Ich beginne meine kleine persönliche Edward-Bryant-Retrospektive mit einer Wild-Cards-Story, der ersten aus Bryants Feder, damals zusammen verfasst mit Leanne C. Harper
Edward Bryant & Leanne C. Harper - Tief unten (Down deep)
aus: George R.R. Martin (ed.): Wild Cards Volume 1 - Wild Cards (Bantam, 1986)
auf Deutsch in: George R.R. Martin (Hrsg.): Wild Cards - Asse und Joker (Heyne, 1996) und George R.R. Martin (Hrsg.): Wild Cards. Die erste Generation 01. Vier Asse (Penhaligon, 2016)
Eine Geschichte, die sicher auch ohne den Rest des Buchs gelesen werden kann, die aber, so ehrlich muss man sein, im Wild-Cards-Kontext noch gewinnt. Denn der Inhalt ist nicht sonderlich spektakulär, die Story lebt von ihren Figuren und den für Kenner der Materie damit verbundenen, durchaus nostalgischen Erinnerungen. Eingeführt werden zwei wichtige Personen, die auch in späteren Wild-Cards-Büchern noch ihre Auftritte haben: die Stadtstreicherin Bagabond (auf dem Mist von Co-Autorin Leanne C. Harper gewachsen), die telepathisch mit Tieren kommunizieren kann, und Ed Bryants Tunnel-Jack (Sewer Jack) alias Jack Robicheaux, ein Cajun, der in den U-Bahn-Tunneln New Yorks arbeitet und sich gelegentlich in einen Alligator verwandelt. Genau in diesen U-Bahn-Tunneln spielt sich auch der Kern der Geschichte ab: Rosemary Muldoon (eigentlich Rosa Maria Gambione) ist die Tochter eines Mafiapaten, der sie mit einem seiner Ganoven verheiraten will. Als Sozialarbeiterin versucht sie Gutes zu tun und trifft so auf die eher störrische Bagabond, die allerdings der Auffassung ist, ihre Hilfe nicht zu brauchen. Eigentlich sucht Rosemary ihre ehemalige Mitbewohnerin C.C. Ryder (zuvor im Buch in einer Lewis-Shiner-Story eingeführt), eine Hippie-Liedermacherin, die spurlos verschwunden ist. Ausgerechnet Rosemarys Zukünftiger, Lombardo „Lucky Lummy“ Lucchese, der wenig schmeichelhaft von ihr denkt, wird bei einem seiner kleinkriminellen Ausflüge unter die Erde Opfer eines Serienkillers, der dort schon länger zugange ist, sich aber immer nur um Zuhälter, Drogenhändler und anderes Gesindel kümmert. Dabei handelt es sich niemand Geringeren als vermeintlich verschwundene C.C. Ryder, die einen Joker gezogen und sich in einen U-Bahn-Waggon verwandelt hat.
Schöne Geschichte des Autorenduos, die definitiv Lust macht, wieder mehr aus dem Wild-Cards-Universum zu lesen. Schließlich hat†™s im vorliegenden Buch ja auch noch Storys von George R.R. Martin, dem schon erwähnten Lewis Shiner oder John J. Miller †¦ Vielleicht später mal wieder. Angesprochen sei nämlich auch ein kleiner Wermutstropfen, der sich aus der Natur der „Shared World“ ergibt: Eine echte Handschrift, ein unverwechselbares Merkmal des Autors Ed Bryant ist in der vorliegenden Geschichte nicht unbedingt zu erkennen. Deshalb: So sehr es sicher Spaß machen würde, gleich die nächste seiner Wild-Cards-Geschichten zu lesen, ist es wohl sinnvoller, erst einmal eines der eigenständigen Werke des Autors vorzuziehen.