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Kulturgut Buch


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6 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 14 März 2024 - 12:56

Es wird ja immer vo Kulturgut Buch geschrieben. Zu Zeiten als die meisten Menschen gerade erst überhaupt genügend Bildung hatten und Lesen und Schreiben lernten, war es wichtig, das Buch zu fördern.

Heutzutage ist Buch eine Massenware, hergestellt und vertrieben durch die Industrie. Es erscheinen allein in unserem Genre Science Fiction soviele Bücher neu jedes Jahr, unmöglich die alle zu lesen.

 

Trotzdem wird immer von Kulturgut Buch und seiner Förderungswürdigkeit gesprochen. Wie ist euer Standpunkt?

Ist das Buch generell förderwürdig oder sind es nur spezielle Bücher, die aus eurere Sicht förderungswürdig sind und eine Kultur- oder Bildungsauftrag erfüllen? Wie seht ihr die Förderungswürdigkeit bei z.B. Übersetzungsaufträgen?

Und wünscht ihr euch vermehrt Förderungen abseits staatlicher Stellen wie Patreon oder Initiativen wie DSFP und KLP darstellen?


Jahresrückblick 2023
http://defms.blogspo...blick-2023.html

#2 Fermentarius

Fermentarius

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Geschrieben 14 März 2024 - 14:18

Man kann heutzutage leicht den Eindruck bekommen, dass Kultur nur noch existiert, wenn der Staat sie bezahlt. Das halte ich für grundsätzlich falsch. Dabei geht es nicht darum, dass der Staat Kultur nicht fördern sollte, sondern dass Schriftsteller, Regisseure oder bildende Künstler auch lernen müssen, für das Publikum zu arbeiten, nicht nur für eine kleine Gruppe von einflussreichen Kritikern.

Mit den E-Books kostet es kaum noch Geld, sein Buch selbst zu veröffentlichen. Man ist also nicht auf Verlage angewiesen. Die Bücher sind also kein  Industrieprodukt mehr, wenn auch weiterhin Massenware. Selbst die Vermarktung kann man heute selbst übernehmen (bei TikTok, YouTube, Facebook etc.). Deshalb ist heute fast unmöglich, selbst in einem so überschaubaren Bereich wie der SF auch nur einigermaßen die Ãœbersicht zu bewahren. Und machen wir uns nichts vor: Das wird sich nicht ändern. Förderung ist als nicht mehr nötig, um ein Buch zu veröffentlichen. 

Und man gibt man die Definition, was Kultur ist, notwendigerweise an den Sponsor ab. Im Extremfall gilt dann: Nur das ist Kultur, was der Staat fördert. Damit bin ich wiederum nicht einverstanden. Dem deutschen Film ist immer wieder vorgeworfen worden, viele Projekte nur an der Filmförderung zu orientieren. Für die Filme interessiert sich dann kaum jemand. Sie laufen maximal in Programmkinos oder gleich auf DVD, während in Hollywood sowohl Kunst als auch Gewinn gemacht wird.

Unter dem Strich habe ich den Eindruck, dass staatliche Kulturförderung bei Bücher angesichts der geringen Kosten für die Veröffentlichung nur noch wenig bewirken kann. Sie monopolisiert eher die Definition, was Kunst ist. Und das wiederum möchte ich doch selbst entscheiden.



#3 Christian Hornstein

Christian Hornstein

    Biblionaut

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Geschrieben 14 März 2024 - 15:20

Ich nehme jetzt mal Kulturgut im Sinne einer Lebensäußerung, die von einer Gesellschaft hervorgebracht wurde, und die nicht nur eine direkte Konsequenz von Reflexen und Instinkten ist. In diesem Sinne sind alle Bücher ein Kulturgut. Einige würde ich auch als Kunst bezeichnen (ohne Kunst jetzt definieren zu wollen). Ob bestimmte Buchprojekte finanziell einer Förderung würdig wären, die über deren unmittelbaren Nachfrage auf dem Büchermarkt hinausgeht, hinge davon ab, welche Ziele eine Gesellschaft verfolgt. Ziele, die ich sinnvoll finde, sind z.B. die Aufrechterhaltung des Mediums (sprachlich-schriftliche Kommunikation), die Ermutigung des schriftstellerischen Nachwuches und die Verbreitung wenig wahrgenommener, aber bedeutungsvoller Ansichten. Hier wären mir fast alle finanzielle Quellen, welcher Art auch immer, willkommen. Aber die Ressourcen unserer Gesellschaft sind natürlich begrenzt und es gibt noch andere förderungswürdige Anliegen als das Buch.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 14 März 2024 - 15:23.


#4 rostig

rostig

    Temponaut

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Geschrieben 14 März 2024 - 15:57

Versuchen wir eine Definition. Kultur = die Summe der geistigen Leistungen einer Gemeinschaft intelligenter Wesen die über den direkten Überlebenszweck hinaus geht ; also z.B. Wissenschaften, bildende Kunst, Theater, Musik, Kochkunst, Literatur, Philosophie oder Architektur, aber auch Spielzeug, Fernsehserien, Sport oder Religion. Diese Kultur muss entweder massentauglich (verkäuflich) sein wie z.B. Religionen aller Art, das Theater Shakespeares und die Fussballbundesliga oder es braucht Sponsoren, die in Forschung, Opern oder Malerei investieren / subventionieren. Das führt zur Frage der Unabhängigkeit / Freiheit von Kultur insb. wenn die spezifische Kulturform ohne Subvention nicht existenzfähig wäre, z.B. Opern oder Grundlagenforschung. Jeder Sponsor ob privat oder institutionell verfolgt spezifische Ziele wie Bildung, eigene Unsterblichkeit oder Beeinflussung von Menschengruppen. Insofern ist jede Subvention kritisch zu hinterfragen. Fraglich sind für mich auch Ziele wie "Erhalt des Mediums" (Keilschrifttafeln und Floppy Disks sind zu Recht nicht mehr in Gebrauch), "Verbreitung bedeutungsvoller Ansichten" (das sieht jeder anders, auch die "Erde ist eine Scheibe - Theorie" oder "Trump ist ein Gott" werden gern verbreitet) oder "kulturelles Erbe" (gern genommen zur Erklärung der Opernförderung; ist Wagner wirklich unser Erbe?).



#5 Christian Hornstein

Christian Hornstein

    Biblionaut

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Geschrieben 17 März 2024 - 11:32

@rostig

Deine Defintion von Kultur ist für mich vielleicht ein klein wenig zu eng, weil ich z.B. auch Werkzeuge oder Waffen darunter zählen würde, die unmittelbar dem Überleben dienen sollen.

 

Unabhängig wird die Produktion von Kultur nie sein, denn sie braucht ja Ressourcen. Wir können nur überlegen, welche Quellen weniger problematisch wären als andere. Das wird von der Gesellschaftsform abhängen. Da müssten wir vielleicht spezifisch werden und uns auf den einen oder andere Fall festlegen, z.B. unsere heutige Gesellschaft.

 

Mit Aufrechterhaltung des Mediums meinte ich nicht die materielle Grundlage, sondern die sprachlich-schriftliche Kommunikation, auch wenn ich durchaus dafür wäre, Dinge wie Floppy-Disks oder alte Rechenmaschienen vereinzelt aufzuheben. Ich glaube, wenn wir diese Art der Kommunikation verlieren würden, z.B. weil wir nur noch Hörbücher, Podcasts, Filme usw. nutzen, käme uns etwas wichtiges abhanden, aber auch darüber lässt sich bestimmt diskutieren.

 

Du meinst, es sei relativ, was wir als bedeutungsvolle Ansicht ansehen, und da stimme ich Dir natürlich zu. Das Ziel, Ansichten, die für bedeutungsvoll angesehen werden, zu verbreiten, halte ich allerdings dennoch für sinnvoll. In einer freien Gesellschaft wird es verschiedene Parteien geben, die verschiedenes für bedeutungsvoll halten, und die dann mit ihren Ressourcen die Verbreitung der entsprechenden Ansichten unterstützen werden. Dass es dennoch eines Konsenses bedarf darüber, was definitiv schädlich für die Gesellschaft wäre und nicht verbreitet werden sollte, ist für mich selbstverständlich.

 

Die Werke von Wagner und dergleichen würde ich schon als Hinterlassenschaft unserer Ahnen ansehen, die Deiner Definition von Kultur entspräche. Ob wir sie erhalten möchten ist eine Wertentscheidung. Ich persönlich würde sagen: wenn möglich, ja. Denn sie sind ja zumindest historisch interessant und dienen unserer Reflektion über uns selbst als Art und unserem Werdegang als solche. Alte Werke sind z.B. oft eine Fundgrube für Ansichten, die wir heute als sexistisch oder rassistisch empfinden, was uns vieles über unsere Art zu denken, unsere Wahrnehmung und andere interessante Aspekte unserer Kulturen sagt.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 17 März 2024 - 11:35.


#6 Helge

Helge

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Geschrieben 17 März 2024 - 13:49


Trotzdem wird immer von Kulturgut Buch und seiner Förderungswürdigkeit gesprochen. Wie ist euer Standpunkt?

Ist das Buch generell förderwürdig oder sind es nur spezielle Bücher, die aus eurere Sicht förderungswürdig sind und eine Kultur- oder Bildungsauftrag erfüllen? Wie seht ihr die Förderungswürdigkeit bei z.B. Übersetzungsaufträgen?

Förderungswürdigkeit - das ist gerade in Sachen Kultur ein ganz und gar problematischer Begriff. Wenn es um die Entwicklung von Wissenschaft oder Technologie geht, ist klar, dass sich nicht alles von Anfang an bezahlt machen kann, so dass es sinnvoll ist, gelegentlich in bestimmte Entwicklungen Geld hineinzustecken.

Wenn sich allerdings Kultur nicht bezahlt macht, dann bedeutet das nichts anderes, als dass die betreffende Kultur den Menschen eben nicht genügend wert ist, dass sie sich bezahlt machen würde. Und was kaum jemand will, ist eben gerade keiner Förderung würdig. Anders sieht die Sache aus, wenn man aus der Gesamtgesellschaft Teile herausnimmt und Clubs, Fandoms usw. ihr spezielles Interesse fördern - wobei ich das nicht wirklich als eine Förderung ansehen würde, sondern letztlich als eine Finanzierung eigener Interessen bzw. Hobbys.
 


Bearbeitet von Helge, 17 März 2024 - 13:50.


#7 Nina

Nina

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Geschrieben 17 März 2024 - 15:25

Förderungswürdigkeit - das ist gerade in Sachen Kultur ein ganz und gar problematischer Begriff. Wenn es um die Entwicklung von Wissenschaft oder Technologie geht, ist klar, dass sich nicht alles von Anfang an bezahlt machen kann, so dass es sinnvoll ist, gelegentlich in bestimmte Entwicklungen Geld hineinzustecken.

 

Hieß es nicht mal "Brot und Spiele"? Sind Bürger denn nicht unzufrieden, wenn nur die Grundbedürfnisse gestillt werden, aber die Unterhaltung fehlt? Muss beispielsweise die Raumfahrt in einem fort praktische Dinge für den Haushalt wie Alufolie produzieren oder ist jemand auch einfach nur stolz, was man als Gemeinschaft erreicht, nämlich in den Weltraum vorzudringen und Interessantes zu entdecken? Förderungswürdigkeit - das ist gerade in Sachen Kultur ein ganz und gar problematischer Begriff. Wenn es um die Entwicklung von Wissenschaft oder Technologie geht, ist klar, dass sich nicht alles von Anfang an bezahlt machen kann, so dass es sinnvoll ist, gelegentlich in bestimmte Entwicklungen Geld hineinzustecken.

 

 

 

Wenn sich allerdings Kultur nicht bezahlt macht, dann bedeutet das nichts anderes, als dass die betreffende Kultur den Menschen eben nicht genügend wert ist, dass sie sich bezahlt machen würde. Und was kaum jemand will, ist eben gerade keiner Förderung würdig. Anders sieht die Sache aus, wenn man aus der Gesamtgesellschaft Teile herausnimmt und Clubs, Fandoms usw. ihr spezielles Interesse fördern - wobei ich das nicht wirklich als eine Förderung ansehen würde, sondern letztlich als eine Finanzierung eigener Interessen bzw. Hobbys.

Es ist auch immer die Frage, was man von dem, was man bezahlen kann, wie verteilt. Und wie sehr einen anderen Leute bezahlen. Ich selbst hatte in der Vergangenheit schon enorme Schwierigkeiten, ja, dass Cover- und Webdesign oder Lektorat bezahlt sein möchte, keine Frage. Aber dann darf man als freischaffender Webdesigner eben nicht am unteren Ende der Nahrungskette, bei der unbezahlten Kurzgeschichtenautorin anfragen. Da ist es klar, dass ich ablehne! Weil über das Schreiben kann ich das nicht finanzieren.

Ich würde mir ja eine eigene "Fan-Währung" wünschen, also so ein Konzept, wo jeder mal sagen wir mal 20 Euro einzahlt, dafür seine "Fan-Euros" bekommt und die Mitfans in der Phantastikszene für Dienstleistungen anbieten kann. Also z.B. mir gibt wer was fürs Korrekturlesen, ich geb wem anderen, um meine Website aufzuhübschen, der gibt wem, um bei seiner Veranstaltung zu helfen, der gibt wem, um sich ein Buchcover für seinen Self-Publishing-Roman erstellen zu lassen, und das läuft kreuz und quer, jeder kriegt, was er braucht und zahlt in der internen Währung.

 

Leider ist das natürlich eine Utopie, es gab schon verschiedene Versuche, so etwas regional aufzubauen (mit Kochen, Hausarbeitshilfe, Kleinreperaturen, Gartenarbeiten, Nachhilfe etc.), aber das ist immer sehr schnell kollabiert. 




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