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Sozialkritische Phantastik vs. fantastische Unterhaltung


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10 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 09:28

Ich hatte bezüglich Zwielicht 8 zwei gegensätzliche Meinungen erhalten und denke, das ist ein guter Startpunkt für eine Diskussion. Die erste Zuschrift hatte als Fazit, Zwielicht bewege sich in Richtung sozialkritische Phantastik und könnte mehr straighten Horror gebrauchen. Die andere Zuschrift sagte, Laufschuhe von Ken Liu wäre die mit Abstand beste Geschichte, die bisher in Zwielicht erschienen ist. In Lius Laufschuhe kommt das Grauen aus der gegenwärtigen Gesellschaft, handelt von der Textilproduktion in Asien. Wenn man dagegen Sheila Hodgson mit Villa Martinae sieht, ist der Horror eher klassicher Art in der Tradition von M.R. James. Jetzt gibt es gerade bei der SF Kurzgeschichte eine große Tradition, sich aktuellen und kritischen Themen zu stellen. Ted Chiang z.B. hat ja viele aktuelle Themen und gerade die SF ist ja aus der Tradition schon der technischen und sozialen Entwicklung verbunden. Allerdings sind ja auch viele SF Leser der Vergangenheit behaftet und sind z.B. sehr zukunftsoptimistisch und interessieren sich eher für die Chancen zukünftiger Entwicklungen als den Risiken. Daher wahrscheinlich auch das Faible für das Golden Age und Helden wie Captain Future und Buck Rogers.

 

Was interessiert euch an einer phantastischen Kurzgeschichte? Eher der Zauber des Ungewöhnlichen, das Heimelige am Bekannten des Genremuster oder die Möglichkeit, der heutigen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten?



#2 ShockWaveRider

ShockWaveRider

    verwarnter Querulant

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 12:19

1 und 3.

 

Gruß

Ralf


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ShockWaveRiders Kritiken aus München
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Denn er tut sich verbitten
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#3 Diboo

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    Kaisertentakel

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 12:53

Bewbs.

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#4 Pogopuschel

Pogopuschel

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 12:59

Alles. Ich liebe die Abwechslung und Vielfalt. Dazu gehört sozialkritische Phantastik ebenso wie Abenteuergeschichten. in einer Kurzgeschichtensammlung schätze ich die Abwechslung.



#5 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 13:11

Alles. Ich liebe die Abwechslung und Vielfalt. Dazu gehört sozialkritische Phantastik ebenso wie Abenteuergeschichten. in einer Kurzgeschichtensammlung schätze ich die Abwechslung.

 

Das heißt in einer guten Anthologie ist dir Abwechslung wichtiger als z.B. ein gemeinsames Thema oder eine "ähnliche" Ausrichtung der Geschichten, die Mischung macht es, oder?



#6 Toloceste

Toloceste

    Infonaut

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 13:18

(Postüberschneidung, Bezug auf die Ausgangsfrage)

 

Nun, der echte Horrror ist im Realen beheimatet. In negativen Feedbackprozessen, im Aufbrechen der geglätteten Oberfläche und der Oberfläche, die Entsetzliches ermöglicht. Das ist das eine, das unbedingt drin sein sollte.

Das andere wäre das von aufgeklärten Verstand abgetane Abergläubische, das in den als bisschen jugendgeigneter abgetanen Texten der deutschen Literatur, wie Theodor Strorms Schimmmelreiter oder gewissen Balladen der Annette von Droste-Hülshoff wie dem "Spiritus Familiaris des Rosstäuschers" http://www.deutsches...chte_1844?p=384  vorkommt. Beide haben dies allerdings mit den gesellschaftlichen Abgründen verwoben.

Und dann das Wunderbare bei Lessings Nathan, wenn Daja und Recha davon schwärmen, ihr Retter sei ein Engel, und Nathan meint, ob es ihnen nicht wunderbar genug sei, dass ein Mensch sie gerettet hat.

Im Modernen kenn ich mich nicht so aus, ich komme zu wenig zum Lesen, um mich orientieren zu können. Gibt es da was Paralleles?


Bearbeitet von Anskis, 04 Juni 2016 - 13:21.


#7 Pogopuschel

Pogopuschel

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 13:22

Das heißt in einer guten Anthologie ist dir Abwechslung wichtiger als z.B. ein gemeinsames Thema oder eine "ähnliche" Ausrichtung der Geschichten, die Mischung macht es, oder?

 

Es kommt darauf an, was für eine Anthologie es ist. Ich lese ja gerade Strahans Jahrebestanthologie SF & F. Hier erwarte ich in erster Linie herausragend erzählte Geschichten, das Thema ist da relativ egal, wobei es mich schon freut, wenn es breit gestreut ist. Bei thematisch eingeschränkteren Anthologien wie z. b. "Old Venus", die als Hommage an die SF des Golden Age gedacht ist, erwarte ich vor allem abenteuerliche SF, aber durchaus auch mit modernen Stilmitteln erzählt.

 

Ich gehöre eher zu den Lesern, die nicht mehr vom gleichen hintereinander lesen möchten (bei Büchern lese ich selten zwei aus einem Genre hintereinander). In einer Horrorantholgie möchte ich keine drei Spukhausgeschichten hintereinander lesen*, die alle den Genreklassikern nachempfunden sind. Da müssen die Autoren schon sehr kreativ werden, damit ich mich da nicht schnell langweile.

 

Aber so genau kann ich das gar nicht festlegen.So lang es gute Geschichten sind ...

 

 

*Schreibt einer, der das Wort hintereinander dreimal hintereinander benutzt. ;)



#8 fancy

fancy

    Temponaut

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 13:54

In Zwielicht 8 sind die absoluten Höhepunkte für mich persönlich, Laufschuhe, Endstation und Schützenfest.

Laufschuhe und Schützenfest sind sozialkritisch, aber eben nicht auf eine platte Art und ohne erhobenen Zeigefinger. Mir gefällt es, wenn der Autor nicht als Oberlehrer daher kommt. Meiner Meinung nach könnten wir mehr solcher Storys brauchen.

 

Endstation ist Horror pur, aber auf einem sehr hohen Niveau.

 

Insofern denke ich, wenn die Mischung stimmt, ist die Anthologie perfekt.


Fang nicht an, Dinge zu tun, tu sie einfach!
Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
Wenn Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selbst. (Oscar Wilde)

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#9 Seti

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    Zeitreisebegleiter durch die Windener Höhlen

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Geschrieben 04 Juni 2016 - 20:48

Da ich die beiden im Eingangspost erwähnten Stories übersetzt habe, bietet es sich ja förmlich an, meine zwei Cents dazuzugeben. Nun bin ich deshalb sicherlich etwas voreingenommen, andererseits kann ich meine Erfahrungen somit aus Übersetzer- und aus Lesersicht schildern.

 

Grundsätzlich geht es mir so wie Pogo: Ich mag es abwechslungsreich und kann mich an handwerklich gut gemachter Unterhaltungsliteratur genauso erfreuen wie an Werken mit sozialkritischen Zwischentönen (und an SF genauso wie an Fantasy und Horror). Allerdings hinterlassen bei mir Geschichten, in denen Missstände thematisiert werden, oftmals einen bleibenderen Eindruck. Und da ich bei Zwielicht nicht nur übersetze, sondern eine Übersetzung pro Ausgabe in Absprache mit Mammut und Achim Hildebrandt frei wählen darf (in diesem Fall "Laufschuhe"), spielt das natürlich bei meiner Auswahl eine gewisse Rolle.

 

Trotzdem versuche ich auch da auf Ausgewogenheit zu achten, und dabei ist gesellschaftliche Relevanz nur eines von vielen möglichen Kriterien. Bei "Laufschuhe" ging es mir bspw. nicht nur um die Darstellung der Zustände in vietnamesischen 'Sweatshops', sondern ganz banal auch darum, dass ich unbedingt etwas von Ken Liu übersetzen wollte (und dass er sein Okay gegeben hat, war eines der Highlights meiner noch jungen Laufbahn). In der vorigen Ausgabe hingegen war die von mir ausgewählte Story von Alyssa Wong eine abgründige Neuinterpretation des Meerjungfrauen-Mythos, was eher in Richtung Dark Fantasy ging, während in der nächsten Ausgabe eine "Friedhof der Kuscheltiere"-Variante von Kristi DeMeester folgen wird, also wieder eher klassischer Horror. Das sind alles Dinge, die ich gerne lese, und die deshalb logischerweise meine Auswahl beeinflusst haben.

 

Im Gegensatz dazu war "Die Villa Martine" von Mammut vorgegeben. Solch eine Anfang des 20. Jahrhunderts spielende Geistergeschichte übt auf mich als Leser jetzt keinen so großen Reiz aus, aber aus Übersetzersicht hat es trotzdem Spaß gemacht, die blumige Sprache des Originals ins Deutsche zu übertragen (wobei die Gratwanderung, dabei nicht ins zu Gestelzte abzurutschen, eine ganz eigene Herausforderung darstellte). Daran, dass viele Leser an diesen Klassikern Gefallen finden, ist ja nichts verkehrt. Ebenso sicherlich an denen, die gerne Splatter und Gore lesen - was ich nun wirklich überhaupt nicht mag. Aber gerade bei Magazinen, wo für die Stories außer dem Genre keine bestimmten thematischen Vorgaben gelten, ist man gut beraten, möglichst viele verschiedene Leserinteressen zu bedienen. Einerseits ist somit für jeden etwas dabei, andererseits kann man vielleicht sogar noch den Horizont mancher Leser erweitern.

 

(@Mammut: Kannst du die beiden Mails mit den Rückmeldungen mal an mich weiterleiten? Würde die gerne lesen.)


"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"

- The Talos Principle


#10 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
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Geschrieben 04 Juni 2016 - 22:09

Die Diskussion ist nicht neu http://www.scifinet....e-5#entry256394



#11 Naut

Naut

    Semantomorph

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Geschrieben 05 Juni 2016 - 15:09

Ich will alles, am besten in einer Geschichte. Ted Chiang ist da oft nah am Optimum für mich.
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen


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