Damit einige Mitglieder, die den Roman nicht kennen, einen kleinen Einblick ins Geschehen bekommen, stelle ich mal eine Vorab-Rezension zu diesem Buch ins Forum.
Erstmalig las ich das Buch 1987 und zu dieser Zeit animierte mich dieser Band zum Kauf von drei weiteren aus dem Gallatin Universum.
Eine Fehlentscheidung, wie sich im nachhinein herausstellte.
Nur der erste Band hat die Art von Klasse, die ein Buch unvergesslich macht.
Rezension zu Der Durchbruch von L. Neil Smith
Was wäre...
... wenn auf der Erde die amerikanische Geschichte ab dem 18. Jahrhundert eine andere Richtung eingeschlagen hätte ?
George Washinghton wurde von einem Mann namens Gallatin erschossen, weil er Zölle und Steuern einführen wollte. Gallatin selbst wird zum Präsidenten und weil er nichts von Steuern und Abgaben hält, entsteht auch mangels Einkünften kein Regierungsapparat. Die Vereinigte Staaten sind nie gegründet worden; eine Konförderation freier Staaten bildet einen lockeren Bund.
Was wäre...
... wenn es diese Welt wirklich geben würde ?
Nicht in unserem Universum... aber vielleicht sehr nah daneben !
Win Bear, Lieutenant bei der Polizei in Denver, ermittelt im Mordfall eines Physikers. Dieser war Angehöriger einer Gruppe von Anarchokapitalisten, einer Vereinigung, die gegen jegliche Art von Steuern und Abgaben eintritt.
In der Tasche des Opfers findet Bear eine goldene Münze; anscheinend ein Zahlungsmittel, aber mit einer Prägung, die mehr Fragen als Antworten aufwirft.
Bei seinen Recherchen, die ihn zu einem Universitätscampus ausserhalb Denvers führen, gerät er in einem Labor in eine Schiesserei... und in Mitten von sehr seltsamen Apparaten wird er von einer Druckwelle erfasst und weggeschleudert.
Bear kommt in einer Welt wieder zu sich, die für ihn bizarr und fremd ist. Er muss feststellen, dass nicht nur Denver von den Landkarten verschwunden ist, sondern das Städte wie New York oder Washington zu unbedeutenden Dörfern geschrumpft sind.
Als er dann auch noch die Entdeckung macht, das ganz in der Nähe ein gewisser Edward Bear eine Detektei betreibt, glaubt er sich in die Zukunft versetzt. Der Versuch einer Kontaktaufnahme kostet ihn kurz darauf fast das Leben ...
Neil Smith erzählt die Geschichte des Lieutnant Win Bear im Stil eines Kriminalromans. Beginnend mit Elementen der klassischen Detektivgeschichte, entsteht mit dem „Durchbruch“ in die Parallelwelt ein faszinierendes SF-Abenteuer, dass den Leser in eine Geschichte entführt, die neben einer bizarren Anarchodemokratie auch so manch satirische Elemente und eine gehörige Portion Situationskomik beinhaltet.
Smith´s Schreibstil ist, wenn man das Erscheinungsjahr 1980 als Maßstab nimmt, überaus flott und frech. Auch wenn gerade die SF-Literatur in den letzten 25 Jahre durch dutzend stilistische Feinheiten bereichert wurde, so liesst sich dieser Roman auch heute noch sehr flüssig und gefällig.
Die Geschichte hat kaum Längen und für "Zeilenschinderei" ist bei einem Umfang von knapp 300 Seiten sowieso kein Platz. Das Ende ist für einen Band aus einer sechsteiligen Serie relativ gut und beinhaltet keinen Cliffhanger.
Maßvolle Kritik erhält allenfalls die Struktur seiner fiktiven Welt. Eine gewisse Simplizität fällt dem aufmerksamen Leser ins Auge, das anarchistische System ist zu redundant. Einige Fragen, die während des Lesens aufkommen, lässt Smith unbeantwortet. Hier wird der Unterschied zur SF-Literatur der letzten Jahre überdeutlich.
Heutzutage wäre dieser Roman wahrscheinlich doppelt so dick und mit logischen Erklärungen zum vorgestellten Gesellschaftsmodell vollgestopft.
Berücksichtigt man das Erscheinungsjahr des Romanes - Science Fiction wurde zu dieser Zeit stärker als Unterhaltungliteratur betrachtet - reduziert sich dieser Kritikpunkt auf eine Formalie... und die verschwindet zu Gunsten der guten Unterhaltung im statischen Rauschen der Story.
Ist dieser Roman nun eine bissige Antwort auf unsere überregulierte Welt ? Denkbar, aber eher unwahrscheinlich.... er ist mehr ein Trip in eine Gesellschaftsform, die so dargestellt, allenfalls als weit enferntes Denkmodell für eine "erwachsene" Menschheit adaptierbar wäre.
Der Durchbruch ist der erste Roman aus dem Gallatin Universum, einer Serie, die sich auf sechs Bände verteilt. Aus meinen Erinnerungen heraus, ist der zweite Band noch ganz gut, während der Rest der Serie sich bald in Belanglosigkeiten verliert. Trotzdem ist zumindest dieser erste Band eine kleine Perle im Bereich SF und deshalb ganz sicher eine Empfehlung wert.
Jürgen Olejok / 2004
Bearbeitet von Jürgen, 03 Juni 2004 - 21:04.