Etwas Senf & Ketchup von meiner Seite zu „Operation Gnadenakt“ (da kontrafaktisch und wg. des Motivs der technisch verursachten Lebenszeitverlängerung für mich durchaus SF). Die Story ist handwerklich solide und durch stellenweise aufblitzende Ironie - etwa H. als unfreiwillige Versuchsperson für die Marsforschung - lesenswert. Trotzdem bin ich nach der Lektüre nicht ganz zufrieden. M. E. fehlen der Story stärkere - gehaltvollere - humoristische Elemente, um als 'Hitler-Satire' in einem Alternativwelt-Setting zu tragen. Denn viel zu lachen gibt es nicht, was wohl vor allem an der Art der Bestrafung von H. liegt, die Züge von einem Menschenexperiment hat und bei der einem das Lachen - zurecht - im Halse stecken bleibt.
Andererseits vermag ich die Story kaum als moralisches Gedankenspiel über „Menschlichkeit“, die Unantastbarkeit der Menschenwürde etc. zu lesen, weil mich bereits die Annahme dieser Hitler-Bestrafung nicht ganz überzeugt. Denn warum sollten die Amerikaner unter dem Eindruck der Kriegsgräuel der Nazis auf die Idee kommen, H. ausgerechnet (beinahe) 'ewiges Leben' - wenn auch als (Fernseh-) Zuschauer der Demokratisierung der Welt - zu 'schenken'? Die Begründung, die in der Geschichte genannt wird („ein Verbrechen ohnegleichen erfordert eine Strafe ohnegleichen“), finde ich dazu ziemlich abstrakt. Wäre dies tatsächlich der amerikanischen Bevölkerung, den Opfern als 'Strafe' vermittelbar - wohl kaum, und sie wird es ja auch nicht, da sie geheim bleibt. Und mit Blick auf Hitlers Helfer: Müssten die Amerikaner gemäß dieser Logik nicht alle Nazi-Verbrecher auf diese Weise bestrafen? Wie ist es weiterhin zu erklären, dass in Kauf genommen wird, dass durch die Geheimhaltung von H.s Einkerkerung nicht nur der Präsident, sondern das gesamte eigene Land hinters Licht geführt wird? Wird in Wahrheit nicht die eigene Bevölkerung 'bestraft' , weil sich H. nicht mehr für seine verbrecherischen Taten (vor seinen Opfern und Gegnern) rechtfertigen muss? Wäre schließlich der politische Mehrwert für die USA bei einer öffentlichen Bekanntgabe der Gefangennahme von H. nicht viel höher als bei dieser Geheimniskrämerei, die doch eher egoistisch anmutenden Rachemotiven Einzelner folgt?
Eine weitere Schwierigkeit ist für mich, dass ich mich mit keiner Figur in der Geschichte stärker identifizieren kann: Und selbst wenn ich mich auf dieses Gedankenspiel - etwa über eine Identifikation mit der Putzfrau - richtig einlassen könnte, fiele es mir nicht einfach, die moralische Ebene angesichts der 'tierischen' Schlusspointe ernstzunehmen.
Bearbeitet von Sierra, 19 Juli 2016 - 14:58.