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Troja


13 Antworten in diesem Thema

#1 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 13 Mai 2004 - 21:12

Troja (2004; Regie: Petersen, Drehbuch: Benioff)

(Man soll eine Rezension nicht mit persönlichem Kram anfangen, aber ich kann nicht anders. Ich bin in diesen Film geRANNT - eine meiner Lieblingsgeschichten seit ich lesen kann endlich bildgerecht umgesetzt; also mit viel zu hohen Erwartungen. Und jetzt weiß ich nicht richtig was ich schreiben soll. Anders umschrieben ist diese Rezi wie 'ne Mittelmeer-Festung: Alles - ich wollte so gern da hinein - Wissen darüber verhindert jeden Zugang.)

Muss die Handlung hier wiederholt werden? Ich halte mich an Homer/Virgil: Paris, einer der Königssohne des Stadtstaates Troja, wie er vor über 3000 Jahren existierte, entführt Helena, Gattin des Bruders des mykenischen (sprich griechischen) Großkönigs Agamemnon. Letzterer ruft alle seine Verbündeten zu einem Rachfeldzug gegen Troja auf - eine Übermacht setzt in 1000 Schiffen über und belagert die Stadt, die wegen ihrer gewaltigen Mauern als uneinnehmbar gilt. Trotz vieler Kämpfe (u.a. einem Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Stärksten der Trojaner, Hektor, und dem Besten der Belagerer, Achilles) bleibt die Belagerung erfolglos. Mit einer List des Odysseus, dem berüchtigten trojanischen Pferd, brechen die Rächer letztendlich doch in die Stadt ein, und machen sie dem Erdboden gleich. Kaum einer der Hauptcharaktere überlebt diesen Krieg, zumindest nicht auf Dauer.

Kritik
Kurzmöglichst: Die Bilder sind erste Sahne; die tausend Schiffe und (besonders detailliert) Troja zu sehen! Das Casting ist großartig, und alle SchauspielerInnen verdienen großes Lob (am meisten: Brian Cox als Agamemnon). Großartige Bauten (z.B. das Pferd!) und Kostümierung (die Myrmidonen, Achilles' Elitetruppen: schwarz-glänzende Ameisen!). Auch die Kameraführung ist Klasse. Sogar die Dialoge und die Charakterzeichnung des Drehbuchs stimmen: Achilles ist glaubhaft selbst-verdammend, und diese Helena ist die sympathischste Inkarnation der Rolle, die ich je mitbekommen habe (eine junge Frau, die trotz ihrer großen Schönheit weise ist). Und Krieg wird als das gezeigt, was es ist - wenig glorreich, ein grinsender Tanz des Todes.

Aber die Herren dieser cinematografischen Schöpfung hatten es nicht nötig sich an den alten Plot zu halten. Die Storyline wirkt wie eine Achterbahn die oben auf einer endlosen Parabel beginnt - es geht aus den hellen Höhen der anderen Filmelemente immer schneller nach unten. Mit Unendliche Geschichte hat Petersen so eine Schlingerfahrt auf dem Buchrücken m.E. noch gut hingekriegt (Ok, ich mag das Original nicht besonders) aber hier hat er am Ende alles zu sehr dem "modernen" Publikum hingebogen. Oder war es der böse Texter? (Achtung: Link führt zu einem offenen Brief von mir an ihn mit Spoilern!)

Da alles Andere stimmte, habe ich versucht mir vorzustellen, wie der Film auf mich wirken würde, wenn ich diese Geschichte ungelesen zum ersten Mal so sehen würde - aber ich kann es nicht gut. Tu das bitte jemand Anderes an dieser Stelle, sorry.

(Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, erstmal keine Umsetzungen von heißgeliebten Büchern im Film mehr anzusehen! Ich mag beides sehr - Lesen und Filmesehen - aber Regisseure meinen irgendwie immer sie müssten besonders bei einer guten Vorlage viel Originalität beweisen. Letzte persönliche Bitte: Kids, nehmt diese Geschichte nicht zu sehr nach Hause - lest Homer, Virgil, Hölderlin oder großartige moderne Interpretationen wie Zimmer Bradley's Feuer von Troja oder McCullough's Lied von Troja! Und baut Trojaner in eure all zu stolze Umwelt, inkl. z.B. introvertierte Nicht-Rezis, ein!)

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 14 Mai 2004 - 07:24.

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Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.

(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#2 rockmysoul67

rockmysoul67

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Geschrieben 14 Mai 2004 - 00:06

Ich komme gerade aus dem Kino und bin ähnlich frustriert wie du - allerdings über einen anderen Film. The Runaway Jury. Ich liebte das Buch (von John Grisham): viel Handlung, sehr viel Plot und eine Frau, die im Hintergrund die Faden zieht. Alle Aktionen waren verständlich und leicht zu folgen, verpackt in klare Ereignisse, Handlungen (der Personen) und Dialogen. Deswegen dachte ich mir damals beim Lesen, dass diese Geschichte besonders einfach zu verfilmen wäre.

Aber nein, sie mussten eine andere Geschichte drausbasteln. Nach meiner Zählung wurden von den vielen Plotwendungen nur drei leicht angerissen. Wenn man das Buch nicht kennt, ist der Film zwar ansehbar, aber man vergisst ihn auch wieder schnell. WESHALB MACHEN DIE SO ETWAS, wenn die schon eine perfekte Vorlage haben?

Zum Beweis gebe ich mal schnell ein kleines Beispiel:

Im Buch gibt es einen Einbruch; es wird etwas gestohlen. Der Einbruch an sich gelingt.

Im Film gibt es zwei Einbrüche (bei der gleichen Person, das Gleiche sollte geklaut werden). Beim ersten Einbruch gibt es eine Schlägerei, bei dem zweiten wird die Bude abgefackelt.
Diese Einbrüche sind IMHO nur im Film, damit ein bisschen Gewalt und Aktion vorkommt.

Über Troja weiss ich absolut nichts, ausser dann die Basisgeschichte vom Pferd. Nachdem ich den Film mal gesehen habe, könnte ich hier mitteilen, ob die Geschichte - so ohne Hintergrundwissen - für mich Sinn machte.

#3 Sullivan

Sullivan

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Geschrieben 14 Mai 2004 - 07:24

Hallo yippee,du hast ja einen netten Brief geschrieben, besonders der letzte Absatz gefällt mir. Heinrich von Schliemann, der Entdecker von Troja, ist in der Nähe meiner Heimatstadt aufgewachsen und deswegen fühle ich mich noch etwas mehr mit ihm verbunden. :rolleyes: In einem Interview fand es Petersen völlig okay, dass die Geschichte etwas ausgeschmückt und anders dargestellt wird. Damit würde er das Vorurteil bestätigen, dass der typische amerikanische Kinogänger die ILIAS von Homer sowieso nicht kennt.Sullivan

#4 Impala

Impala

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Geschrieben 14 Mai 2004 - 20:15

Menwatch
(by Helene)

Agamemnon
Scaaary!

Menelaus
Den hamse richtig alt (könnte Lenchens Vater sein) und nebensächlich gemacht.

Odysseus
Hmh jaaa lecker, aber wie immer irgendwie auch schwächelnd, ich bezweifle, dass er eine Fortsetzung alleine tragen könnte.

Ajax
Tritt schnell ab.

Achilles
My oh my, dieser Achilles, also der hat schon eine beeindruckende Stärke und Eleganz oh my, sieht gut aus und ist gleichzeitig ein toller Schauspieler. Beste Szenen: beim Tempel und „die Götter sind neidisch auf uns!!“

Priam
Würdevoll königlich.

Paris
Schlägt sich wider Erwarten ganz wacker. Immer schön anzusehen, aber na ja, besser ist eben doch ein echter Mann , wie

HEKTOR!!
Oh Göttin, man oh man, jaaaaaaa. Nach Black Hawk Down und Hulk kommt Hektor jetzt auf meine A-List. Lieber 10 Jahre mit Hektor als mit sonst irgendeinem der Burschen. Kein Zweifel.
Julius Gaius Baltar!

#5 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 14 Mai 2004 - 22:49

        :
In einem Interview fand es Petersen völlig okay, dass die Geschichte etwas ausgeschmückt und anders dargestellt wird. Damit würde er das Vorurteil bestätigen, dass der typische amerikanische Kinogänger die ILIAS von Homer sowieso nicht kennt.

(Hi Sullivan, 24 Stunden später habe ich zumindest ein wenig von meinem "sense of h." wieder, hoffe ich... :P)

Wenn Petersen den Satz mit "würde" wirklich so gemeint hat wie er klingt, war das m.E. unter seiner Würde. Ich fand die meisten seiner Filme bisher ziemlich annehmbar, und gerade nicht so typisch geschmacklich abgestimmt für den amerikanischen Markt wie die mancher anderer Gastregisseure dort. Allerdings habe ich schon seit der berühmten Tatort-Folge in der die Kinski von ihm "entdeckt" wurde, das Gefühl er liebt es bestimmte Stimmungszyklen in seine Filme einzubauen, die ihm letztendlich wichtiger sind als die Story.

Na ja, ist ja auch nur meine persönliche Enttäuschung mit Troja. Mehr als die Hälfte der Rezis, die ich (nach meinen Versuchen) las, waren eher lobend, obwohl sie sich auch darüber ausließen dass dies wohl nicht der große Sommer-Blockbuster werden könne - ich nehme an, bei einem Film der über $170 Mio. gekostet hat, muss man das so sehen, und weniger woher die Geschichte kam...

Schliemann wurde doch in Mecklenburg geboren, oder?

@rms67: Zu deiner Frage WESHALB MACHEN DIE SO ETWAS... Ich denke das ist die Macht der Marktrecherche in der Zeit der absoluten "Demokratie" (obwohl man von manchen Besprechungen den Eindruck hat, Benioff kam mit einem fertigen Skript bei den Studios an?). Ein Skript wird von den Geldgebern marktgerecht zurechtgestutzt, zur Not mit vielen Schreibern und Umschreibern, und dann mischt sich auch nochmal der Regisseur stark ein. Es wird am Drehbuch getipp-ext und gefeilt bis zur Unkenntlichkeit. Und alle haben Angst vorm König Kunden (geldlich) zu versagen, und damit ihre Zukunft zu verbauen. Ich plädiere also für "lower budget"-Filme und wieder Autoren/Regisseuren mit mehr Rückgrat bezugs ihrer eigenen künstlerischen Vision, unabhängig von dem wahrscheinlichen Erfolg, auch gerne im sogenannten Mainstream. (Kubrick erscheint mir z.B. so einer gewesen zu sein.) Und vielleicht findet sich ja in Zukunft dann auch mal einer, der sich dann selber nicht so furchtbar ernst nimmt ggü. einem bekannteren Stoff. (M.E. gelungenes Beispiel vor kurzem: Sam Raimi's Spiderman.)

Auf dein unvoreingenommeneres Resumé wär ich jedenfalls gespannt.

@Impala: Hm, ja, das hatte ich als Plus vergessen zu erwähnen - endlich mal ein Film mit fast nur nackten Männern (zumindest den jungen Gut-Trainierten - die anderen behielten immer ihre Rüstung an). :D Ob hier endlich mal gezielt 2 andere Zielgruppen von einem Action-Film anvisiert werden? (Und die traditionelle Action-Zielgruppe merkt es nicht?) :huh:

(Dass der große Ajax zu kurz kam, fällt leidigerweise wieder in meine Klageniche; seine ganze Vorgeschichte mit Achill, seine diversen Kämpfe gegen Trojaner, sein trauriges Ende - im Film eine o-so-ehrenhafte Szene von unter einer Minute.)

Sean Bean als Odysseus fand ich übrigens sehr gut. Er hätte m.E. wesentlich mehr "screen time" verdient, und könnte (sag's nicht!!) mit dem richtigen Skript (patsch! aua!) mit Sicherheit ein "Odyssee"-Sequel stemmen. Vielleicht mit noch einem Touch mehr Verschmitztheit? Die Rache-Szene am Ende der Odyssee, in der der rückschlag-gegerbte Totgeglaubte alle Freier hinmetzelt, würde Bean eh locker hinkriegen. (Aber das hat ja auch Kirk Douglas schon mal ganz gut vorgemacht, wenn ich mich recht erinnere...)

P.S.: Habe gerade gesehen dass es einen mir unbekannten Film aus den Fünfzigern über Troja gibt, im Original Helen of Troy - wie ist der denn so? Kennt den jemand?

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 14 Mai 2004 - 23:42.

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Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?

Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.

Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.

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(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)


#6 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 15 Mai 2004 - 16:20

So sehr ich Dir im Prinzip zustimme, yiyippeeyippeeyay, denke ich doch, daß Du in diesem Fall Haare spaltest, aus denen bereits gute Wolle gesponnen wurde.

Ich halte die Änderungen, die an Homers "Ilias" - die ich mindestens genauso schätze wie Du - vorgenommen wurden für absolut notwendig, was eine Verfilmung angeht. Genau genommen sind es gar keine Änderungen, denn der Film heißt nicht umsonst "Troja" statt "Ilias". Sicher lieferte Homers Epos einen Großteil des Stoffes, aber dies verpflichtet nicht, seiner Plotstruktur zu folgen.

Um genau zu sein, sind sowohl die "Ilias" als auch die "Odyssee" sowohl als Historien- als auch als Fantasy-Stoffe praktisch unverfilmbar, würde man Homers Konzeption folgen. Denn diese ist ein Sittengemälde im Gewand einer Abenteuergeschichte, und man darf davon ausgehen, daß das Gewand schon bei Homers Zeitgenossen mehr Beachtung erfuhr als seine eingewobenen Betrachtungen über die Pflichten des griechischen Edelmannes, dem Verhältnis des Menschen zu den Göttern und der Funktionsweise archaischer Gesellschaften im Vergleich zur Gesellschaft der griechischen poleis, wie Homer sie leben durfte.

Die Figuren in Homers Epos erfüllen die Aufgabe, die Träger dieser Problemstellungen zu sein. Was könnte eine größere Respektsbekundung sein, als die Figuren in einem Film zu Trägern von Problemstellungen zu machen, wie sie heute von Interesse sind? Liegt nicht die Zeitlosigkeit der Geschichte gerade darin, daß der untadelige und doch inflexible Hektor, der listige und manchmal hinterlistige Odysseus, der kampfesmutige und dabei so volatile Achill, der Ordnung stiftende und dabei skrupellose Agamemnon als Spiegelbilder heutiger Heldenvorstellungen und -erwartungen fungieren?

Die "Ilias" ist eine Geschichte mit zeitlichen Variablen, die zu keiner Zeit gleich erzählt werden kann. Sicher kann man ihre Erzählweise zu bestimmten Zeiten rekapitulieren, aber das ist Aufgabe der Historiker und Philologen, nicht die der Geschichtenerzähler. "Troja" erzählt die Geschichte so, wie man sie heute erzählen kann und womöglich sogar muß - mit einer erfreulichen Umschiffung typischer Klischees, wie sie die Erzählweise des Mediums Film häufig mit sich bringt.

Du, yiyippeeyippeeyay, wolltest eine Verfilmung sehen. Deine enttäuschten Erwartungen sind meines Erachtens ganz allein auf einen Fehler Deinerseits zurückzuführen, denn niemand hat behauptet, daß "Troja" eine Literaturverfilmung wäre. Man kann den Film noch nicht einmal in den Kategorien einer guten oder schlechten Literaturverfilmung betrachten, weil er einfach keine ist. Der Stoff ist älter als Homers Behandlung, die möglichen geschichtlichen Wahrheiten nüchterner. Der Film rangiert zwischen Geschichte und dem Mythos, wie es Homer in epischer Breite niederschrieb und um etliche Elemente bereicherte und es Generation von Rezipienten verschiedenster Kulturkreise nach Homer weiter überformt und an ihr Verständnis angepaßt haben. Drehbuchautor, Regisseur und Ausstatter haben Beachtliches geleistet und für ihre Zeit, ihr Medium und ihre Zielsetzung ein ähnlich gelungenes Ergebnis geliefert wie einst Homer selbst.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#7 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 15 Mai 2004 - 18:29

Du, yiyippeeyippeeyay, wolltest eine Verfilmung sehen. Deine enttäuschten Erwartungen sind meines Erachtens ganz allein auf einen Fehler Deinerseits zurückzuführen, denn niemand hat behauptet, daß "Troja" eine Literaturverfilmung wäre. Man kann den Film noch nicht einmal in den Kategorien einer guten oder schlechten Literaturverfilmung betrachten, weil er einfach keine ist. Der Stoff ist älter als Homers Behandlung, die möglichen geschichtlichen Wahrheiten nüchterner. Der Film rangiert zwischen Geschichte und dem Mythos, wie es Homer in epischer Breite niederschrieb und um etliche Elemente bereicherte und es Generation von Rezipienten verschiedenster Kulturkreise nach Homer weiter überformt und an ihr Verständnis angepaßt haben. Drehbuchautor, Regisseur und Ausstatter haben Beachtliches geleistet und für ihre Zeit, ihr Medium und ihre Zielsetzung ein ähnlich gelungenes Ergebnis geliefert wie einst Homer selbst.

Ich denke ich habe hier mehr als klar gemacht, dass es sich um eine persönliche Enttäuschung handelt. Mir geht es nicht darum was "behauptet" wurde, sondern was ich als Fan eines Klassikers erwarten durfte.

Natürlich gibt es kein "Buch" das verfilmt werden kann, und natürlich ist auch Homer's Lyrik eine Interpretation. Die klassische Geschichte, die wir heute kennen, ist ja eh eine Mischung aus Homer (Ilias und Odyssee), Vergil und Anderen; sie ist sogar eher einfach eine der heute verbleibenden Epen die als rein orale Erzählung begannen (neben z.B. der Artussage). Aber gerade diese Geschichte ist vielen heute gar nicht bekannt, und deshalb gehört sie m.E. z.Zt. möglichst unverändert vorgetragen. Mit diesem Film hätte diese inzwischen seit mindestens 300 Jahren stabile Geschichte nochmal für neue Augen und Ohren erzählt werden können.

So unhip es klingt, es geht mir auch um einen minimalen Bildungsauftrag, dem diese amerikanisierte "Romeo & Julia"-Variante m.E. nicht entspricht. Wie kann jemand auf Basis dieses Films z.B. den Ablauf eines auf den Klassiker aufbauenden Theaterstücks wie Elektra nachvollziehen?

Und ich bin durchaus von allen 3 (Autor/Regisseur/Ausstatter) die du nanntest, beeindruckt. Es hätte wenig gebraucht, und ich hätte den Film 100%ig bejubelt. Aber ich stehe dazu: Den Plot haben sie m.E. dem Geschmack des heimischen Publikums zu entsprechen einfach zu sehr verbogen (besonders am Ende: Achill im Pferd, danach als sterbender Romeo, Paris/Agamemnon/...). Dass Homer dies evtl. vor über 2,5 Millennia mit einem jahrhunderte-alten Stoff auch tat, mag sein, aber das ist inzwischen eben sehr sehr lange her. Ich bin verdammt traurig, dass die Geschichte die ich als Kind las und liebte, innerhalb nur 30 Jahren sich inzwischen wieder so sehr verändern soll.

Meine Sicht der Dinge soll aber gar nicht Thema dieses Threads sein. Erzählt doch mal (gerne im Detail) was euch am Film gefiel/missfiel?

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 16 Mai 2004 - 09:39.

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#8 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 16 Mai 2004 - 10:08

Nun gut, Achills ausgeweitete Romanze, das manchmal etwas überschwappende Pathos und die Umwandlung Agamemnons in den Filmbösewicht waren Dinge, die nicht hätten sein müssen. Allerdings "verbiegen" sie meines Erachtens die Rahmenhandlung auch nicht - das Gefühlsleben der Figuren dazulegen, war nicht unbedingt ein Kennzeichen aller antiken bis frühneuzeitlichen Autoren, die sich des Stoffs angenommen haben; erst später durften sie so etwas wie emotionale Zustände erfahren, die über eine pauschale Ansage hinausgingen. Damit einher ging nahezu immer eine moralische Kategorisierung der Figuren, was nun auch hier der Fall ist.Über einige Änderungen bin ich regelrecht froh und glücklich. Da wäre beispielsweise die Verkürzung der Kriegshandlung zu nennen: 10 Jahre sind schnell mal dahin gesagt, wenn man sie nicht darstellen und mit chronologischer Charakterentwicklung füllen muß, aber im Film wäre die Story darüber in Blenden förmlich erstickt. Auch auf diverse Kürzungen, wie zum Beispiel die Mitwirkung der Amazonen, kann man getrost verzichten - wir brauchen weder die Warnung Homers davor, was passiert, wenn eine Frau ihre zugewiesene Rolle verläßt, noch die heute übliche Anwendung des Amazonenmotivs, auf Krampf ein paar toughe Frauen (in knappen Kostümen) einzubauen. Außerdem hätte das Ganze durch Penthesilea noch eine Romanze für Achill bedeutet, die man in drei Stunden Film zumindest hätte anreißen müssen - noch mehr zerhackte Plotstringenz, noch mehr Blenden.Nicht nur als Historiker freut man sich auch über die recht entmystifizierte Darstellung, die dennoch nicht auf die ständige Präsenz des Übernatürlichen und Göttlichen verzichtet und auch die Außergewöhnlichkeit der Heroen nicht angreift. Nun ja, gerade beim letzten Punkt hätte die Rolle Odysseus' etwas tiefgreifender ausfallen dürfen, zumal er die Gestalt ist, die gerade flüchtige Kenner des Stoffs noch am ehesten mit der Gesamtgeschichte um Troja und die anschließenden Irrfahrten verbinden. Allerdings wird er als aus Verantwortung heraus opportunistischer König und kluger Ratgeber seiner Funktion, wie sie in der "Ilias" auftaucht, durchaus gerecht.Einen Bildungsauftrag sehe ich hier nicht, dafür allerdings eine hinreichende Motivation, sich intensiver mit dem Stoff zu befassen, bei jenen Leuten, bei denen Hopfen und Malz nicht ohnehin verloren sind. Wenn aufgrund dieses Films jemand zu den anderen Umsetzungen aus dem Stoffkreis findet, wurde viel mehr erreicht, als wenn man krampfhaft versucht hätte, nur eine Variante dieses Stoffkreises in bewegten Bildern umzusetzen. Die Verfilmungen solcher Stoffe in früheren Tagen des Kinos ("Iason und die Argonauten", "Kampf der Titanen" etc.) waren auch mehr oder weniger bunte Abenteuerreigen, lösten aber dennoch ein neues Interesse an diesen Themen aus. Wenn "Troja" das Selbe erreicht, gibt es keinen Grund zur Klage, würde ich meinen.
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#9 Impala

Impala

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Geschrieben 17 Mai 2004 - 21:26

Äh, also morgen ist Kinotag :lookaround: HEKTOOOOOOOOOOOOOOOOR!!!!!!!!!!!!!! ;)
Julius Gaius Baltar!

#10 Felsi

Felsi

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Geschrieben 20 Juni 2004 - 10:40

Ich habe mir gestern Troja angeschaut, ohne mich groß an die Illias zu erinnern, die wir vor Ewigkeiten mal in Latein hatten. Jedenfalls sind mir so die Veränderungen in der Handlung nicht wirkich aufgefallen.Ich muss sagen, die Schauspieler haben wirklich ganze Arbeit geleistet, die Kampfszenen waren mitreißend, auch wenn es mir teils ein wenig zu blutig vorkam, usw.Aber alles in allem fand ich den Film ziemlich deprimierend... Den bösartigen Agamemnon, ddie ewiglangen Sequenzen vom brennenden Troja und den ganzen Verzweiflungsschreien usw. und nicht zuletzt den Krieg und das ganze Gemetzel im Allgemeinen. Das erinnert einen doch glatt wieder daran, wie schlecht die Menschen doch eigentlich sind... ? :)
"Ich werde praktisch nie böse. NIE!"

#11 Impala

Impala

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Geschrieben 04 Juli 2004 - 22:08

Troy in fifteen minutes ^_^
Julius Gaius Baltar!

#12 Impala

Impala

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Geschrieben 19 Juli 2004 - 23:31

P.S.: Habe gerade gesehen dass es einen mir unbekannten Film aus den Fünfzigern über Troja gibt, im Original Helen of Troy - wie ist der denn so? Kennt den jemand?

nee, tut mir leid, habe aber mittlerweile HELEN OF TROY aus 2003 gesehen. Ist wohl ursprünglich eine TV-Produktion gewesen und nicht zu empfehlen, außer für hartnäckige Ilias-Fans. Ist schlechter als Troy mit peinlichen Aufbauten und Schauspielerei. Die Musik ist ähnlich (mir gefällts), das Skript umfassender, aber auch nicht Homer gerechter, da die Charaktere nicht gut getroffen sind. Aber: das ist die beste schauspielernde Ziege, die ich je gesehen habe und Agamemnon - tut mir leid Brian - ist wahnsinnig gut. Auch stirbt er diesmal im Bade (auf nicht unüble Weise :) ). Priam und Theseus sind auch okay.

P.S.: meine Freundin hat THE TROJAN WOMEN mit Katherine Hepburn empfohlen, aber den muss man erstmal finden...

P.P.S.: hübsches Bild von Dir, Felsi!
Julius Gaius Baltar!

#13 yiyippeeyippeeyay

yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 09 November 2004 - 22:44

Zufällig entdeckte ich beim Einstellen dieses Films in die Filmdatenbank, dass eine knappe aber gute Amazon.de-Rezension dazu von Mike Hillenbrand geschrieben wurde, einer der Macher des Online-Magazins Corona, das heuer Partner vom Board wurde. (Zu der Rezension kommt man über den "Amazon"-Link des Film-DB-Eintrags...)

Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 09 November 2004 - 22:49.

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#14 Zeitreisender

Zeitreisender

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Geschrieben 30 April 2016 - 22:50

nee, tut mir leid, habe aber mittlerweile HELEN OF TROY aus 2003 gesehen. Ist wohl ursprünglich eine TV-Produktion gewesen und nicht zu empfehlen, außer für hartnäckige Ilias-Fans. Ist schlechter als Troy mit peinlichen Aufbauten und Schauspielerei.

 

Da muss ich Dir widersprechen. Die TV-Verfilmung kommt näher an die Illias ran als es jemals eine x-te Director's Cut von Petersens Troja schaffen könnte z. B.

- Paris wird vor der Wahl gestellt - Aphrodite, Hera oder Athene (hierbei möchte ich anmerken, dass die Blondine bevorzugt wurde)

- Argamemnom opfert seine Iphigenie für ein laues Lüftchen (ob Artemis blond ist?)

- Achilleus stirbt im rechten Moment (weniger heldenhaft, aber wenigstens an der richtigen Körperstelle)

- Argamemnom wird von seiner Frau erdolcht (okay, dafür ist der Platz wieder falsch, aber er hat es trotzdem verdient)

usw.

(keine Gewähr, Petersens Troja ist schon lange her)

 

Eine 100%-Adaption des Stoffes wird dennoch ein Wunschtraum bleiben. Dafür reicht ein ganze Film nicht. Zur Helena (Frauen machen bekanntlich Ärger) selbst: Die Darstellerin aus dem TV-Film sieht tausendmal schöner aus als die Dame aus dem Petersen-Film. Für sie würde ich auch einen Krieg anzetteln. ;)


Bearbeitet von Zeitreisender, 30 April 2016 - 22:51.




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