meiner Feder erscheint im nächsten "Science Fiction Jahr" bei Heyne. Ich habe darin versucht, den Zusammenhang zwischen dem Ballard, den SF-Leser kennen, und dem Mainstream-Ballard ("Empire of the Sun" etc.) darzustellen. Es ist ein zusammenhängendes Muster, an dem Ballard seit nahezu fünfzig Jahren arbeitet, ähnlich intensiv wie seinerzeit Dick. Gruß Michael

#7 Robert Kerber

Robert Kerber

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Geschrieben 25 März 2004 - 12:36

Ballards Romane seit "The Day of Creation" sind nicht mehr ins Deutsche übersetzt worden.

Kleine Korrektur: Ballards "Cocaine Nights" (leider eines seiner schwächsten Bücher) erschien als "Weißes Feuer" bei Goldmann. "Super-Cannes" und "Millennium People" wurden hierzulande aber seitens der Verlage tatsächlich verschlafen. Grüße, Robert Kerber
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#8 Trurl

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Geschrieben 25 März 2004 - 14:21

Hallo Michael,

Von der Kritik (und von immer mehr Mainstream-Lesern) wird er als einer der wichtigsten zeitgenössischen Romanciers seines Heimatlandes angesehen.

Das freut mich zu hören. Ich habe mich immer wieder mal gefragt was dieser Mensch heute so macht, da ich seit Jahren keine deutschen Neuauflagen oder Neuveröffentlichungen seiner Bücher gesehen habe (deshalb auch meine Bemerkung). Es wundert mich gar nicht dass er jetzt in den Mainstream-Bereich gewechselt ist - ohne die phantastischen Elemente könnte Kristallwelt ohne weiteres auch als "normale" Literatur durchgehen. Trurl
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#9 Robert Kerber

Robert Kerber

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Geschrieben 27 März 2004 - 20:05

Das freut mich zu hören. Ich habe mich immer wieder mal gefragt was dieser Mensch heute so macht, da ich seit Jahren keine deutschen Neuauflagen oder Neuveröffentlichungen seiner Bücher gesehen habe (deshalb auch meine Bemerkung).

In England und den USA ist Ballard ungebrochen populär, vielleicht sogar mehr denn je - unlängst erschien in GB eine dicke Kollektion mit seinen gesammelten veröffentlichten Kurzgeschichten, und viele seiner Bücher (incl. der umstrittenen "Atrocity Exhibition") haben Neuauflagen erfahren.

Es wundert mich gar nicht dass er jetzt in den Mainstream-Bereich gewechselt ist - ohne die phantastischen Elemente könnte Kristallwelt ohne weiteres auch als "normale" Literatur durchgehen.

"Day of Creation/Tag der Schöpfung" ist tatsächlich so etwas wie eine Mainstream-Version von "Crystal World". Ballard ist ein erklärter Anhänger von Joseph Conrad, weshalb ich an dieser Stelle nachdrücklich Conrads "Heart of Darkness/Herz der Finsternis" empfehlen kann. Ich muss allerdings auch betonen, dass ich Ballards Mainstream-Werke der letzten Jahre, mit Ausnahme von "Empire of the Sun/Reich der Sonne" und "Running Wild/(dt. dito)" nicht rückhaltlos empfehlen kann. "Cocaine Nights/Weißes Feuer" und "Super-Cannes" sind Semi-Remakes von "High Rise/Der Block" und "Running Wild" - hier würde ich eher raten, zu den beiden letzteren zu greifen. Grüße, Robert Kerber
"Trau keinem Buch über 300 Seiten."

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#10 Trurl

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Geschrieben 28 März 2004 - 18:00

Ballard ist ein erklärter Anhänger von Joseph Conrad, weshalb ich an dieser Stelle nachdrücklich Conrads "Heart of Darkness/Herz der Finsternis" empfehlen kann.

Du wirst nicht glauben welches Buch ich mir letzte Woche in der Reclam-Ausgabe besorgt habe ... Joseph Conrads "Herz der Finsternis". <_< Ich kenne zwar den Inhalt von Conrads Klassiker vage ("Apokalyspse Now" von Copolla basiert auf dieser Erzählung), aber die Erzählung selbst habe ich, muss ich zu meiner Schnade gestehen, noch nie gelesen - was ich jetzt nachhole. Trotzdem hat sich mir dieser Eindruck sofort aufgedrängt und ich wollte diesen Hinweis schon in meiner Rezi anführen, habs mir aber dann doch verkniffen. Aber jetzt wo du es aussprichst ist die Referenz natürlich offensichtlich. Trurl
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#11 eRDe7

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Geschrieben 03 April 2004 - 14:27

Hallo. Ein Link, der vielleicht interessant sein könnte: http://www.feltrinel...rna?id_int=1242 Dort findet sich ein .rm-Stream mit einem Fernsehinterview mit Ballard aus dem Jahre 2004. (Hinweis: Obwohl die Seite und das Fernsehteam Italiener sind, ist das Interview in Englisch.) Ich habe mir gerade vorgenommen, Ballard chronologisch zu lesen. Befinde mich gerade gegen Ende des Jahres 1959... Da habe ich noch einiges vor mir. Viele Grüße, Ralph

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

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#12 Robert Kerber

Robert Kerber

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Geschrieben 03 April 2004 - 18:20

Ich habe mir gerade vorgenommen, Ballard chronologisch zu lesen. Befinde mich gerade gegen Ende des Jahres 1959... Da habe ich noch einiges vor mir.

Dann mach dich auf einige Überraschungen gefasst, vor allem bei Ballards wirklich radikalen Geschichten ab Mitte der 60er wie "The Terminal Beach" und "The Atrocity Exhibition", die er noch mit seiner programmatischen Erklärung "Notizen vom Nullpunkt" untermauerte - nur um dann Ende der 70er genau zu der Art Geschichten, die er erklärtermaßen nicht mehr schreiben wollte, zurückzukehren. Egal, in jeder seiner Schaffensphasen finden sich interessante Werke. Robert Kerber
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#13 eRDe7

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Geschrieben 03 April 2004 - 20:11

Hallo Robert.Danke für den Hinweis.Ich dürfte aus allen Perioden inzwischen Geschichten gelesen haben, weiß somit, was Du meinst.Nur hatte ich bisher nie systematisch die Geschichten und Romane "durchgearbeitet", sondern nur mal hier und da eine Geschichte gelesen - und die Romane mehr oder minder mißachtet.Das erwähnte NOTIZEN ZUM NULLPUNKT konnte ich bisher leider nirgendwo finden. :)Beste Grüße,Ralph

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#14 Robert Kerber

Robert Kerber

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Geschrieben 04 April 2004 - 11:26

Das erwähnte NOTIZEN ZUM NULLPUNKT konnte ich bisher leider nirgendwo finden. :)

... erschien in "New Worlds 167" und hierzulande in "Frank Rainer Scheck (Hrsg.): Computerträume - Neue Science Fiction" (1970 und 1973). "Au revoir, ihr edelsteinernen Alligatoren und weißen Hotels, ihr halluzinatorischen Wälder, lebt wohl." Interessanterweise wurde der Aufsatz nicht in den Ballard-Reader "A User's Guide to the Millennium" aufgenommen, JGB mochte wohl nicht mehr hinter dem Gesagten stehen ... Grüße, Robert Kerber
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#15 Gast_Michael Iwoleit_*

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Geschrieben 06 April 2004 - 16:42

Interessanterweise wurde der Aufsatz nicht in den Ballard-Reader "A User's Guide to the Millennium" aufgenommen, JGB mochte wohl nicht mehr hinter dem Gesagten stehen ...

Da bin ich mir nicht sicher. In "A User's Guide..." waren einige programmatische Aufsätze aus der New Wave-Zeit enthalten, die nicht minder radikal waren als "Notes from Nowhere". Über das Fehlen dieses Artikels habe ich mich aber auch gewundert. Möglicherweise hielt Ballard die Aussagen in anderen Aufätzen aus heutiger Sicht für stichhaltiger. Gruß Michael

#16 eRDe7

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Geschrieben 06 April 2004 - 19:59

Hallo Michael.In der Mittagspause habe ich versucht, ein wenig in Deinen Ballard-Essay im SF-Jahr reinzulesen und stieß auf die Nebenbemerkung, dass in der Sammlung seiner Erzählungen einige Geschichten fehlen.Kannst Du mir sagen, wie viele in etwa? Ich habe mir das Complete Stories bestellt (und gerade u.a. weil mir noch ein paar Geschichten fehlen).Ich hoffe, ich komme irgendwann mal dazu, den Text ganz zu lesen.Beste Grüße,Ralph

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#17 Gast_Michael Iwoleit_*

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Geschrieben 07 April 2004 - 08:53

In der Mittagspause habe ich versucht, ein wenig in Deinen Ballard-Essay im SF-Jahr reinzulesen und stieß auf die Nebenbemerkung, dass in der Sammlung seiner Erzählungen einige Geschichten fehlen. Kannst Du mir sagen, wie viele in etwa?

Hallo Ralph, ich hab's nicht im Kopf, aber Du kannst es ganz leicht selbst heraus- finden. Ziehe Dir aus dem Netz mal die Inhaltsangabe von "The Atrocity Exhibition". Etwa die Hälfte der "condensed novels" sind in den "Collected Stories" nicht enthalten. Daneben weiß ich von einem "condensed novel"- artigen Text mit dem Titel "Journey Across a Crater", der auch nicht ent- halten ist. Ansonsten natürlich eine grandiose Sammlung, die den Kauf allemal wert ist. Seine Erzählungen in den Sechzigern halte ich nach wie vor für das Beste, was er geschrieben hat. Es gibt aber auch einige exzellente Stories aus den späten Achtzigern/frühen Neunzigern. Tip "The Intensive Care Unit" und "The Enormous Space". Gruß Michael

#18 eRDe7

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Geschrieben 07 April 2004 - 09:34

Hallo.Die erste Geschichte, die ich von ihm las (ziemlich spät, muss so um 1990 herum gewesen sein), war:The Man Who Walked on the Moon von 1985. Irgendwie ist das noch immer eine meiner liebsten. Danach las ich The Watch-Towers von 1962. Die hatte mir auch sehr gefallen.Momentan befinde ich mich lesend in der Peroide nach seinem ersten Roman. Die meisten der frühen Geschichten sind scheinbar nicht so mein Fall. Es gibt allerdings einige Ausnahmen (vor allem: The Overloaded Man von 1961).Und wenn ich nun nicht zur Arbeit müsste, würde ich auch glatt den ganzen Tag weiterlesen... :)Bis bald,Ralphps: Mag sein, dass meine Emails noch immer nicht richtig funktionieren, hatte da Probleme. Michael steht Dein Angebot noch?

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#19 Robert Kerber

Robert Kerber

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Geschrieben 07 April 2004 - 10:29

Eine weitere fehlende Story in der Kollektion, auf deren Verweis ich im Netz gestoßen bin, ist "Jane Fonda's Augmentation Mammoplasty" (??? - klingt beinahe wie ein Aprilscherz).

Die meisten der frühen Geschichten sind scheinbar nicht so mein Fall. Es gibt allerdings einige Ausnahmen (vor allem: The Overloaded Man von 1961).

Na, "Zone of Terror" und "Manhole" sind doch auch Klassiker, oder?

Es gibt aber auch einige exzellente Stories aus den späten Achtzigern/frühen Neunzigern.

Ab Ende der 1970er wiederholt sich JGB für meinen Geschmack etwas zu sehr, zu den Perlen seiner Spätwerke würde ich z.B. "Zodiac 2000 zählen, die aus derselben Periode wie "Intensive Care Unit" stammt. Den Komplettisten sei auch der JGB gewidmete Sonderband der "ReSearch publications" empfohlen, der u.a. einige seiner Text-/Foto-Collagen enthält. Robert Kerber
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#20 eRDe7

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Geschrieben 07 April 2004 - 22:29

Na, "Zone of Terror" und "Manhole" sind doch auch Klassiker, oder?

Schon, aber sie haben mich letztendlich nicht überzeugt. Ich glaube, es war jeweils der Schluß. Irgendwas störte mich daran, um mich nachhaltig zu begeistern. Ralph

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