Silverberg’s Frühwerk , das als Kurzgeschichte 1957 begonnen, zu mehreren publizistischen Umwegen gezwungen und dann 1962 zur Novelle erweitert wurde (wie er im Vorwort des Romans schildert), zeichnet den Übergang zwischen dem Autor konventioneller SF Romane der 1950er / frühen 1960er zu einem der wichtigsten SF-Autoren letzteren Jahrzehnts. Er selbst zählte sich zwar nie direkt zum New Wave aber die in diesem Roman beginnende emotionale Tiefe der Figuren und die erzählerische Intensität (hier der vier Gefangenen in der Höhle), kennzeichnen seine späteren Werke aber als durchaus dazugehörend. Wen das Szenario beim Lesen an die Protagonisten von Sartre’s „Geschlossene Gesellschaft“ erinnert, hat recht und bekommt noch zusätzlich das berühmte Zitat daraus im Roman mitgeliefert („Die Hölle, das sind die Anderen!“) und damit die unmissverständlichen neuen Ambitionen des Autors.
Inhalt
Anfang des 22. Jahrhunderts erfolgt die Kolonisation von Fremdwelten (die vorher von Explorerschiffen als geeignet ausgesucht wurden) über weltweit stattfindende Auswahlverfahren innerhalb tauglich befundener Kandidaten. Die gnadenlose Striktheit des Verfahrens lässt dabei kaum Ausnahmen zu (ausser man ist zb. unheilbar erkrankt oder der Kandidat ist gestorben). Reichtum und Einfluss hilft nicht, selbst Ehepartner mit Kindern werden getrennt.
Distriktvorsteher Mulholland (verantwortlich für das Verfahren des New Yorker Kolonisationsbüros) ist sich zwar seiner Verantwortung bewusst, sieht aber im keine Ausnahmen zulassenden System keinen Fehler, sondern die Gerechtigkeit einer ohne Ansehen der Person handelnden Bürokratie: Sie sorgt erst für die Bereitschaft der Ausgewählten ihr bisheriges Leben und alle sozialen Bindungen aufzugeben.
Die vier Hauptprotagonisten (2 Männer und 2 Frauen) , deren Leben sich von heute auf morgen als Siedler komplett ändert, werden von Mulholland’s Büro dem Flug zur neuen Koloniewelt Osiris im Wega System zugeteilt. Nach Ankunft und Wahl der Lebenspartner überstürzen sich dann die Ereignisse – die Welt scheint doch ein Geheimnis zu bergen das im Verlauf die vier dazu zwingt neue Lebensentscheidungen zu treffen.
Kritik
Der Autor fasste den Roman als Fingerübung auf, die emotionale Tiefe seiner Figuren und die erzählerische Intensität weiterzuentwickeln. Das wurde in der ersten Hälfte schon angedeutet in Gestalt des Distriktvorstehers Mulholland , der über das scheinbar gerechte Auswahlverfahren zwar kritisch reflektiert aber letztendlich die ernsten Folgen seiner Arbeit einer insgesamt blinden Bürokratie zuschiebt und die Hände damit in Unschuld wäscht.
Noch deutlicher wird das ab der zweiten Romanhälfte (hier wurde die Kurzgeschichte ‚Journey‘s end’ verarbeitet) mittels der geschilderten Gruppendynamik der zwei männlichen und zwei weiblichen Gefangenen in der Höhle. Die vier werden einem ihr aller Leben verändernden Ereignis unterworfen werden.
Allerdings konnte Silverberg sich nicht genug den damals bestehenden Geschlechterrollenbilder entziehen, was heute Kopfschütteln auslösen kann aber die emanzipatorische Zeit der 1960er stand noch bevor. Das Sartre-Zitat (s.o.) wirkt dann doch überambitioniert – aber im Lichte seiner späteren Veröffentlichungen ab Mitte der 60er löst er zumindest sein Versprechen der damaligen Mainstream-SF literarisches Gewicht zu verleihen durchaus ein.
Für alle Silverberg-Fans ein interessanter früher Stoff, der diesen Übergang exemplarisch zeigt.
Gelesen wurde die deutsche Übersetzung:
Title: Die Kolonisten Terras (1981)
Author: Robert Silverberg
Date: 1981-10-00
Original: The Seed of Earth [English] (1962)
Type: NOVEL
Silverberg’s Gesamtwerk in der ISFDB
https://www.isfdb.or...i-bin/ea.cgi?54
Bearbeitet von head_in_the_clouds, 15 Dezember 2023 - 16:43.