Mit der Geschichte von Karsten Kruschel bin ich auch nicht recht warm geworden. Sie spielt auf einem fremden Planeten, auf dem die Menschen seit 26000 Jahren mit den Keltz, einer insektoiden intelligenten Spezies, zusammenleben. Es herrscht seit vielen tausend Jahren eine Konarchie, eine gemeinsame Herrschaft eines Menschen mit einem Keltz.
Jetzt aber ist eine "Befreiungsarmee" einmarschiert und hat die Konarchie gestürzt. Die Hauptperson, der Hausmeister Wisnik, hat den Auftrag, im ehemaligen Herrscherpalast die Gipsgesichter der Ex-Herrscher abzuschlagen. Die Befreiungsarmee wütet derweil in der Hauptstadt. Ihr Offizier Gassanov erschießt Wisniks Keltz-Assistenten und lässt dann seine Frau entführen und wahrscheinlich ermorden. Wisnik schaltet am Ende auf Befehl eben dieses Offiziers eine uralte Maschine ab, die das Zusammenleben von Menschen und Keltz erst möglich gemacht hat. Obwohl er um die verheerenden Folgen weiß, warnt er ausdrücklich nicht.
Leider passt in der Geschichte einiges nicht zusammen. Die Figuren sind nicht konsistent gezeichnet und die Handlung ist nicht recht plausibel. Beispiele:
Die Hauptfigur ist Hausmeister und hat offenbar enorme Probleme, die Vorgänge beim Einmarsch der Befreiungsarmee zu verstehen. Auch seine Frau, die Universitätsprofessorin, kann sich viele Dinge nicht erklären, doziert aber ausführlich über das Wort "Machenschaften". Als Baugerüste um die Statuen der alten Herrscher aufgestellt werden, kann sie sich das nicht erklären. Erst als eine Statue verschwindet, wird ihr klar, dass die Denkmäler abgerissen werden. Die Hauptfigur versteht die Erklärung seiner Frau zum Thema "Machenschaften" nicht recht, er weiß aber, dass das Wort Ziffer ursprünglich "Null" bedeutet hat - jedenfalls bis zum frühen Mittelhochdeutschen.
Wie Joachim hadere ich etwas mit der Logik der Geschichte. Kann ein Hausmeister wirklich im Alleingang das Zusammenleben von Menschen und Keltz sabotieren, indem er eine extrem wichtige Maschine abschaltet? Die Wirkung entspricht durchaus der einer Atombombe, deren Zündmechanismus schließlich gut gesichert sein müsste.
Die Naivität der Hauptfigur und seiner Frau ist etwas unglaubwürdig. Offenbar funktioniert das Internet noch, aber die beiden haben keine Ahnung, was die Befreiungsarmee will, wo sie herkommt, welche Ideologie sie vertritt.
Die Konarchen haben offenbar 26000 Jahre die Existenz einer Maschine geheim gehalten, die das Verhalten der Keltz mit einer Art Strahlung massiv beeinflusst. Das ist kaum plausibel. Und warum legt die Befreiungsarmee so großen Wert darauf, alle Infrastrukturen der Konarchen lahmzulegen? Sieht man sie den Ablauf von Putschen und Umstürzen auf der Erde an, so findet man eigentlich immer, dass die Putschisten geradezu peinlich darauf bedacht sind, die Infrastrukturen zu erhalten - jedenfalls bis sie in der Lage sind, sie zu verstehen. Sie wollen herrschen, nicht alles neu aufbauen.
Und zum Schluss stellt sich mir die Frage, warum die Befreiungsarmee so großen Wert darauf legt, eine Maschine, deren Zweck sie nicht verstehen, ordnungsgemäß abzuschalten. Warum nicht sprengen? Und wie kommt die Befreiungsarmee darauf, dass der Hausmeister des Herrscherpalastes für die Bedienung zuständig ist?
Warum weiß die Hauptfigur praktisch nichts vom Lebensstil der Keltz? Er ist doch dort aufgewachsen.
Warum ist seine Frau so stolz darauf, dass auch Keltz unter ihren Studenten waren? Nach 26000 Jahren sollte das doch eigentlich selbstverständlich sein, besonders wenn Menschen und Keltz seitd so langer Zeit gleichberechtigt herrschen.
Probleme hatte ich auch mit einige Neologismen. "Hierzuwelte", offenbar gebildet nach "Hierzulande". "Lande" ist eine alte Dativform, bei "Welt" wäre sie aber fehl am Platz. "Dienstwoch" als Analogbildung zu "Mittwoch". Der Zweck ist mir nicht ganz durchsichtig. Vielleicht ist es ja einfach eine Spielerei. Warum heißt der Standort der ominösen Maschine "Tabernakel"? Ein Tabernakel
ist ein Behälter zur Aufbewahrung von Hostien in der katholischen Kirche. Ein verborgener Standort wäre eher eine "Krypta", wenn man schon im religiösen Rahmen bleiben will. Was ich dagegen vermisse, ist das übliche Bullshit-Bingo von Putschisten, also Leerformeln wie: "Ende der Unterdrückung", "raffgierige korrupte Herrscherkaste", "Sturz des dekadenten Regime und seiner Speichellecker", "Tod den Reaktionären", "Ende der Plutokraten" etc, sowie Spottnamen für das alte Regime. Konarchen könnte man zum Beispiel als "Kanaken" oder "Kannnichtse" verunglimpfen, was bei Umstürzen durchaus üblich wäre.
Vielleicht bin ich ja zu pingelig, aber am Ende der Geschichte hatte ich nicht das Gefühl, dass sie so wie geschildert geschehen sein könnte.
Bearbeitet von Fermentarius, 19 Oktober 2023 - 11:10.