Falls es schon ein Thema dazu gibt, bitte zusammenführen - ich habe keines gefunden.
_____________________________________________________________________
Klappentext:
[font="Verdana, Helvetica, sans-serif;"]Peking, in der Zukunft: Um den knapp bemessenen Raum möglichst effizient zu nutzen, wurde die Stadt in drei Sektoren unterteilt, die sich mittels einer raffinierten Konstruktion platzsparend drehen, in der Erde versenken und zusammenfalten lassen. Nach einem strengen Plan wird immer nur ein Sektor entfaltet, damit die Menschen darin ihren Tätigkeiten nachgehen können. Ein Kontakt über die Sektorengrenzen hinweg ist untersagt. Lao Dao, Arbeiter in einer Müllentsorgungsanlage im Dritten Sektor, übernimmt einen abenteuerlichen Botengang in die abgeschirmte Erste Zone - und entdeckt ein düsteres Geheimnis hinter den faltbaren Mauern dieser schönen neuen Welt.[/font]
_____________________________________________________________________
Meine Meinung:
Nachdem ich mit Liu Cixin manchmal so meine Probleme im Detail habe, wollte ich mich an die zweite Hugo-gekrönte Story aus dem Reich der Mitte der wagen. Diese sehr kurze Erzählung - neuerdings als "Novelette" kategorisiert, soll mir recht sein - verspricht zumindest ein spannendes Setting. Eine faltbare 80 Millionen Stadt, eine Art Kastensystem, ein Reisender zwischen den Welten.
Tatsächlich ist es eher ein Aufstieg in den Himmel, wenn auch nur ein zeitlich beschränkter. Die Unterschiede zwischen den drei Sektoren werden trotz der Kürze (unter 80 Seiten) eindrucksvoll visualisiert, ebenso das Falten der Stadt und das Einlagern der Bewohner. Und auch die Geschichte rund um Lao Dao, der zu einem Liebesboten zwischen den Welten wird, ist bis auf das doch eher flach und unspektakulär aufgelöste Ende angenehm zu lesen, eine durchaus runde Sache.
Aber eines ist die Geschichte ganz sicher nicht, auch wenn so manche (vor allem englischsprachige) Laudatio und Rezension es uns weismachen will: Gesellschafts-, system- oder gar regimekritisch. Im Gegenteil.
Die Dystopie ist nur in unseren Augen eine solche, die Protagonisten sehen sie ganz anders. Selbst Lao aus der untersten Ebene spürt keinen Neid und keinen Zorn angesichts der eklatanten Ungerechtigkeit, was ausdrücklich betont wird. Stattdessen kommt immer wieder die Grundaussage "Man muss ertragen, was man nicht ändern kann" ganz offen, und auch eine Portion "Unsere Herren wissen schon, was sie zu unser aller Besten tun, auch wenn es manchmal grausam erscheint" zwischen den Zeilen.
Mich erinnert diese unterschiedliche Beurteilung stark an den Film "Hero" von 2002, der teilweise (wenn auch viel seltener) als Widerstands - und Rebellengeschichte rezipiert wurde, aber im Endeffekt die Notwendigkeit der Unterwerfung unter eine totalitäre Herrschaft lobpreist. Wenn der namensgebende Held am Schluss erkennt, dass die Vereinigung "aller unter einem Himmel" zum Wohle aller wichtiger ist als das leiden Einzelner auf dem Weg dorthin, und sein eigenes Leben dafür gibt (auch wenn es der König nur sehr widerwillig nimmt), dann ist das aus Peking Sicht systemkonformes, systempositives Storytelling.
"Peking falten" ist von solchen Extremen weit entfernt, und die Autorin weist jegliche subversive Intention weit zurück, indem sie Rebellion je nach Übersetzung und Zitat als "klischeehaft" oder gar "lächerlich" bezeichnet. Das mag Selbstschutz sein, ich glaube es nicht. Es sind eher westliche Kommentatoren, die dem Werk etwas zuschreiben wollen, das es nicht ist.
Zurück bleibt eine sehr kurze, in Teilen sympathische Geschichte, die Jingfangs Erzähltalent gut anteasert, ohne ein besonders herausragendes Meisterwerk zu sein.
Der Hugo Award dafür, beziehungsweise die Begründung, erschließt sich mir nicht.