Es ist erschreckend, wenn auch nicht verwunderlich, dass einige Firmen bzw. ihre Personalchefs derartige Software verwenden.
Mal davon abgesehen, dass es schäbig und gefährlich ist, wenn Psychogramme von Personen angefertigt werden (falls das Ganze funktionieren würde), digital gespeichert und mit umfangreichen persönlichen Daten (Lebenslauf etc.) versehen werden. Insbesondere dann, wenn die Psychogramme falsche Informationen beinhalten. Bedenkt man, dass Daten eine Ware sind und sich sowohl ein Teil der Konzerne und der Nachrichtendienste nicht um Datenschutz scheren, sind wir dem Orwellschen Überwachungsstaat einen Schritt weiter.
Was passiert, wenn einer Person fälschlicherweise eine negative Eigenschaft zugeordnet wird. Bekommt sie dann bei großen Konzernen keinen Job mehr? Erhält sie keine Greencard oder muss länger auf ein Visum warten?
Zur vermeintlichen Verlässlichkeit des Programms (Meine Einschätzung):
Wie der Artikel auch schon selbst am Beispiel zeigt, lässt sich unser Sprachbild willentlich deutlich verändern und müsste so zu anderen Testergebnissen ( = Personeneigenschaften des Bewerbers) kommen. Bedenkt man, wie komplex tatsächliche psychologische Tests sind, wird klar, dass die Software wohl kaum auch nur annähernd das zu leisten vermag, was ihr im Artikel mitunter zugesprochen wird.
Der Einsatz der Software hat sicherlich mit Psychologie zu tun, aber anders, als der Autor es thematisiert. Menschen neigen dazu, bestimmten Informationen eher und zum Teil auch weitestgehend vorbehaltlos zu glauben. Hier einige Aspekte, die bei der Software eine Rolle spielen könnten:
- Ein Computerprogramm gibt Informationen raus (Computer irren sich nicht)
- Das Programm wird von einer Psychologin begleitet (allen Psychologen kann man vertrauen)
- Die Merkmalsausprägungen werden mit einem Zahlenwert ausgedrückt (Zahlen kann man gut vergleichen, Menschen arbeiten gerne mit Zahlen, sie geben einem Sicherheit [hier besonders, da es um das schwierige Feld der Personalauswahl geht])
- evtl. noch Dinge wie der Barnum-Effekt, was die Reaktion des Autors auf das Programm erklären würde
- das in der Wirtschaft beliebte Outsourcen von Verantwortung: Nun kann der Personaler sagen, ich war nicht Schuld. Das Programm war fehlerhaft
- viele Einstellungsverfahren sind absolut schwachsinnig, obwohl sie zum Teil mit sinnvollen Instrumenten (Einstellungstests, Gesprächen) arbeiten. Das liegt unter anderem daran, dass zum Teil unpassende Tests verwendet werden und man der Wahrheit nicht ins Auge sehen möchte: Wie gut eine Person bei einer bestimmten Tätigkeit ist, lässt sich idR. nur mit großer Zuverlässigkeit feststellen, wenn man diese Person bei dieser Tätigkeit beobachtet.
Vor dem Hintergrund der vermutlich auch selbst wahrgenommenen ungenügenden Einstellungsverfahren kommt ein digitaler Strohhalm, der vor dem realen Ertrinken rettet, sicher recht.