Oliver schrieb am 23 Aug 2016 - 08:04:
Das mit dem kindisch stimmt aber, denke ich, nur zum Teil. Den Puppys geht es ja nicht nur darum, dass sie nicht selbst gewinnen, sondern auch darum, so ihr Vorwurf, dass zu viele Texte gewinnen, nur weil sie progressive/linke Inhalte (damit meinen die Puppys: Gender, Feminismus, LGBTQ, NAACP etc.) transportieren statt qualitativ zu überzeugen.
Ich überblicke die aktuelle literarische SF viel zu wenig, um das inhaltlich beurteilen zu können, dennoch habe ich mit dieser Klage in zweierlei Hinsicht Mühe. Einerseits ist es das Wesen von Jury-Preisen, dass sie die Zusammensetzung der Jury widerspiegeln. Allerdings wählt der Einzelne einen Roman aus sehr unterschiedlichen Gründen; dem einen ist vielleicht tatsächlich die politische Ausrichtung wichtig, der andere dagegen ist mehr an Sprache interessierte, und die dritte wählt ein Buch ganz einfach deshalb, weil sie alle anderen Kandidaten gar nicht gelesen hat. Wenn man sich die Zahlen der beiden Abstimmungsrunden anschaut, dann wird auch deutlich, dass es - wenn die Puppies nicht reinfunken - gar nicht so viele Stimmen braucht, um einen Titel auf die Shortlist zu bringen. Daraus irgendwie abzuleiten, dass
das Fandom gewisse Dinge nicht toleriert, finde ich fragwürdig. Und selbst wenn das SF-Fandom nun eher links stehen sollte, dann ist das eben so (wobei man freilich nicht sonderliche linke Ansichten haben muss, um in den Augen von Leuten wie Wright oder Beale schon als linksextrem zu gelten. Ich habe, wie ich schon geschrieben habe, ohnehin Mühe, hier echte politische Positionen auszumachen. Nach allem, was ich von und über die beiden sowie ein paar andere Puppies gelesen habe, vertreten sie weniger eine halbwegs kohärente politische Position, sondern eher eine Ansammlung von Ressentiments).
Zum anderen frage ich mich, welches denn die Beispiele "politisch unkorrekter", guter, altmodischer SF sind, die man in den vergangenen Jahren so schändlich übergangen hat. Die Werke von Wright oder Tingle werden es wohl nicht sein. Und
The Three Body Problem, den Gewinner des Roman-Hugos 2015, habe ich zwar zwar nicht gelesen, soweit ich weiss, handelt es sich dabei aber um einen relativen klassische SF-Roman, dessen "politische Korrektheit" vor allem darin besteht, dass er von einem Chinesen stammt. Also was genau wird zugunsten von was unterschlagen?
Ohnehin scheint mir der Ruf zur Rückkehr zu den "guten alten Werten" - wie so oft - auf einer verzerrten Wahrnehmung der Vergangenheit des Genres zu beruhen. Wann wurde denn diese alte, politisch noch nicht korrekte SF geschrieben? Ist das Cyberpunk à la Gibson, New Wave von Delany, Le Guin oder Russ? Oder müssen wir zurück bis zur SF des Golden Age? Asimov sah sich selbst als "liberal", und sogar Heinlein war in seiner verqueren Art weitaus progressiver, was Geschlechterrollen oder nicht-weisse Figuren betrifft, als den Puppies bewusst sein dürfte.
Bearbeitet von simifilm, 23 August 2016 - 11:22.