Also, im Großen und Ganzen stimme ich mit Diboos Kriterien überein, zumindest gehen sie in die richtige Richtung. Ich glaube allerdings nicht, dass man mit einigen Kriterien zum Abhaken eine klare Trennung vornehmen kann, obwohl es ohne Zweifel eine Trennung in der Kleinverlagsszene gibt, die sich nicht an der bloßen Zahl von Titeln festmachen lässt. Es ist eine Trennung zwischen Professionalität und fannischer Arbeitsweise, die zwar fließend ist und eine breite Grauzone aufweist, die aber nicht zuletzt auch über die Entwicklungsfähigkeit eines Verlages eine Menge aufweist. Weil ich also denke, dass jede reine Kriterienliste - wie Oliver deutlich gemacht hat

- zu Missverständnissen einlädt, werde ich es einfach an konkreten Beispielen festmachen.Als prominentes Beispiel für einen "Kleinverlag" nehme ich mal den Festa-Verlag. Er hat ein klares Verlagsprogramm, das nicht von Sammelanthologien mit unbekannten Autoren geprägt wird. Warum ich solche Anthologien für ein Kriterium halte? Ganz einfach: Solche Anthologien haben eine fest kalkulierbare Grundauflage, weil die Autoren im Durchschnitt doch eine gewisse Menge an Exemplaren abnehmen und im Bekannten- und Verwandtenkreis vertreiben; und je unerfahrener die Autoren, umso mehr Bücher können auf diese Weise verkauft werden. Außerdem stehen die Autoren als "Mitarbeiter" für weitere Vertriebsmaßnahmen zur Verfügung. Ferner schaffen diese Anthologien zusammen mit den mitarbeitenden Autoren eine Art "Subfandom", in dem der Verlag auch andere Titel unterbringen kann (z.B. die eigenen Romane des Verlegers

). Der wirtschaftliche Vorteil der Autoren einer solchen Anthologie liegt für den Verleger also nicht nur in deren Namen als Autor und auch nicht nur in der Qualität der Texte.Auf der anderen Seite sind gerade solche Anthologien auf dem freien Buchmarkt schier unverkäuflich. Sehr viel mehr als die Exemplare, die über die Autoren umgesetzt werden, zuzüglich einiger Verkäufe in einem begrenzten "Storyfandom" sind nicht zu erwarten. Jeder Verlag also, der bereits einen funktionierenden Vertrieb hat und den normalen Buchmarkt anpeilt, wird solche Projekte meiden und allenfalls zur "Autorenförderung" oder zum "entdecken neuer Autoren" ausschreiben.Festa allerdings wählt, soweit ich sehen kann, die Autoren allein nach den Texten; er kann einen gezielten Aufbau seiner Autoren verfolgen; Festa weiß offensichtlich, was er tut, und kann gute von schlechten Geschichten unterscheiden - zumindest im Rahmen der möglichen Irrtümer oder Geschmacksvorlieben, die jedem Lektor zuzubilligen sind. De Facto findet so eine wirksame Qualitätskontrolle statt. Festa kann sogar Aufgaben deligieren, und zwar nicht an seine Freunde, sondern an Leute, die er aufgrund ihrer fachlichen Eignung auswählen kann. Wenn ich ein Buch aus dem Festa-Verlag kaufe, erwarte ich einen Titel, der vielleicht nur einen Nischenmarkt bedient und daher für größere Verlage nicht rentabel ist, der aber von Textqualität und Aufmachung mit jedem großen Verlag konkurrieren kann. Das einzige, was Festa von einem mittelständischen Verlag unterscheidet, ist die wirtschaftliche Größe.Als "Kleinverlag" würde ich also einen Verlag einstufen, der sich von der Arbeitsweise und Organisation an kommerziellen Verlagen orientiert, der leser- bzw. zielgruppenorientiert arbeitet, wobei sie die Oberliga der Kleinverlage von außen nur schwer von einem mitteständischen Verlag unterscheiden lässt. Die Grenze zu mittelständischen Verlagen würde ich dann ziehen, wenn der Verlag nicht nur den Verleger ernähren kann, sondern auch mehrere fest angestellte Mitarbeiter mit professionellem Werdegang. Vielleicht also bin ich auch nicht auf dem neuesten Stand und müsste Festa schon als mittelständischen Verlag sehen - wenn er also z.B. einen fest angestellten Lektor und ein Verlagskauffrau beschäftigt und der Verlag auch noch für Festa selbst genug abwirft, dann würde ich ihn jederzeit so einordnen.Mit den Beispielen für "Kleinstverlage" tue ich mich ehrlich gesagt schwerer, weil ich auch nicht will, dass sich jetzt jemand beleidigt fühlt. Aber da ich im anderen Thread ohnehin schon gesagt habe, dass ich Intrag für einen "Kleinstverlag" halte, kann ich das hier jetzt auch genau ausführen. Gesetzt den Fall, dass der Augenschein den Tatsachen entspricht, wäre Intrag ein Kleinstverlag, weil er von fachfremden Privatleuten als Hobby geführt wird; weil der Betreiber vermutlich eine Einzelperson ist oder einige Leute, die aus persönlicher Freundschaft zusammenarbeiten - und nicht etwa, weil der Verleger sich einen Partner gesucht hat, der durch seine Fachkenntnisse im Lektorat oder in der Storyauswahl besonders für die Aufgabe geeignet wäre. Ferner ist das Programm nicht nach den Erfordernissen des Buchmarktes ausgerichtet: Es konzentriert sich auf Einzelanthologien, nicht auf Autoren oder Reihen; es ist nicht so groß, dass es von daher schon Aufmerksamkeit erschließen kann, andererseits aber auch nicht so klar konturiert, dass es zumindest auf einem Nischenmarkt die Kräfte bündelt. Außerdem war der Verlag von seinem Autreten nicht krisenfest strukturiert: Entweder gehört eine gehörige Portion Naivität dazu, anzunehmen, dass professionelle Mitbewerber nicht in der Lage sind, die von Phantastik.de enthüllten Sachverhalte zu durchschauen - oder der Vergleich mit professionellen Mitbewerbern war von Anfang an nicht geplant, sondern der Verlag bemühte sich nur um eine Stellung im "Fandom". Und das wäre dann defintionsgemäß ein eindeutig fannischer Ansatz.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)