Rollerball
#1
Geschrieben 08 Mai 2004 - 09:37
(Hier müsste man jetzt laut die ersten Phrasen von Bach's Fuge in D moll abspielen können - Inspiration für diese Rezension war Impala's "nay" im Kill-Bill-Thread, das ich erst vor kurzem entdeckte, und meine unerklärliche Beschäftigung seit einigen Wochen mit dem Thema "Gewalltverherrlischung"...)
Vor 2 Jahren wurde Rollerball erneut verfilmt unter der Regie von John McTiernan (bekannter/anerkannter für 2 der Die-Hard-Filme). Es handelt sich dabei um eine extreme Erweiterung des TV-Gladiatoren-Spiels, mit einem Metallball der in einer Bike-/Skate-Arena von 2 Teams ins jeweils gegenüberliegende Tor geworfen werden muss - wobei Gewaltanwendung oft erlaubt, und noch öfter gewünscht, ist.
In der 2002-Version finden die Spiele im (o so korrupten) Asien statt, und der Amerikaner Jonathan Cross (etwas blauäugig dargestellt von Chris Klein), der neue Star des Spiels, kapiert nach und nach, dass er Sklave ist in einem immer tödlicheren bewegten Schachspiel um Zuschauerquoten. Am Ende bleibt nur noch Rache.
In der Siebziger-Version finden die Spiele im 21. Jahrhundert statt. Jonathan E. (in seiner ersten tragenden Rolle nach dem Paten: James Caan) ist seit 10 Jahren der Held des Spiels - alle anderen Mitspieler (nur Männer) sind ausgeschieden oder tot. Daher wird ihm von der herrschenden oligarchen Elite nahe gelegt, abzutreten. Schließlich soll das Spiel zeigen, dass Individuen keine Chance haben und nur das Team zählt. Die Gewaltschraube wird angedreht. Am Ende steht nur noch ein Mann...
Kritik
Beide Filme erscheinen trashig. Wo der neuere Film formelhaft schnelle Jungs in noch schnelleren Autos sowie diverse Xenophobien bedient, bemüht sich der ältere Film nicht all zu viel Spaß an den Gewalteinstellungen zu haben, in dem er in den ersten eineinhalb Stunden (er ist insgesamt über 2 Stunden lang) oft sehr reflektiv wirkt (Gespräche mit Kollegen und Computern über das Warum, sehnsüchtige Fantasien über ein besseres Leben). Auch der ältere Film ist xenophobisch (auch hier gibt es "böse" Asiaten - Japaner), und auch noch, entspr. den Zeiten, sexistischer.
Der neuere Film wirkt allerdings wesentlich hohler ("true trash"?), denn der Plot bemüht sich sehr, die stilistischen Elemente der Kameraführung sind eher spielerisch (alle nächtlichen Jagdszenen in verschwommenem Nachtsichtgerät-Grün) und Schauspieler wirken lustlos (Ausnahme m.E.: Rebecca Romijn-Stamos).
Der ältere Film brilliert m.E. in den visuellen Ideen; dazu passt ein relativ geradliniger einfacher Plot. Visuell wirkt der Film Kubrickesk. Regisseur Norman Jewison war schon ziemlich bekannt für u.a. Thomas Crown Affair mit Steve McQueen, und bringt hier ähnlich lasziv-eleganten Flair in viele Einstellungen, aber zusätzlich durchmischt mit Rauf- und Knall-Szenen aus dem Spiel (auch oft auf fantastischen Haus-TV-Anlagen - in jedem Zimmer 4 Schirme!) und einem blutigen Finale. Besonders eindrucksvoll sind die Szenen, die das Spiel zu einer Art Messe stilisieren: Der Filmanfang, der das langsame Erwachen der Ring-Arena dokumentiert, die öfter wiederkehrende Einstellung mit dem furchterregenden Rollerball-Handschuh (s. Bild oben) der den gewonnenen Ball hochhält, während im Hintergrund die Publikumskulisse vorbeirauscht. Sehr passend zu dem "Messe"-Thema ist auch die klassische Orgelmusik (Jewison benutzt hier wie Kubrick fast nur klassische Begleitmusik).
Die schauspielerische Leistung von Caan fand ich der Rolle eines typischen Profi-Athleten angemessen zurückhaltend - man wünscht sich allerdings dass er weniger Brando's ewiges Gemurmel nachmachte. Es lohnt sich evtl. deswegen die dt. Fassung zu sehen, damit man überhaupt kapiert was die Hauptfigur sagt. Nur während des Spiels ist sein Geschrei richtig deutlich.
Im Endeffekt ist das die Aussage des ('75) Films: Wenn alle korrupt sind, halte ich mich an mich und mache das was ich kann so gut wie ich kann - mehr geht eh nicht.
Die Schauspielerei der Anderen im älteren Film ist gut - besonders haben mir John Houseman (spielt der je was Anderes als den mahnenden Stoiker?) und Pamela Hensley (hier m.E. in ihrer besten Rolle) gefallen.
Trotz der Flachheit und gekünstelten Verspieltheit mancher Sequenzen, kommt die dem Zeitgeist der Siebziger entspr. politische Message auch klar rüber (der von Houseman gespielte Big Businessman erklärt sie Jonathan E. sogar mehrfach): Kommerz ist korrupt aber die einzige Chance für andauernden Wohlstand und Frieden - wenn dafür ein paar Menschenleben geopfert werden müssen, ist das noch immer fortschrittlicher als jeder Krieg.
Mir gefällt also dieses fast 30 Jahre alte Rollerball wegen der audio-visuellen Momente und der sehr s.f.-mäßigen politischen Inszenierung (die dem neuen "realistischen" Film abgeht). Ich fand ihn als Teenager sehr beeindruckend und hab deswegen damals sogar angefangen Orgelspielen zu lernen...
Notiz am Rande: McTiernan hat auch die neuere (visuell durchaus interessante) Version von Thomas Crown Affair in Szene gesetzt; vielleicht wollte er ja dort und hier Jewison ehren? Wenn er wenigstens ein wenig Bach eingesetzt hätte...
(Bild stammt direkt aus dem engl. Wikipedia-Beitrag)
/KB
Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der kleinsten das Wort:
"Wenn sich all unsere Wünsche erfüllen,
dann wünschen wir einfach mit Willen
die Wünsche-Erfüllung fort!"
Sie befolgten den Rat und von Stund an war
wieder spannend das Leben und heiter.
Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr
und vielleicht gar ein wenig gescheiter.
(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)
#2
Geschrieben 08 Mai 2004 - 15:41
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)
#3
Geschrieben 08 Mai 2004 - 23:13
#4
Geschrieben 10 Mai 2004 - 08:53
#5
Geschrieben 10 Mai 2004 - 16:20
Bearbeitet von Impala, 10 Mai 2004 - 16:21.
#6
Geschrieben 10 Mai 2004 - 17:26
Meine Rezi ist aber eher aus Sicht der Siebziger, als ich ihn auch zum ersten Mal sah. Ergo, ich fand ihn schon damals beeindruckend - heute eher etwas weniger. Die 70er-nostalgischen Momente bringen allerdings schon das ein oder andere Lächeln.Im Nachhinein wirkt er besser, da das 70s Flair jetzt anders goutiert wird.
    :
Logan's Run war nie so sehr mein Ding, aber ich müsste ihn mir auch heutzutage nochmal ansehen. RB wirkte jedenfalls wesentlich erwachsener: Bei LR ist glasklar warum der Held in Not ist; bei RB muss man erst dahinter kommen warum er (auf zivilisierte oder unzivilisierte Weise) abtreten soll. Allerdings ist RB ein ziemlicher Macho-Wohlfühl-Film, geb ich zu.
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 10 Mai 2004 - 17:38.
/KB
Yay! Fantasy-Reimerei Mitte August...
[..] Verzweiflung beschlich sie im Stillen.
Da ergriff eins der kleinsten das Wort:
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dann wünschen wir einfach mit Willen
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Sie befolgten den Rat und von Stund an war
wieder spannend das Leben und heiter.
Die Kinder war'n froh wie vor Tag und Jahr
und vielleicht gar ein wenig gescheiter.
(BewohnerInnen der Stadt der Kinder, aus der "Geschichte vom Wunsch aller Wünsche", aus Die Zauberschule & andere Geschichten, Neuauflage im Thienemann-Verlag, S. 93, von Ende)
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