Zum Inhalt wechseln


Foto

Fingerübung 1 - Die Sonne


  • Bitte melde dich an um zu Antworten
8 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 9.163 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben 27 Dezember 2023 - 14:39

Zuletzt habe ich "Der Atem der Sonne" von Herbert W. Franke gelesen:

https://scifinet.org...atem-der-sonne/

 

Franke gilt eigentlich als nüchterner Schreiber, der nicht für seine blumige Sprache bekannt ist. In der Geschichte selbst beschreibt der Autor allerdings die Sonne (die Geschichte spielt in der sonnennahen Bahn zum Merkur) auf sehr lyrische Art und Weise.

 

An sich wird die Funktionsweise der Sonne eher nüchtern-wissenschaftlich beschrieben. Man kann hier z.B. eine Beschreibung lesen:

https://www.geo.de/g...ufbau-der-sonne

 

Fingerübung 1:

Für eine Geschichte recherchiert man, der Leser will allerdings keine Infodump präsentiert bekommen. In Dave v0n Raphaela Edelbauer gab es die Diskussion, das die lyrischen Bilder wenig wissenschaftlich sind:

https://scifinet.org...lbauer/?hl=dave

 

In dieser Fingerübung geht es darum, die Sonne zu beschreiben, unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Fakten. Ansonsten gibt es keine Vorgaben.



#2 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.049 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Unna

Geschrieben 28 Dezember 2023 - 11:42

Es gibt durchaus eine Art Lehrbuchvorgehen für ein solches Problem. Es stammt aus Blake Snyders "Save the Cat!" und nennt sich "The pope in the pool". Er beschreibt dabei eine Filmszene, in der dem Zuschauer die notwendige Exposition untergejubelt wird, während er durch den unerwarteten Anblick des Papstes, schwimmend in einem Swimmingpool, abgelenkt wird. Ein m.E. schöneres Beispiel beschreibt eine Szene, in der der Protagonist ein riesiges Glas Eistee getrunken hat und dringend auf Toilette muss, woran er ständig dadurch gehindert wird, dass ihm jemand die später benötigte Exposition doziert.
 
Bei deinem Sonnenbeispiel ist die Frage, ob die Mission der Geschichte etwas mit der Sonne selbst zu tun hat. Dann ist es m.E. überhaupt kein Problem, den Protagonisten über den Aufbau der Sonne recherchieren zu lassen; die Spannung erhält diese Exposition dadurch, dass der Leser weiß, dass hier nach der Lösung für ein dringendes Problem gesucht wird. Das wäre etwa so in Weirs "Astronaut", wo es um die Sonne geht, und man das Interesse an dieser Information noch dadurch erhöht, dass der Protagonist, der ja ohne Gedächtnis aufwacht, sich fragen kann, woher er das alles bloß weiß.
 
Wenn jetzt das Wissen über die Sonne nicht so klar zentral für die Mission ist, aber trotzdem später für irgendwas benötigt wird, bietet es sich z.B. an, den Protagonisten, während er verfolgt wird, in einer Astronomie-Vorlesung Zuflucht suchen zu lassen, und das benötigte Wissen zu vermitteln, während ihn finstere Verfolger immer wieder auf einen anderen Platz im Hörsaal treiben.
 
Oder man könnte jemanden auf der Suche nach Informationen einbrechen und aus Versehen eine Aufnahme mit dieser Information starten lassen, während gerade schwer bewaffnete Wachleute ihren Kontrollgang absolvieren.
 
Man könnte einen Schüler / Studenten durch einen Lehrer herunterputzen lassen, der bei einer besonders fies verlaufenen Prüfung genau nach diesem Wissen fragt.
 
Oder man könnte jemanden schwer verliebt seinen Schwarm in einer entsprechenden Vorlesung / Unterrichtsstunde anhimmeln lassen, und derjenige wird immer verzweifelter, weil der/die Angebetete sich offenbar tatsächlich mehr für diesen langweiligen Stoff interessiert als für den Verehrer.
 
(...)
 
Im Grunde läuft es immer darauf hinaus, die Figur in eine spannende / interessante Szene zu bringen, in der die benötigte Information ganz natürlich so nebenbei vermittelt wird.
 
Ich hatte mir in meinem letzten Roman einen anderen Kniff ausgedacht: Hier habe ich eine Figur eingeführt, die glaubt, sich in einer computersimulierten Konditionierungsschleife zu befinden, und ständig nach Hinweisen sucht, was sie denn nun lernen soll, um aus dieser Schleife wieder herauszukommen. Und ihre Interpretation von allen möglichen neuen Informationen und ihre entsprechenden Handlungen sind nun immer so unsinnig, wie es nur eben geht.
 
Dies Vorgehen lässt sich verallgemeinern: Sorge dafür, dass die Figur die Information (nachvollziehbar) missversteht und lasse sie dann aufgrund dieser Fehlinterpretation unterhaltsamen Blödsinn machen.

Oft wusste ich weder im Wachzustand noch im Albtraum, auf welchem Planeten ich mich befand, oder in welchem Zeitalter, sondern driftete im großen Mahlstrom von Zeit und Raum und Begebenheiten, ohne Boden, auf dem mein Bewusstsein stehen konnte; und die Welt war für mich nur ein Trugbild und eine neue Darbietung; und die Grenzen von Traum und Wachsein verwischten. (Matthew Phipps Shiel: The Purple Cloud)
 


#3 S-01-D

S-01-D

    Mikronaut

  • Mitglieder
  • PIP
  • 35 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 28 Dezember 2023 - 19:06

*du erwachst, als dich das Tier sanft anstupst, blinzelst in das Grell der alten Sonne, die hoch über den Bäumen am Himmelszelt steht. Heute ist der letzte Tag. Du bist nicht bereit. Aber dich hält auch nichts mehr im Hier und Jetzt – bis auf schöne Erinnerungen an eine Welt, wie sie früher war.
»Was, wenn ich mich irre?«, fragst du den Keiler.
Die Illusion zerspringt, zerbricht, blättert von den Wänden ab. Du bist allein in diesem Raum. Und darüber hinaus. Das letzte Lebewesen im Sonnensystem.
»Nein«, antwortet der Rechner. »Auch wenn du diese Frage noch so oft stellst. Die Berechnungen und Analysen lassen keinen Irrtum zu. Du bist allein!«
Die autonome Lichtanlage taucht den Raum in sanftes Grau.
Du erhebst dich aus deinem Bett.
»Der Mond«, sagst du und schaust auf den analogen Periskopspiegel, betrachtest den weit entfernten Punkt zwischen den Sternen. »Die Strahlungswerte lassen Leben zu. Tief im Inneren.«
»Nein. Und selbst wenn. Niemand ist gekommen, oder? In den Aufzeichnungen existiert nichts, weder Signale noch sonstige Anzeichen für Leben.«
»Ja.« Du wendest dich ab, dem heruntergefahrenen Sonnenschutz zu. Mit einer Handbewegung fährt er hoch.
Koloss brennt noch so wie vor ein paar Stunden. Schön brennt er, bunt brennt er.
Mit jeder Sekunde wird er größer, kommt er näher.
»Wie lange noch?«
»Neunzehn Minuten.«
»Was denkst du?«
»Nichts.«
Du gehst in dich.
»Ich ebenfalls«, sagst du, greifst nach dem Injektor, stichst dir ein wenig Glück und legst dich zurück ins Bett. Der Sonnenschutz fährt herunter, der Himmel ist blau, die Luft riecht nach Moos und der graue Keiler ist der beste Freund auf der großen, weiten Welt. Und sie ist schön, diese Welt. Und voller Leben*



#4 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

    Temponaut

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.049 Beiträge
  • Geschlecht:männlich
  • Wohnort:Unna

Geschrieben 29 Dezember 2023 - 08:33

Gefällt mir sehr gut, der Text. Man könnte sich jetzt trefflich darüber streiten, ob du nicht das Thema verfehlt hast. Allerdings hast du ja genauso viel Information über die Sonne im Text untergebracht, wie benötigt wurde. Und das ist halt nicht viel.


Oft wusste ich weder im Wachzustand noch im Albtraum, auf welchem Planeten ich mich befand, oder in welchem Zeitalter, sondern driftete im großen Mahlstrom von Zeit und Raum und Begebenheiten, ohne Boden, auf dem mein Bewusstsein stehen konnte; und die Welt war für mich nur ein Trugbild und eine neue Darbietung; und die Grenzen von Traum und Wachsein verwischten. (Matthew Phipps Shiel: The Purple Cloud)
 


#5 S-01-D

S-01-D

    Mikronaut

  • Mitglieder
  • PIP
  • 35 Beiträge
  • Geschlecht:unbekannt

Geschrieben 30 Dezember 2023 - 18:22

*der Keiler kommt herbeigetrabt und lässt sich direkt neben dir nieder, schmiegt sich an dich. Unerwarteterweise riecht er nicht sonderlich streng, nur ein wenig erdig, aber vor allem nach Kräutern und Wildblumen. Das Tier atmet leise, friedlich. Deine Hände fahren durch sein Fell, du schließt ein letztes Mal die Augen – schläfst glücklich und zufrieden ein*



#6 Tse-Eh

Tse-Eh

    Nochkeinnaut

  • Mitglieder
  • 1 Beiträge

Geschrieben Heute, 07:42

Schließlich entdeckte er das fremde Raumschiff. Es war fast perfekt getarnt, ironischerweise dadurch, dass es besonders hell strahlte: Es war, von der Erde aus gesehen, vor der Sonne positioniert und strahlte genauso hell wie diese, mit einer Strahlungstemperatur von rund 6000 Kelvin, der Oberflächentemperatur der Sonne. Er fragte sich, wie das überhaupt möglich war, die einzige ihm bekannte Methode, das zu erreichen, war, das Raumschiff tatsächlich auf diese Temperatur aufzuheizen, das aber hätte kein Material ausgehalten, geschweige denn die Insassen des Raumschiffs. Aber Außerirdische, die die Weiten des Alls durchqueren konnten, hatten natürlich Technologien, die uns wie Magie erscheinen mussten, dies war einfach nur ein Beispiel hierfür.

 

Allerdings waren die Außerirdischen nicht perfekt, was der Grund war, dass er sie überhaupt entdecken konnte: Das Raumschiff war vor einem Sonnenfleck vorbeigeflogen. Zwar war es ein relativ heißer Sonnenfleck – während die Temperatur eines Sonnenflecks bis zu 4000 Kelvin absinken konnte, war dieser immer noch 5000 Kelvin heiß –, aber das reichte. Zwar konnte das Raumschiff den Sonnenfleck nicht einmal annähernd abdecken – die ganze Erde hätte mehrfach in diesem Fleck Platz gehabt, dabei war es ein im Verhältnis eher kleiner Sonnenfleck gewesen –, aber der Transit des Raumschiffs vor dem Sonnenfleck hatte dennoch eine zwar kleine, aber messbare Aufhellung verursacht. Sie wäre sicher nicht aufgefallen, wenn er nicht die besten Instrumente, die die Wissenschaft zu bieten hatte, konstant auf die Sonne gerichtet hätte.

Der Transit hatte ihm auch erlaubt, das Emissionsspektrum des Raumschiffs zu messen. Und auch hier hatten die Aliens ganze Arbeit geleistet: Sogar die Fraunhofer-Linien hatten sie imitiert, dunkle Absorptionslinien der in der Sonnenatmosphäre vorhandenen Elemente. Und das in einer unglaublichen Gründlichkeit; Nicht nur die Linien der häufigsten Elemente, Wasserstoff und Helium, waren vorhanden. Gut zu erkennen waren die Doppellinie des Natriums, und Linien von Magnesium, Eisen, und all der anderen Elemente, die ebenfalls in Spuren in der Sonnenatmosphäre enthalten waren.

 

Wenn das Raumschiff also nicht gerade vor einem Sonnenfleck vorbeiflog, gab es keine Chance, es zu entdecken. Zumal es offenbar so starke Triebwerke hatte, dass es nicht den Keplerschen Gesetzen unterworfen war, sonst hätte er es längst über den Sonnenrand fliegen sehen müssen. Immerhin betrug die keplersche Umlaufzeit so nahe an der Sonnenoberfläche nur knapp 3 Stunden. Aber jetzt konnte er beweisen, dass das Raumschiff wirklich da war, nicht nur mit Interpretationen von Radiosignalen, bei denen außer ihm niemand überhaupt geglaubt hatte, dass sie künstlichen Ursprungs waren, Nein, jetzt hatte er harte, wissenschaftliche Messungen, die die Anwesenheit des Raumschiffs eindeutig belegten. Jetzt musste man ihm glauben.



#7 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 9.163 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben Heute, 07:55

Er fragte sich, wie das überhaupt möglich war, die einzige ihm bekannte Methode, das zu erreichen, war, das Raumschiff tatsächlich auf diese Temperatur aufzuheizen, das aber hätte kein Material ausgehalten, geschweige denn die Insassen des Raumschiffs. 

 

Eine sehr schöne Idee, die anregend ist. Allerdings muss ich sagen, ein Satz wie der obere (als Beispiel, es folgen weitere) wirft mich aus dem Lesefluss. Verschachtelt, kompliziert und schon ist man aus der ganzen Geschichte geflogen als Leser. Ich würde da mehrere Sätze draus machen, vielleicht auch ein wenig ausführlicher. So wie der Satz da steht, habe ich am Ende keine Ahnung, worum es überhaupt geht.



#8 Stahlelefant

Stahlelefant

    Mikronaut

  • Mitglieder
  • PIP
  • 39 Beiträge

Geschrieben vor 57 Minuten

Ja, das sind gute Texte, von S-01-D und Tse-Eh. Bei dem Satz:

 

Er fragte sich, wie das überhaupt möglich war, die einzige ihm bekannte Methode, das zu erreichen, war, das Raumschiff tatsächlich auf diese Temperatur aufzuheizen, das aber hätte kein Material ausgehalten, geschweige denn die Insassen des Raumschiffs.

… würde ich sagen, dass das für mein Empfinden noch im Rahmen des Üblichen ist.

 

Empfindlich würde ich eher auf das Plusquamperfekt in „Zwar konnte das Raumschiff den Sonnenfleck nicht einmal annähernd abdecken – die ganze Erde hätte mehrfach in diesem Fleck Platz gehabt, dabei war es ein im Verhältnis eher kleiner Sonnenfleck gewesen –, aber der Transit des Raumschiffs vor dem Sonnenfleck hatte dennoch eine zwar kleine, aber messbare Aufhellung verursacht“ reagieren. Das kommt mir unpassend vor, es hört sich für mich irgendwie so an, als wäre der Fleck schon verschwunden gewesen, als der Transit des Raumschiffs stattfand. Ich würde da eher formulieren: „obwohl es … war“ etc. Aber vielleicht bin ich da überempfindlich.

 

Die wissenschaftlichen Details kann ich nicht alle beurteilen. Gibt es eine Sonnenatmosphäre? Da ist doch immer von der Corona die Rede. Aber vielleicht sind die Begriffe austauschbar.


Nautron respoc lorni virch.


#9 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

  • Mitglieder
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 9.163 Beiträge
  • Geschlecht:männlich

Geschrieben vor 21 Minuten

Laut Wikipedia:

Korona (Sonne) – Wikipedia

 

Zitat:

Die Sonnenkorona (altgriechisch κορώνη korṓnē „Gekrümmtes“, lateinisch corona „Kranz, Krone[1]) ist der Bereich der Atmosphäre der Sonne, der oberhalb der Chromosphäre liegt und im Vergleich zu tiefer liegenden Schichten deutlich geringere Dichten, jedoch höhere Temperaturen aufweist.

 

Sowie hier:

Atmosphäre (Astronomie) – Wikipedia

 

Die Atmosphäre [atmoˈsfɛːrə] (von altgriechisch ἀτμός atmós, deutsch ‚Dampf‘, ‚Dunst‘, ‚Hauch‘ und σφαῖρα sphaira, deutsch ‚Kugel‘) ist die gas­förmige Hülle um größere Himmelskörper – insbesondere um Sterne und Planeten. 

 

 

Ich versuche mir aber gerade ein Raumschiff vor einem Sonnenfleck vorzustellen. Das ist sehr herausfordernd.




Besucher die dieses Thema lesen: 0

Mitglieder: 0, Gäste: 0, unsichtbare Mitglieder: 0