Bin jetzt zu zwei Dritteln durch.
Zum Äußeren: Hardcover, etwas größer als Din A 5, Lesebändchen, Glanzpapier, was das Buch ziemlich schwer macht. Wenn meine gute alte Küchenwage recht hat, 728 Gramm, was für gut 290 Seiten ziemlich viel ist (als Vergleich: der Kindle Oasis wiegt 188g, die Heyne-Neuübersetzung des Wüstenplaneten bei knapp 800 Seiten 677g)
Zu jeder Story gibt es eine von Uli Bendick erstellte Farbgrafik, die auf dem Glanzpapier gut zur Geltung kommen. Ich weiß ja nicht, wie die Verträge aussehen, aber es wundert mich immer wieder, das für Bücher mit Illustrationen nicht auf der eigenen HP mit eben diesen Illustrationen geworben wird. Ich würd' meine Leseproben ja damit spicken. Das Layout ist von benSwerk und gefällt mir gut - abgesehen von den olivgrünen Kapiteltrennern. Olivgrün ist so gar nicht meine Farbe. Das umlaufende Titelbild - zum Künstler finde ich im Impressum keine Angabe, also vermutlich ebenfalls Uli Bendick?) empfinde ich leider als verwaschen und unscharf.
Der größere Teil der Geschichten, dreizeihn, um genau zu sein, sind kurze Texte (1231 Worte bis 2625 Worte). Nur einer erreicht das, was im englischen als Novelette gilt (mehr als 7.500 Worte), die nächstlängeren drei sind im 6000er-Bereich, der Rest dazwischen.
Inhaltlich sind die 23 Geschichten in vier Kapitel unterteilt. Apokalypse Now - Die Katastrophe hat stattgefunden; Crisis? What Crisis - Noch einmal davongekommen. Wie wir der Welt ein Schnippchen geschlagen haben; Heiße Zeiten - Der Klimawandel hat auch seine schönen Seiten; Mad World - War da was?
Ausgerechnet die Einstiegsstory der Antho (von Kai Focke) empfinde ich bislang als eine der schwächsten. Zum einen missfällt mir die Unsitte, Storys in deutschsprachigen Magazinen/Anthos mit einem englischen Titel zu versehen. Auch wenn's Songtitel sind. Zum anderen finde ich die Story für eine Kurzgeschichte zu weitschweifig erzählt. Ähnlich wie bei dem Witz mit dem Bildhauer sollte ein Autor für meinen Geschmack bei einer Kurzgeschichte (bei Erzählungen sieht das anders aus) alle überflüssigen Worte wegkürzen, bis nur noch der Kern übrig bleibt. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass die Story eine Kürzung um ein Drittel gut hätte vertragen können. Ein Beispiel aus dieser Geschichte: "... während sein Assistent jedem eine Tasse Kaffee aus der bereitstehenden Kanne einschenkte". Abgesehen davon, das es im Rahmen der Geschichte für mich nicht wichtig ist, zu wissen, welche Getränke bei einer Konferenz ausgeteilt werden, muss ich erst recht nicht wissen, dass eine Kanne bereit steht. Ein "während sein Assistent Kaffee ausschenkte." hätte es für mich völlig getan. Solche Stellen finde ich in dieser Geschichte viel zu oft. Und abgesehen davon öfter "so spricht doch kein Mensch"-Momente von mir als gekünstelt oder geschraubt empfundener Sprache.
Zum Glück folgt dann schon die für mich bis hier hin anrührendste Geschichte (Christian Endres), die mich an Edgar Pangborn erinnert hat (und auch hier https://www.tor-onli...ristian-endres/ online gelesen werden kann). Und Erik Simon praktisch mit einem Gegenentwurf zur ersten Story, was kurz und knackig angeht. So geht Kurzgeschichte.
Dass sich die Anthologisten an Greta Thunberg abarbeiten, war wohl unvermeidlich. Der Name fällt mal als mythische Prophetin des Untergangs, mal als Namensgeberin eines Raumschiffs und auch sonst für meinen Geschmack zu oft. Ich hätte gehofft, das mehr Autoren dieser all zu offensichtlichen Versuchung widerstehen, aber leider ... . Ich bin mir auch noch nicht daüber im Klaren, was ich davon halten soll, in dieser Antho eine Klimawandel-Leugner-Story zu finden, bei der diese Botschaft mit nicht weniger als drei Zitaten aus der Realwelt untermauert wird. Grundsätzlich bin ich ja durchaus dafür, verschieden Seiten zu Wort kommen zu lassen, aber diese Form hat mir nicht zugesagt.
Ich werd' jetzt erst mal nicht weiter spoilern und auf die einzelnen Geschichten eingehen, die bis hierher für meinen Geschmack einigermaßen brav, bis auf wenige Ausnahmen zu brav daher kommen. Vielleicht gibt es ja noch weitere Rückmeldungen.