Erkläre ich Dir gerne. Die Wahrnehmung, die nicht von dem einen und dem anderen politischen Lager ausgeht, sondern von den Guten, den Demokraten, und den bösen Aliens, den Republikanern. Diese Wahrnehmung, deren Ausfluss dann ist, nicht die Ablehnung republikanischer Politik mit sachlichen Argumenten zum Ausdruck zu bringen, sondern dem politischen Gegner mit Abscheu der Lächerlichkeit preiszugeben und für schlicht nicht satisfaktionsfähig zu erklären. Und man komme mir jetzt nicht nur mit Trump, wer schon länger auf der Welt ist, weiß, dass das bei den drei republikanischen Präsidenten davor graduell auch nicht so viel anders war. Dieser Sound beherrschte im alten Europa die traditionellen Massenmedien (die aus jeder Mini-Entgleisung Trumps einen Mega-Skandal machten oder Memes darum bastelten), aber auch die sozialen Netzwerke und Foren wie dieses und entsprechende Äußerungen von Dir habe ich ebenfalls in Erinnerung. Ich sage ja nicht, dass Trump toll ist, trotzdem darf einem das den Blick auf eine gewisse Einseitigkeit der Wahrnehmung des Wahlkampfes bei vielen nicht nehmen.
Ich versteh eigentlich nicht ganz, auf was diese Argumentation hinausläuft. Ja, ich war - wie viele andere - klar gegen Trump. Und jetzt wurde er gewählt. Heisst das nun, dass alle, die gegen ihn waren, Unrecht hatten? Nein, natürlich nicht. Trump wird durch seine Wahl nicht besser, seine Statements nicht weniger problematisch.
Redest Du jetzt wirklich mit mir? Ich habe weder Umfragen, noch Eliten gemeint, noch davon gesprochen. Mir ging es um den verbalen Umgang mit dem politischen Gegner, nicht um Umfragen.
Ich habe dich so verstanden, dass die Trump-Gegner in ihrer Selbstgerechtigkeit so verblendet waren, dass sie nicht sahen, dass Trump gewählt werden wird. Und das halte ich für falsch. Dass die Sympathien vielerorts klar verteilt waren, ist korrekt (wobei ich es allerdings seltsam finde, dass den Medien abwechselnd vorgeworfen sind, sie seien für den Erfolg Trumps verantwortlich und zugleich einseitig gegen ihn). Dass man bis zum Schluss von einem Sieg Clintons ausging, hat damit aber nur begrenzt was zu tun. Ich glaube nicht, dass in Trumps Team allzu viele mit einem Sieg gerechnet haben.
Anti-Elitäre Reflexe ist, glaube ich, ein schiefes Argument. Richtig ist aber sicherlich, und das kam in der europäischen Presse mangels Verständnis für die USA immer viel zu kurz, dass Hillary Clinton mit dem sehr massiven Problem zu kämpfen hatte (möglicherweise war das sogar wahlentscheidend), dass sie zu recht als "eine von denen da in Washington" wahr genommen wurde, was in den USA vielerorts extrem negativ besetzt ist, während Trump als "Außenseiter" wahrgenommen wurde. Weil man gerade in Deutschland gerne "Großkapital" (um mal den linken Begriff zu übernehmen) und "Washington" in einen Topf schmeißt (was Du ja auch machst), was Amerikaner möglicherweise nicht so tun, ging dieser wichtige Aspekt häufig unter.
Dass Clinton in verschiedener Hinsicht keine ideale Kandidatin war - vollkommen unabhängig, wofür sie politisch steht -, ist zweifellos richtig. Gegen jeden anderen republikanischen Kandidaten hätte sie wahrscheinlich noch viel deutlicher verloren. Aber: Was ebenso ein Fakt ist, dass ein Grossteil der Abneigung gegen sie nichts mit dem zu tun hat, wofür sie politisch steht. Und die Tatsache, dass sie unbeliebt ist, macht Trump noch nicht zu einem valablen Kandidaten.
(Ich werfe "Grosskapital" und "Washington" übrigens nicht in einen Topf. Ich finde es einfach ziemlich lachhaft, dass ausgerechnet ein Milliardär, der in einem vergoldeten Penthouse lebt, ein Fürsprecher des sagenumwobenen kleinen Mannes sein soll. Wir haben mit diesem Typus in der Schweiz lange Erfahrung; wobei Blocher zumindest was die Einrichtung besitzt, einen etwas besseren Geschmack hat als Trump).
Menno! Wenn Du mich im Mensch Ärgere Dich nicht nicht kurz vor Schluss rausgechmissen hättest, hätte ich vielleicht gewonnen! Sei mir nicht böse, aber das ist ein sehr unbrauchbares Argument, auch wenn man es seit vielen Stunden überall lesen kann. Die Spielregeln sind so und so, darauf hatten sich alle Wahlkämpfer vorher geeinigt, dann muss man nachher nicht rumheulen, wenn der Auszählmodus was anderes ergibt.
Ja, da Spielregeln sind so. Aber dass sie nicht fair sind, haben genug Leute schon vor der Wahl festgestellt (und nicht ganz zufällig ist eines der Projekte, die Obama nach seiner Amtszeit angehen will, das Problem des gerrymandering). Das Elektorensystem in Kombination mit dem Winner-takes-it-all-Prinzip führt dazu, dass am Ende eine erstaunlich kleine Zahl von Wählern in wenigen Bezirken die Wahl entscheidet, während die einzelne Stimme an vielen anderen Orten fast irrelevant ist. Das ist demokratietechnisch auf jeden Fall problematisch, denn es heisst letztlich ja nichts anderes, als dass eine Stimme einen ganz unterschiedlichen Wert hat, abhängig davon, wo sie abgegeben wird (historisch wurden die Elektoren ja gerade deshalb eingeführt, weil man einen Puffer zum Volk wollte. Die Gründerväter hatten beileibe nicht so viel Vertrauen in die Demokratie, wie heute meist suggeriert wird).
Bearbeitet von simifilm, 10 November 2016 - 13:20.