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[Kurzgeschichtenlesezirkel] Aiki Mira - Utopia 27


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25 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 24 März 2022 - 08:46

Utopia 27 erschien in der Anthologie "Am Anfang war das Bild":

https://shop.hirnkos...g-war-das-bild/

 

Die Geschichte ist kostenlos auf Tor Online verfügbar:

https://www.tor-onli...e-27-aiki-mira/

 

Sie wurde für den KLP als Beste Erzählung nominiert:

http://www.kurd-lass..._Erzaehlung.htm

 

Das Bild, das als Inspiration diente, zeigt schon, wohin die Reise geht. Die typische Gamerin, verloren in den Weiten von Online/Spiele/Beruf, die nur mühsam einen Restkontakt zur Realität hält und stattdessen mit ihrem toten Bruder konferiert.

Eine Geschichte über das Verlorensein. Hat mir gut gefallen.

 

Die Ãœbersicht des Lesezirkel:

https://www.scifinet...ten-lesezirkel/


Jahresrückblick 2023
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#2 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 24 März 2022 - 09:05

Ich habe eine extrem ausführliche Rezension dazu verfasst (bis kurz vor die Mitte scrollen hier), weil ich die Story extrem gut finde. 


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#3 Uwe Post

Uwe Post

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Geschrieben 24 März 2022 - 10:30

Ich schreib's gerne nochmal hierher:

Eine typische Cyberpunk-Geschichte in typischem Ambiente (das ja schon das Bild zeigt) über eine ziemlich fertige Hauptperson, die mir als Leser nur deshalb etwas sympathisch ist, weil mein Mitleid getriggert wird, denn sie hat einen schlimmen Verlust erlitten (ihren Bruder). Sie kriegt ihr Leben nicht auf die Reihe, die ganze Welt ist schmutzig und scheiße, und ihre Socken stinken. Der tote Bruder überschreitet am Ende die Grenzen seiner Programmierung (so würde ich als Programmierer es jedenfalls sehen; selbstverständlich ist dieser Trick in einer fantastischen Geschichte erlaubt) und steigt zu einer endgültig körperlosen Entität auf, was die Protagonistin veranlasst, ihm zu folgen.

 

Sprachlich sehr ordentlich, inhaltlich nix Neues im Subgenre, und Lesespaß für mich gleich Null da furchtbar deprimierend.


Bearbeitet von Uwe Post, 24 März 2022 - 10:31.

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#4 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 24 März 2022 - 11:23

Vergiss nicht den ekelhaften verschimmelten Kuchen!

 

Für mich bot die Geschichte tatsächlich ausreichend Details, die mich nicht deprimiert haben. Die Ich-Erzählerin beachtet ihre Umwelt auf so spezielle Weise. Und ich habe Humor entdeckt, von wegen, die Email an den Bot, der für Reparaturen im Haus zuständig ist - "Wer weiß, wann er das liest". Ich finde das tatsächlich so witzig, dass ich das als kleinen Insider für mich selber adaptiert habe, weil mein SuB ja immer so hoch ist ... ich schweife ab.

 

Na ja. Deprimiert hat mich die Story tatsächlich nicht. Da muss es noch eine gut gelaunte Ebene gegeben haben, auch wenn ich zugebe, dass die vielleicht nicht so dermaßen nahe liegt.


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#5 Uwe Post

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Geschrieben 24 März 2022 - 11:32

Ich als Kuchenliebhaber habe an der Stelle mental wegschauen müssen.


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#6 lapismont

lapismont

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Geschrieben 24 März 2022 - 11:47

Die vielleicht dichteste und am besten geschriebene Geschichte der Antho. Eine beklemmende Atmosphäre, packende Beschreibungen der sich zersetzenden Wohnung, man bekommt ein tiefes Gespür für die Apathie Lus und zunehmend wird mit der Frage gespielt, was real ist.  

Bis man sich dann am Schluss ebensowenig sicher sein kann, wie die Prota selbst. Ich denke, dass sie genau an diesem Realitätsverlust und der Verwahrlosung zugrunde geht. Ob bereits vorher oder erst in einer Jenseitssimulation, ist dann eigentlich unerheblich.

 

Lesespaß hat sich für mich hier einfach aus der sprachlichen Qualität ergeben.


Ãœberlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

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#7 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 24 März 2022 - 12:12

Ich habe auch einen übertriebenen Horror vor vergammelten Lebensmitteln, so dass ich den Kuchen nicht so leicht vergessen kann.

 

Und ja, die Sprache ist schon großes Kino! Auch bei Aikis anderen Kurzgeschichten!

 

Im letzten Veilchen (Literaturmagazin) ist auch eine Story aus der mondänen Fiktion erschienen, die ebenfalls sprachlich klasse war. Wenn auch durchaus nicht unbedingt lebensbejahend (also, die fand auch ich sehr traurig).


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#8 Narrania

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Geschrieben 27 März 2022 - 07:32

Ich fand die GEschichte schon beklemmend und mein Humor ist vermutlich zu schwierig, der ist da nicht angesprungen. Es ist ja nicht nur, dass sie sich im Spiel verliert, es gibt ja auch kaum eine Möglichkeit auszubrechen, weil die Gesellschaft ihr da ziemlich Hürden stellt. Ich mag diese Art Geschichten nicht, auch wenn sie gut geschrieben sind und diese hat mich da besonders getroffen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich am liebsten auch so eine Möglichkeit hätte mit meinem Schatz zu sprechen.



#9 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 27 März 2022 - 08:10

 Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich am liebsten auch so eine Möglichkeit hätte mit meinem Schatz zu sprechen.

 

Das verstehe ich gut.

 

Ich war auch sofort emotional involviert, da mein eigener Bruder 2013 gestorben ist (wenn er auch jünger war, nicht älter, kein Gamer etc.) und daher hatte ich sofort mein persönliches emotionales Kopfkino. Seltsamerweise fand ich die Geschichte aber eher tröstlich. Vielleicht, weil sie sich so aktiv mit Trauer auseinandergesetzt hat. 

 

Da gab es die Stelle, dass die Webseiten mit den Nachrufen auf eine ganz bestimmte Art gestaltet werden sollen und sie über ein Warnschild "Vorsicht, Lebensfreude" nachgedacht hat. Das fand ich schon sehr nett, weil bei all der Trauer ja nicht vergessen werden sollte, dass die Menschen vorher gelebt haben und hoffentlich auch oft glücklich dabei waren. Für mich war die Story ein Stück weit auch lebensbejahend.

Es war auch eine sehr nette Hausgemeinschaft. Die Leute da, denen war Lu nicht egal. Das war kein anonymes Lager voller Fremder, das waren ihre Freunde. Auch, wie die Menschen aus der Sicht von Lu geschildert wurden, mit diesen Details, die fand ich schon teilweise humorvoll oder jedenfalls liebenswert.

 

Ich verstehe, dass die Story vordergründig deprimierend ist und eine sehr verwahrloste Person zeigt, die kaum noch auf die Beine kommt (alleine schon die getrockneten Soßenflecken, igitt), für mich hatte sie aber auch viel Hoffnung irgendwie.

 

Es ist spannend, dass wir offenbar alle unterschiedliche Aspekte für uns gehighlightet und unterschiedlich empfunden haben.


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#10 Uwe Post

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Geschrieben 27 März 2022 - 10:30

Festhalten kann man aber auch, dass diese hervorgehobenen Aspekte alle völlig losgelöst vom Genre sind. 


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#11 Mammut

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Geschrieben 28 März 2022 - 08:43

Festhalten kann man aber auch, dass diese hervorgehobenen Aspekte alle völlig losgelöst vom Genre sind. 

 

Mir persönlich haben diese Aspekte gut gefallen:

Die Verlorenheit, das zwischen den Realitäten sich befinden, dieses langsame Entgleiten der Wirklichkeit. Lu hat sowieso die Neigung zu flüchten, dazu kommt der Job, der sich mit dem Sterben einerseits und dem Virtuellen an sich beschäftigt. Es scheint ja auch familär bedingt, ihr Bruder ist diesen Weg ja schon bis zum Ende gegangen und geht in noch über den Tod hinaus. Insgesamt nimmt die jenseitige Welt in der virtuellen Welt ein Stück weit Realität an.

Da es um das Sterben, das Loslassen sowie Festhalten und auch der schrittweise Verlust der Realität geht, kann das eigentlich nur ein wenig deprimiert erzählt werden. Eine fröhliche Geschichte würde hier gar nicht so gut passen. Das ganze ist dabei, für meinen Geschmack könnte man es aber deutlich kürzen, sehr gut geschrieben.

 

Also für mich sind die von mir genannten Aspekte ein klarer Fall von Science Fiction. Wo gibt es sonst ein Leben abseits der Realität? Und das Thema ist nicht so breit getreten wie du es darstellst. In ähnlichen Cyberpunkgeschichten geht es doch eher um den Run, also die reine Action.

 

Die Geschichte ist auch ein gutes Beispiel, lieber Uwe, das eine "Bewertungsmatrix" hier nicht helfen würde. Die interessanten Aspekte der Geschichte scheinen nicht an dich zu gehen und von der Thematik abgesehen, bietet die Story natürlich auch eher das Erwartbare.

Wie du das jetzt bewertest (ich entnehme deiner Rückmeldung das du die Story eher schwach bewerten würdest. Narrania ebenso wenn ich das richtig interpretiere.

Lapismont, Rezensionsnerdista und auch Amtranik (der allerdings ohne Begründung in dem anderen Thread) würden dagegen wohl recht gut bewerten.

 

Jetzt haben wir ja alle hier auch unsere Argumente dargelegt, ohne auf einen Konsens zu kommen. Wo würde jetzt ein "objektiver Bewertungswerkzeugkasten" helfen?


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#12 Amtranik

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Geschrieben 28 März 2022 - 09:21


 

 auch Amtranik (der allerdings ohne Begründung in dem anderen Thread) würden dagegen wohl recht gut bewerten.

 

 

 

Na ja, vielleicht könnte man noch der Vollständigkeit halber erwähnen, dass es nur eine kurze Antwort von mir auf deine Aussage „Hat mir gut gefallen" war. Nicht, dass noch ein falscher Eindruck entsteht.

Stichpunktartig fällt mir zu Utopie 27 ein, vielschichtig, emotional, berührend, durchaus komplex und stilistisch hervorragend. Ich hatte schon Uwes Anmerkung „ganz ordentlich geschrieben oder so" als deutlich zu wenig empfunden. Für mich war auch wichtig als persönliche Einschätzung, dass ich, obwohl Gaming, Cyberspace etc. überhaupt nicht meine Lieblingsthemen sind, dennoch viel Gefallen an der Geschichte gefunden habe. Generell ist mir Aiki Mira in diesem Jahr als überdurchschnittlich gute Stilistin aufgefallen, unabhängig davon, dass die zentralen Themen ihrer Erzählungen zumeist so gar nicht die meinen gewesen sind. Das ist eine kleine, wenn auch nicht die exakt gleiche Gemeinsamkeit mit Marcus Hammerschmitt, dessen Stil ich immer überragend fand, seine Plots mich aber selten umgehauen haben.


Bearbeitet von Amtranik, 28 März 2022 - 09:21.


#13 Mammut

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Geschrieben 28 März 2022 - 09:30

Na ja, vielleicht könnte man noch der Vollständigkeit halber erwähnen, dass es nur eine kurze Antwort von mir auf deine Aussage „Hat mir gut gefallen" war. Nicht, dass noch ein falscher Eindruck entsteht.

 

Das war keinesfalls meine Absicht. Ich wollte nur die bisherigen Fakten darlegen, aber du hast ja schön deine Einschätzung begründet. Danke dafür! :thumbup:


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#14 Uwe Post

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Geschrieben 28 März 2022 - 10:28

Von mir aus: Ein Versuch einer sachlichen Bewertung (Skala 1 bis 10, natürlich verglichen mit anderen Werken der Gegenwart und Vergangenheit, die den "Rahmen" bilden von 1 "unlesbar" bis 10 "unschlagbar")

 

- Sprache/Stil/Form 7-8 (nein, keine 9 oder 10, die für AutorInnen der absoluten Spitzenklasse in dieser Hinsicht reserviert sind, die an Wortschatz und auch in Stil und Form nochmal in einer anderen Liga spielen)

- Idee/Handlung/Originalität/Worldbuilding 5-6 (da sowohl Realitätsverlust als auch Virtualität häufige Topoi in Cyberpunk und SF sind, also weder neu noch hochaktuell oder besonders kreativ, die Handlung aber überzeugend und plausibel dargestellt wurde und es einige überaus pittoreske Elemente gibt wie den ekligen Kuchen)

- Figurenzeichnung/Spannungsbogen/Immersion/Erzähldichte 8 (da die Erzählung nah an der Hauptfigur ist und ihre Gefühle sehr gut vermittelt werden)

 

(Natürlich könnte man die Kriterien anders aufteilen, diese Aufteilung ist spontan und nur beispielhaft)

 

Unter dem Strich ganz klar eine Story, die sachlich betrachtet in der 1. Liga spielt, die Nominierung ist sicher nicht unverdient.

 

Der springende Punkt ist, dass ich diese Story sehr wohl sachlich als gut beurteilen kann, aber das ändert nichts daran, dass mir das Lesen sehr wenig Spaß gemacht hat, weil ich zumindest in letzter Zeit keinen Bock auf deprimierende Geschichten habe und ganz allgemein kein großer Cyberpunk-Fan bin (auch wenn ich einige Elemente selbst gelegentlich verwende). So gesehen fällt meine subjektive Beurteilung deutlich schlechter aus als meine objektive.

Jedenfalls habe ich Aiki gefragt, ob sie eine Story fürs Future Fiction Magazine schreiben möchte. Eine zu einem anderen Thema und mit einer positiveren Stimmung (sonst passt es nicht ins Magazin). Aikis Schreibstil ist definitiv beachtlich, ich habe auch nie was anderes behauptet, nämlich nicht sprachlich "ganz" ordentlich, sondern "sehr" ordentlich, das entspricht der obigen Wertung 7-8. Ich bitte Dich darum, mich nicht grob falsch zu zitieren, Amtranik, das ist nicht hilfreich.

 

Eine Gewichtung der Kriterien hängt übrigens vom Zweck der Bewertung ab. Diese hier war jetzt ja beispielhaft und ich habe keinen Gesamtwert ermittelt. Wenn ich eine Story im Hinblick aufs Future Fiction Magazine bewerte, dann spielt natürlich Idee/Originalität eine sehr große Rolle, die Themaauswahl kann sogar ein No-Go sein. Was natürlich nichts daran ändert, dass auch die beiden anderen Kriterien hohe Werte brauchen.


Bearbeitet von Uwe Post, 28 März 2022 - 10:29.

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#15 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 28 März 2022 - 10:37

 

Jedenfalls habe ich Aiki gefragt, ob sie eine Story fürs Future Fiction Magazine schreiben möchte. Eine zu einem anderen Thema und mit einer positiveren Stimmung (sonst passt es nicht ins Magazin). Aikis Schreibstil ist definitiv beachtlich, ich habe auch nie was anderes behauptet, nämlich nicht sprachlich "ganz" ordentlich, sondern "sehr" ordentlich, das entspricht der obigen Wertung 7-8.

 

 

Yeah! Finde ich gut. Bei mir würde Aikis Sprache vermutlich eher bei einer neun landen, wobei ich nicht sicher bin, wen ich da auf einer zehn sehe. Anthony Doerr vielleicht? Ich gehe mal in mich und denke nach.


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#16 Uwe Post

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Geschrieben 28 März 2022 - 11:44

Sprachliche 10en dürften große Ausnahmen sein. Wobei ich hier vorsichtig wäre, englische Nicht-SF-Langtexte und deutsche SF-Kurzgeschichten in einen Topf zu werfen - halte ich für extrem schwer vergleichbar.

Aber wenn man Wortschatz, bildhafte Sprache oder die Form betrachtet, ist aus meiner Sicht etwas mehr als 1 Punkt Luft nach oben. Man denke nur an Hammerschmitts Texte in Briefform oder Marraks bildgewaltige Wortschöpfungen oder Hebbens bis ins Letzte ausgefeilte Sprachmelodien. Mag sein, dass das der Tatsache geschuldet ist, dass die Ich-Erzählerin über gar keine noch elegantere Ausdrucksweise verfügt. Aber das ändert ja nichts am Befund.

 

Aber mit meiner 7-8 und Deiner 9 liegen wir ja gar nicht weit auseinander, das braucht man gar nicht zu diskutieren und ist völlig in Ordnung.

Bloß wenn jemand Spannung 2 oder Originalität 10 (hieße ja "sensationell, einzigartig, noch nie dagewesen") sagen würde, würde ich diskutieren wollen, wie es zu so einer krass abweichenden Einschätzung kommt.


Bearbeitet von Uwe Post, 28 März 2022 - 11:47.

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#17 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 28 März 2022 - 12:12

Stimmt. 

Ich würde hier: Idee/Handlung/Originalität/Worldbuilding auch mehr Punkte geben, mindestens sieben, eher acht, denn:

  • für Cyberpunk finde ich das Setting und die Figuren originell. Lu ist sozial eigentlich gut eingebunden. Sie wünscht sich eine Art Familie, was für sie nicht ganz einfach ist, weil sie asexuell ist. Irgendwie finde ich auch, hat sie diese Familie auch, also Menschen, die sich um sie kümmern
  • Das Thema Trauer ist für Cyberpunk sicher nicht ganz neu, aber zumindest für mich ist es alles andere als abgegriffen.
  • was ich eher typisch finde, ist, dass bei Menschen, die sich viel in virtuellen Realitäten herumtreiben, die Realität verwahrlost. Wobei ich hier die Gründe dafür eher in Lus Trauer sehe und nicht am üblichen "Ich habe keine Zeit, aufzuräumen, weil dauer-online"

Was mich neben der Sprache am meisten fasziniert, ist, wie die Figuren auf so engem Raum lebendig werden, und zwar nicht nur Lu und Fahri, sondern auch die Nebenfiguren. Das gelingt eben durch diese treffenden Details. Aber ich stehe auch total auf solche Details. Was mich viel mehr langweilt, sind ausführliche Beschreibungen vom Scheitel bis zur Sohle, viel, viel cooler ist es für mich, wenn etwas besonderes herausgegriffen wird.

 

 

Aber auch ich habe Erlebnisse wie von dir geschildert, dass jemand etwas sehr originell findet und ich mich total bei der Lektüre gelangweilt habe. Manchmal kann man sich das erklären, manchmal nicht. Ich bin auch überrascht, wie unterschiedlich man etwas empfinden kann, ich hatte wirklich gedacht, was generell funktioniert oder nicht, sei relativ klar. 


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#18 Amtranik

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Geschrieben 28 März 2022 - 12:21


 

 Ich bitte Dich darum, mich nicht grob falsch zu zitieren, Amtranik, das ist nicht hilfreich.

 

 

Hallo Uwe. Meine Entschuldigung sei Dir gewiss. Erklärbar ist mein Fauxpas dadurch, dass ich dies rein aus dem Gedächtnis rezitiert habe, das offensichtlich fehlerbehaftet ist und nicht mehr nachgelesen habe.



#19 Uwe Post

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Geschrieben 28 März 2022 - 13:48

 

 

  • Das Thema Trauer ist für Cyberpunk sicher nicht ganz neu, aber zumindest für mich ist es alles andere als abgegriffen.

 

Dem kann ich ein Stückweit folgen. Cyberpunk ist normalerweise eher von rohen Gestalten bevölkert, die bei einem Run eine breite Spur aus Opfern und Verlusten hinterlassen, ohne groß darüber zu reflektieren. Insofern sind Verlust und Trauer Themen, die im Cyberpunk nicht gang und gäbe sind, aber losgelöst vom Genre nun auch wieder nix Besonderes. So gesehen fügt die Story dem Kanon nichts wirklich Innovatives hinzu, was für mich ein Must Have wäre, um mir für Originalität Punktzahlen über 7-8 zu entlocken. Um den Maßstab zu verdeutlichen: Ein Standard-Run als Cyberpunk-Story würde von mir maximal 4-5 Punkte erhalten. Diese hier aber durch die andere Themenwahl etwas mehr. Aber sicher nicht das Doppelte.

Das Problem ist vielleicht, dass der ganze Cyberpunk an sich von der Realität schon ziemlich überholt wurde und in meinen Augen kein modernes und für Autoren sonderlich ergiebiges Subgenre ist. VR-Brillen gibt es schon seit Jahren, aber wir laufen trotzdem nicht alle damit durch die Gegend, selbst hartgesottene Gamer verwenden lieber Tastatur und Maus oder Controller. Schon gar nicht können wir uns mit vollkommener Immersion und Gehirn-Implantat in eine Matrix transferieren, und es steht auch nicht zu erwarten, dass das je passiert. Das ist es, was ich meinte: Über virtuelle Welten und ihre teils üblen Nebenwirkungen haben wir schon viel gelesen in den letzten 30-40 Jahren. In diesem Kontext betrachtet, bietet die Story nichts wahnsinnig Neues - ihre Stärken liegen woanders.


Bearbeitet von Uwe Post, 28 März 2022 - 13:49.

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#20 J. A. Hagen

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Geschrieben 29 März 2022 - 12:27

 

Das Problem ist vielleicht, dass der ganze Cyberpunk an sich von der Realität schon ziemlich überholt wurde und in meinen Augen kein modernes und für Autoren sonderlich ergiebiges Subgenre ist.

 

Vielleicht müsste sich ein moderner Cyberpunk mit der Rolle auseinandersetzen, die soziale Medien und die dahinter stehenden Konzerne auf die öffentliche Wahrnehmung ausüben. Donald Trumps Netzwerk "Truth Social" mag als Beispiel dienen.
Die virtuelle Realität des Cyberspace würde in dem Fall durch eine gezielte Manipulation der Wahrnehmung, was Tatsachen sind, ersetzt. Man denke zum Beispiel an Verschwörungsmythen, die durch soziale Medien wie Telegram verbreitet werden.
"Cyber-" ist bereits da: Cyberkriege, Cybermobbing etc. Der "-punk" müsste demnach eine Gegenbewegung sein, die sich gegen Falschmeldungen, schädliche Körperideale oder Demütigungen in sozialen Medien wendet.
Vermutlich würde man das nicht mehr als Cyberpunk bezeichnen, weil diese Genre seinen Zenith seit Anfang der Neunziger überschritten hat.

Dennoch mag ich den klassischen Cyberpunk.


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#21 Uwe Post

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Geschrieben 29 März 2022 - 16:59

 

 

Vielleicht müsste sich ein moderner Cyberpunk mit der Rolle auseinandersetzen, die soziale Medien und die dahinter stehenden Konzerne auf die öffentliche Wahrnehmung ausüben.

Kann ich mir tatsächlich ganz gut vorstellen. Der Cyberpunk würde dann mit dem fantastischen Element der Implantate und totalen Immersion die Überhöhung der Beeinflussung übernehmen.

Das Unterjubeln falscher Informationen spielt in vielen Cyberpunk-Storys eine gewisse Rolle.


Bearbeitet von Uwe Post, 29 März 2022 - 18:37.

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#22 J. A. Hagen

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Geschrieben 30 März 2022 - 09:27

Elon Musk träumt von einem Chip, der ins Gehirn implantiert wird und es unter anderem ermöglichen soll, Fremdsprachen schnell zu erlernen. Man stelle sich vor, dass der Hersteller nebenher eigene Inhalte installiert, zum Beispiel subliminale Werbung.

 

Noch schöner wird es, wenn sich Leute auf das im Chip gespeicherte Wissen verlassen, und das Ding plötzlich Fehlfunktionen hat.


Bearbeitet von J. A. Hagen, 30 März 2022 - 09:29.

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#23 Uwe Post

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Geschrieben 30 März 2022 - 10:17

Alles Elemente, die es in Cyberpunk und SF allgemein schon oft gab. Natürlich lassen sich da immer neue Aspekte herausarbeiten. Letztlich ist das auch in der vorliegenden Geschichte geschehen: Cyberpunk-Ambiente mit dem eher untypischen Thema Trauerbewältigung. Beides für sich genommen nicht neu, in der Kombination aber durchaus interessant. Genügt trotzdem nicht für den (fiktiven) Sonderpreis für größte Originalität.


Bearbeitet von Uwe Post, 30 März 2022 - 10:17.

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#24 J. A. Hagen

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Geschrieben 30 März 2022 - 10:20

 

Genügt trotzdem nicht für den (fiktiven) Sonderpreis für größte Originalität.

 

Der dürfte generell schwer zu erringen sein. Dazu ist zu viel bereits geschrieben worden. Ich denke aber, dass ich verstehe, was Du meinst.


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#25 Uwe Post

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Geschrieben 30 März 2022 - 13:31

Na ja, wenn sich eine Story hochaktuelle Trends vorknöpft und z.B. auf überraschende Weise weiterdenkt, stehen die Chancen gut, "Erster!" rufen zu dürfen.


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#26 Mammut

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Geschrieben 24 Mai 2022 - 10:20

Die Geschichte hat den LP 2022 gewonnen:

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