Geschrieben 23 Oktober 2023 - 07:52
Hallo Yvonne,
Ja, ein Beispiel, das ich mir notiert hatte und daher parat habe ist:
Karl Michael Armer mit "Think small. Ein Plädoyer für die SF-Story"
Dort schrieb er sinngemäß, dass viele SF-Schaffende eher Kurzprosa schaffen mit mega ausgefeiltem Bühnenbild, auf dem sie dann Pappfiguren herumschieben, die hölzerne Dialoge von sich geben.
Da war ich überrascht, dass das Problem, das ich heute oft hier sehe, offenbar schon damals bekannt war und BENANNT WURDE, an prominenter Stelle. Jeschke hat sich ja in Vorworten oft ähnlich geäußert.
Ich weiß aber nicht, ob mich das freuen oder frustrieren soll, wenn Armer und Jeschke das vor zwanzig, dreißig Jahren schon erzählt haben und sich nichts geändert hat, wieso sollte dann 2023 jemand auf die Tunnat hören?
ich hatte gerade das Vergnügen einen Krimi zu lesen, dessen Dialoge einfach nur hinreißend lebendig waren und zugleich den Figuren noch mehr Konturen gaben. Okay, der Autor (Jonathan Kellerman) kennt sich als Psychologe mit Sprache aus, denn der genaue Umgang mit ihr gehört zu seiner beruflichen Praxis. Aber er bekommt das auch auf Buchseiten. Echt toll. In der SF habe ich derlei noch nicht oft gelesen.
Zum ausgefeilten Bühnenbild: Das ist ja das, was in Rezensionen oft gelobt oder bemängelt wird, der Weltenbau. Kann durchaus sein, dass deshalb manche sehr viel Mühe verwenden auf ein ausgefeiltes Bühnenbild. In dem Kontext fällt mir Bov Bjergs "Der Vorweiner" ein. Ein Bühnenbild voller Leerstellen und es funktioniert. Denn die zukünftige Welt, in der der Roman spielt, ist ja nicht Thema des Romans, es geht nicht um die Darstellung technologischer Entwicklungen oder eroberungswütige Aliens oder irgendwelches Verschwörungsgedöns (das der dritte Hilfsschrauber eines Seelenverkäufers im Alleingang beendet), sondern um das, was gesellschaftliche und technologische Veränderungen mit uns Menschen machen (im Roman: De-emotionalisierung). In Bjergs Roman funktionieren die Dialoge auch recht gut, weil sie eben genutzt werden, um den Personen mehr deutlichere Konturen zu verleihen. Der Roman an sich hat mir trotzdem nicht gut gefallen, weil er sich irgendwann in Wiederholungen verlor.
Alte Science Fiction Jahrbücher habe ich natürlich behalten. Die sind es wert!
Viele Grüße
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")
