Bevor ich jetzt aushole, muss ich allerdings zugeben, dass ich das Lektorat fast immer zu 100% annehme. In den letzten drei Jahren gab es ein einziges Mal eine Passage bzw. einen Satz, den ich nicht ändern wollte, ansonsten beuge ich mich eigentlich immer dem Urteil. Wie sagte Christoph Grimm mal passend: Wir sind schließlich nicht in einer Schreibwerkstatt.
Hier jeden Verlag zu nennen, der meine Geschichten lektoriert hat, würde wahrscheinlich den Rahmen sprengen, also daher wären meine wichtigsten und positivsten Erfahrungen der letzten drei Jahre (chronologisch geordnet):
Traum3:
Das Lektorat meiner zwei Geschichten dort war an sich nicht schlecht, aber mir ein bisschen zu oberflächlich und zu schnell. Es gab eine Korrekturschleife, die ich interessant fand, allerdings keine weiteren Gespräche. Nachdem ich alle Änderungen eingepflegt hatte, wurde es so auch schon abgedruckt. Später erfuhr ich, dass der Verlag zu diesem Zeitpunkt bereits in seinen letzten Zügen lag, was es vielleicht erklärt. Kann natürlich auch sein, dass ich so ein begnadet guter Autor bin, dass es sonst nichts zu ändern gab ;-)
Totechöpfli:
Hier war es auch eher gering, gefiel mir aber. Wir hatten insgesamt zwei Lektorats- / Diskussionsrunden, die ich gleichermaßen als professionell distanziert und humorvoll freundschaftlich empfunden habe. Im Wesentlichen ging es dabei auch einfach darum, die Aussage gar nicht zu verändern, sondern nur den Text zu glätten und so funktional wie möglich zu machen. Mir gefiel auch, dass man dort ein wenig die Alpenraum-Mentalität lebt, was zumindest für mich die Kommunikation leicht machte.
Münchner Schreiberlinge:
Präzise, aber auch sehr distanziert. Es gab eine Lektoratsphase, in der auch Fragen über Technik und Setting gestellt wurden, aber tiefer ging es nicht. Ich pflegte die Punkte ein, beantwortete alle Fragen und bekam etwas später zwei Autorenexemplare der Anthologie zugeschickt. Kann ich ihnen aber nicht übelnehmen. Bei der enormen Frequenz ihrer Anthologien bleibt wenig Zeit für Small-Talk.
Modern Phantastik:
Das erste und leider letzte Lektorat, das ich dort erhielt, war angenehm und sprach meines Erachtens von Erfahrung: Es ging schnell, die schwierigen Punkte wurden sofort und sehr zielgerichtet gelöst und gestaltete sich aus meiner Sicht auch recht einfühlsam, was die angepeilte Aussage angeht. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die das schon seit Jahrzehnten gemacht hatten und konnte viel lernen.
Chaospony:
Extrem gutes und sehr feinfühliges Lektorat, in dem es auch darum ging, die Vision bzw. den Drive nicht zu verwässern. Autoren, die sich beispielsweise eher kein Blatt vor dem Mund nehmen wollten, wurden darin auch nicht gebremst. Eher wurden solche "Dreistigkeiten" mehr Kontext gesetzt und vielleicht darin ein bisschen abgedämpft. Besonders gefiel mir hier auch, dass sich drei Personen mit den Texten befasst haben, was dem Ganzen etwas "Föderalistisches" gegeben hat. So wurden Witze, die vielleicht nicht so zündeten, nochmal überarbeitet, Übergänge verflüssigt oder Passagen gut geglättet. Vieles fand ich erst später im Austausch mit meinen Anthologiegeschwistern heraus, dennl meine Geschichten dort sind ehrlich gesagt sehr brav gewesen. Meine Sukkubine hat Sex doch eher sehr Vanilla betrachtet, wie man wohl sagen würde. Da gab es jetzt nichts zu Bremsen. Dennoch hatte ich immer das Gefühl, wirklich ernstgenommen und gut begleitet zu werden.
Mir gefiel das Lektorat dort tatsächlich so gut, dass ich bei ihnen gerne einen Fantasyroman veröffentlichen wollen würde, aber im Moment ist ihr Programm voll. In ein paar Jahren vielleicht ...
Elysion Books:
Glatt, aber professionell. Es gab eine Lektoratsrunde, danach noch ein Drüberblicken, ob die abgeänderten Passagen auch passten, was aber genügte. Ich vermute, bei ihnen kombiniert sich einige Erfahrung mit mangelnden Diskussionswillen (vermutlich hatten zu viele Schreiberlinge zu oft widersprochen), was ich jetzt aber nicht als schlimm empfand. Ich mag es durchaus, wenn Verleger sagen, was zu tun ist. Das Verhältnis war höflich und nicht zu distanziert. Man hat sich durchaus ein bisschen Zeit gelassen, aber auch dort ist die Anthologiefrequenz enorm.
Eridanus:
Das Lektorat war dort in meiner Top 3. Zwei Korrekturschleifen folgten nach dem unterschriebenen Autorenvertrag, in denen mir auch gut erklärt wurde, warum man diese oder jene Sache ändern wollte. Ich würde gerne mehr darüber erzählen, aber es war derart präzise, schnell und feinfühlig, dass es keinen Punkt gibt, auf den ich größer eingehen könnte. Ich hatte auch durchweg das Gefühl, dass man dort Science-fiction mag und seine vielen Nuancen zu schätzen weiß. Bei ihnen will ich seitdem unbedingt mal einen Roman veröffentlichen (oder auch zwanzig).
c't Magazin:
Super angenehmes Verhältnis. Mir gefiel sehr, dass man sich per E-Mail mehrere Absätze lang Gedanken zu meinem Werk gemacht hat. Das Lektorat war dann eher direkt. Die Änderungen wurden ohne große Absprache mit mir eingebaut, mir nur einmal vorgezeigt und abgedruckt. Aber: Es waren durchwegs nur gute und sehr passende Korrekturen (und tatsächlich auch nur sehr wenige), also kann ich mich absolut nicht beschweren. Außerdem gab es viel ehrlichen Humor im Austausch.
Lustiger Fakt am Rande: Ich gab meinen Text zuvor an meine öfters mal Co-Autorin Michaela Schrimpf, damit sie einmal drüber liest, und ihr gefiel mein Ende nicht, also änderte sie es ab. Aber weil ich stur gewesen bin, nahm ich ihre Idee nicht an und was macht das Lektorat der c't? Schreibt exakt Wort für Wort Michaelas Ende (also zwei Sätze) ... ohne es gekannt zu haben. Kein Scherz und keine Übertreibung! Wie hoch ist dafür die Chance? Irgendwo zwischen Lottogewinn und Tod durch Meteoriteneinschlag? Lektion wurde jedenfalls gelernt: Ich widerspreche Michaela nicht mehr so schnell.
Nadine Buch:
Kein Verlag im eigentlichen Sinne, sondern nur eine Herausgeberin. Mit ihr machte das Lektorat richtig Spaß. Kennt ihr das, wenn man sich mit dem Lektor oder der Lektorin auf einer Wellenlänge versteht und sich sogar gegenseitig Ideen pitchen kann? Insgesamt gab es zweieinhalb Korrekturschleifen, die sich eher wie gute Gespräche anfühlten. Dabei ging es nicht nur um Grammatik oder vielleicht unverständliche Gedanken, sondern auch um das generelle Ziel des Textes. Und da wir eine Science-fiction-Geschichte für Nicht-Sci-Fi-Leser verpacken mussten, war es interessant, mal die für uns gewohnten Begriffe auf ein alltägliches Niveau umzuwandeln.
Dabei fand ich zudem heraus, dass gar nicht mal so viele Menschen wissen, dass die Sonne auch nur ein Stern ist bzw. die anderen Sterne allesamt Sonnen sind.
WaterProof Coast:
Hier muss ich den Verlag verteidigen, bevor ich am Ende sein Lektorat kritisiere: Mein Bruder und ich haben ihnen eine Geschichte vorgesetzt, die überzieht und überzeichnet, aber sich trotzdem selbst ernstnimmt (das Wort dafür ist: campy) ... und damit ein Thema, an das sich eigentlich niemand mehr heranwagt. Der Lektor von WaterProof ging hierbei faszinierend professionell vor und schon fast chirurgisch genau darauf ein. Dass er bemerkte, dass wir uns stilistisch nach der TV-Serie "Lexx" richteten und man den sehr ernsten Text lieber gar nicht so ernstnehmen sollte, fiel ihm zum Glück auf. Nach zwei Korrekturschleifen waren wir durch, das Verhältnis durchweg freundlich. Vor allem ging es auch hier um Formulierungen, Textfluss und Verständlichkeit.
Hirnkost Verlag:
Ich kann nicht für den ganzen Verlag, sondern nur für das Team um Tessa Maelle sprechen, und das war so richtig gut: Tessa zeigte exakt auf die Passagen, die ihr nicht gefielen und konnte auch perfekt erklären, warum. Wo ich öfters bei anderen das Gefühl hatte, dass hier einfach eine Geschmacksdiskrepanz im Werk wäre, blieb Tessa unglaublich professionell und verbesserte meine beiden Geschichten wirklich enorm, ohne ihnen auch nur ein Gramm von Aussage oder Biss zu kosten.
Und hierzu muss ich sagen, dass ich es ihr gerade mit der zweiten Geschichte nicht leicht gemacht hatte, denn bei dieser habe ich dermaßen übertrieben, als wäre ich wieder 18. Und nicht nur das. Um das perfide Wesen des Necropunk perfekt einzusammeln, tränke ich praktisch jede Seite in Blut. Die Content-Notes müssten länger sein, als die Story selbst ;-) Dass Tessa die Geschichte nicht nur angenommen, sondern auch noch mit ausgesprochen gutem Lektorat gestemmt hat, rechne ich ihr hoch an.
Die Kommunikation war freundlich, inspirierend und mit viel Witz. Ich hatte selten so viel Spaß und konnte wirklich viel aus allem lernen. Für Tessa Maelle würde ich am liebsten jedes Jahr schreiben.
NOVA:
Zuletzt würde ich gerne noch eine Geschichte nennen, die nicht angenommen aber trotzdem professionell behandelt wurde. Kurze Anekdote: Wer schon mal im Marketing eines Medizinunternehmens gearbeitet hat, wird wissen, dass einen dieser Job irgendwann die Seele kostet, wenn man nicht schnell genug abspringt. Weil ich inzwischen die Symptome dafür bemerkte, kündigte ich Ende letzten Jahres ohne einen Ersatz in Aussicht zu haben meinen Beruf und tippte dann zwischen Frust und Zukunftsangst eine Geschichte runter, die ich schon länger mal schreiben wollte. Runtergetippt ist leider das richtige Wort. Ich schickte sie bei NOVA ein und bekam relativ bald die leider sehr verdiente Absage. Als ich allerdings fragte, was ich falsch gemacht hätte (was ich mich bisher noch nie getraut habe), kam eine dermaßen präzise und einfühlsame Analyse von Marianne Labisch, dass ich direkt gerührt wurde. Nicht nur, dass sie die offensichtlichen Schwächen aufzeigte, sondern sie ging sogar auf Fehler ein, die ich mir generell seit Jahren antrainierte. Seitdem habe ich großen Respekt vor ihr.
Und ich merke, dass es Menschen auf intellektuelle Art gut tut, für eine Weile im Ausland zu leben. Solche Leute sehen automatisch alles viel mehr im Kontext, im Gesamtbild. Aber das ist ein Gedanke für ein anderes Mal ;-)
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu viel. Diese drei Jahre waren für mich recht verlagslastig, weshalb ich "nur" die wichtigsten Beispiele aufzeigen wollte.
Bearbeitet von Maxmilian Wust, 23 Januar 2024 - 16:49.