In einem Ratgeber zum kreativen Schreiben habe ich gelesen, dass die Entwicklung der Handlung eine herausragende Rolle beim Schreiben einnehmen sollte und der Autor die Handlung eher zügig als langsam vorangetrieben werden sollte. In vielen Büchern, die ich gelesen habe, nimmt die Handlung/Haupthandlung tatsächlich viel Raum ein. Beschreibungen der Umgebung, Gedanken der Figuren und Geschehnisse, die mit der Haupthandlung nichts zu tun haben, nehmen meist eher wenig Raum ein.
In diesem Thread möchte ich mehr darüber erfahren, unter welchen Umständen ein Zurücktreten der Handlung die Qualität/den Lesegenuss der Geschichte fördert anstatt ihm abträglich zu sein.
Hier zwei Beispiele (allerdings aus dem Breich Fantasy):
Ben Aaronovitch: Der Galfen von Tyburn (Teil 6 der Reihe)
Als londoner Polizist für Übersinnliches wird Peter Grant mit allerlei mysteriösen und kuriosen Verbrechen und Problemen konfrontiert.
Die Geschichte ist aus der ich-Perspektive des Protagonisten geschrieben.
Es fließen ungewöhnlich viele Gedanken über Dinge, die mit der Haupthandlung nichts oder nur am Rande zu tun haben, in die Erzählung ein: In einer oft lockeren Sprache und auf humorvolle Weise nehmen Anekdoten, historische Hintergründe und Beschreibungen sehr viel Raum ein. Anstatt zu stören, trägt dies zum Lesegenuss bei.
Das liegt möglicherweise daran, dass die Anekdoten etc. u.a. aufgrund der Erzählperspektive als Gedanken des Protagonisten erscheinen und die Anekdoten durchaus unterhaltsam sind.
Patrick Rothfuss: Die Königsmörderchronik
In einer mittelalterlich anmutenden Fantasywelt wird die Geschichte des angehenden Magiers Kvothe erzählt.
Die Haupthandlung tritt extrem stark in den Hintergrund. Stattdessen wird auf interessante Weise die Entwicklung des Protagonisten geschildert. Viele kleinere Abenteuer werden beschrieben, während die Haupthandlung für lange Zeit ruht. Die Abenteuer sind meist abgeschlossene, interessante Geschichten und Anekdoten.
Ich kenne keine Geschichte, in der die Haupthandlung derart lange ruht bzw. in den Hintergrund rückt. Dennoch handelt es sich um eines der besten Bücher, dass ich jeh gelesen habe.
Möglicherweise braucht es gar nicht eine einzelne, ununterbrochene Handlung, um den Leser zu unterhalten. Stattdessen können scheinbar auch viele, kleine Geschichten unterhaltsam sein.