Erfolgsautor Simmel: Warum veralten viele Romane so schnell?
#1
Geschrieben 07 April 2024 - 18:15
https://www.br.de/na...schnell,U8rsJsh
http://defms.blogspo...blick-2023.html
#2
Geschrieben 07 April 2024 - 18:56
Die im Artikel angesprochenen These, Günter Grass und Hans Fallada könnte es ähnlich ergehen, möchte ich wiedersprechen. „Die Blechtrommel“ und „Kleiner Mann, was nun“ waren natürlich Pflichtlektüre in der Schule. Mit beiden Autoren - insbesondere Fallada mit „Wolf unter Wölfen“, „Der eiserne Gustav“ oder die leichtfüßigen Jugendschwänke „Damals, bei uns daheim“ (sicher das „vergessenswerteste“ Werk) - habe ich mich darüberhinausgehend beschäftigt. Dito Dürrenmatt, Ottfried Preussler, Patrick Süskind. Bertholt Brecht hingegen … ach, lassen wir das .
Diese Werke haben mich angesprochen. Ich erkannte meine Lebensrealität in einem anderen Kontext wieder oder wurde zum Nachdenken angeregt.
Kurz: Zeitlose Themen, eine gewisse Tiefe und idealerweise ein gutes Handwerk lassen Werke trotz Patina etwas länger leben bzw. haben bessere Chancen, ein neues Publikum anzusprechen.
Bearbeitet von ChristophGrimm, 07 April 2024 - 18:59.
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#3
Geschrieben 07 April 2024 - 19:09
Simmel und Konsalik standen bei meinen Eltern, Großeltern und gefühlt jedem Erwachsenen im Regal (80er/90er) und wirkten damals schon altbacken auf mich. Hatte mich nie gereizt, da mal reinzulesen.
Mein Blog: http://translateordie.wordpress.com/ Meine Buchbesprechungen: http://lesenswelt.de/
#4
Geschrieben 07 April 2024 - 19:40
Meine Eltern hatten auch Konsalik und Simmel. Gibt es von Konsalik und Simmel Romane, die man gelesen haben muss?
#5
Geschrieben 07 April 2024 - 20:28
Na ja, war Simmel nicht damals als "Schund" klassifiziert? - Klar, man hatte die Romane, aber nicht unbedingt neben der Goethe-Gesamtausgabe. Also was soll dann da ein "bleibender Wert" sein, wenn es damals schon nicht als wertvoll angesehen wurde?
#6
Geschrieben 07 April 2024 - 20:50
Na ja, war Simmel nicht damals als "Schund" klassifiziert? - Klar, man hatte die Romane, aber nicht unbedingt neben der Goethe-Gesamtausgabe. Also was soll dann da ein "bleibender Wert" sein, wenn es damals schon nicht als wertvoll angesehen wurde?
Naja, Schund ...
Es muss nicht immer Kaviar sein
Und Jimmy ging zum Regenbogen
Niemand ist eine Insel
Doch mit den Clowns kamen die Tränen
Ist mit Goethe gewiss nicht zu vergleichen, aber wer ist das schon ...
Gelesen habe ich nur die Clowns, weil ich mit seinem Stil nicht so klar kam. Eine biologische Waffe außer Kontrolle, ein Virus, das den Willen bricht, wenn ich mich recht erinnere.
#7
Geschrieben 07 April 2024 - 20:58
Bei mir war das schon so was out. Ich mache mir aber Sorgen: Im Regal meiner Eltern steht "Die Affaire der Nina B." - tja. Ich hoffe, mein Name ist weiser zustande gekommen.
#8
Geschrieben 07 April 2024 - 21:12
Das Phänomen gibt es immer wieder. Wilhelm Raabe etwa könnte davon ein Lied singen. Oder Karl Gutzkow. Autoren, die in ihrer Hauptschaffensphase in ganz Deutschland berühmt waren.
Ich vermute, dass es mit literarischen Größen so ist wie mit Freundschaften, es kann immer nur eine begrenzte Zahl davon geben.
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
Moderator im Unterforum Fantasyguide
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Saramee
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#9
Geschrieben 07 April 2024 - 21:20
Bearbeitet von ThK, 07 April 2024 - 21:27.
#10
Geschrieben 07 April 2024 - 21:26
Das Phänomen gibt es immer wieder. Wilhelm Raabe etwa könnte davon ein Lied singen. Oder Karl Gutzkow. Autoren, die in ihrer Hauptschaffensphase in ganz Deutschland berühmt waren.
Ich vermute, dass es mit literarischen Größen so ist wie mit Freundschaften, es kann immer nur eine begrenzte Zahl davon geben.
Und es hat auch was mit dem Alter zu tun. Jeder weiß, dass es Kinderbücher gibt. Aber informell gibt es auch Bücher, die man erst dann liest, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat (was liest eine 16jährige einen Liebesroman, wo es um eine geschiedene Frau 40+ geht?) Und es gibt viele Bücher, wenn man nicht in entsprechendem Alter "abgeholt" wird, dann wird man das oft niemals.
Simmel hat wohl nie die ganz Jungen angesprochen, wobei man früher auch früher - erstaunlicherweise trotz späterer Volljährigkeit - die Erwachsenenrolle ausgefüllt hat, mit Berufstätigkeit, Familie etc.
#11
Geschrieben 07 April 2024 - 21:30
Simmel wurde vor allem VERSCHENKT. Noch heute füllt er Tante Elses Regal. Tante Else, die nie beim Lesen beobachtet wurde. Selbiges gilt für Konsalik.
Das ist die Lösung. Klingt für mich völlig logisch. Die Verschenk-Lemminge sind der Erfolgsgarant.
http://defms.blogspo...blick-2023.html
#12
Geschrieben 07 April 2024 - 21:37
Simmel wurde vor allem VERSCHENKT. Noch heute füllt er Tante Elses Regal. Tante Else, die nie beim Lesen beobachtet wurde. Selbiges gilt für Konsalik.
Tut mir Leid, aber das ist Quatsch. Die beiden wurden sehr wohl gelesen.
#13
Geschrieben 07 April 2024 - 21:50
Tut mir Leid, aber das ist Quatsch. Die beiden wurden sehr wohl gelesen.
Ja, es ist erschütternd. Es gab Leute, die ihre Zeit mit dem Plunder vertrödelt haben.
#14
Geschrieben 07 April 2024 - 22:03
Ja, es ist erschütternd. Es gab Leute, die ihre Zeit mit dem Plunder vertrödelt haben.
Die Leute haben einfach gelesen, was sie wollten. Ohne um Erlaubnis zu fragen. Erschütternd.
#15
Geschrieben 07 April 2024 - 22:19
Für mich als Neu-BRDler waren sowohl Simmel als auch Konsalik nur Namen. Ich wusste, dass es erfolgreiche Autoren waren, aber thematisch interessierten sie mich nicht.
Ich hab dann Böll gelesen. Dem ereilt meiner Meinung nach ein ähnliches Schicksal. Er war für die frühe BRD extrem wichtig und ist inzwischen für jüngere Generationen irrelevant.
Und so wird es auch Wallraff, Grass und Walser ergehen, meiner Meinung nach.
Allein die Blechtrommel wird überleben, des Films wegen.
Und so ergeht es im übrigen auch Heym, Christa Wolf und selbst Heiner Müller, damit es nicht ganz so BRD-lastig ist.
Die Gegenwart sehe ich noch düsterer.
Deutschland hat derzeit keine großen Literat·innen, die auch in hundert Jahren noch bekannt sind. Phantastik inklusive. Obwohl ich es Aiki Mira, Dietmar Dath und Michael Marrak wünsche.
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#16
Geschrieben 08 April 2024 - 07:31
Mir geht es wie den Meisten (meiner Generation): Für mich ist das ein Name wie Konsalik. Der steht in irgendwelchen dunklen Eichenschränken der Großtante rum, aber ich hab nie eines der Bücher auch nur aufgeschlagen. Bis zu diesem Thread wusste ich auch gar nicht, dass Simmel aus Wien kommt (was bei einem kleinen Land wie Österreich eher selten ist; normalerweise sorgt der Minderwertigkeitskomplex dafür, heimische Künstler und Künstlerinnen zu beweihräuchern.)
Zur Verteidigung von Simmel: Die meisten erfolgreichen Autoren und Autorinnen werden schnell wieder vergessen. Es bleiben eben nur die übrig, die man irgendwann "Klassiker" nennt. Wenn wir auf die Jahresbestsellerliste des Spiegels der vergangenen Jahre schauen... das meiste wird unseren Kindern nichts mehr sagen. Auch nicht jene Autorinnen und Autoren, die der Reihe nach Bestseller raushauen.
#17
Geschrieben 08 April 2024 - 08:18
Ich kenne Simmels Werke auch nur aus dem Bücherregal meiner Eltern und aus vielen despektierlichen Äußerungen von Feuilleton-Rezensenten.
Wobei meine Eltern durchaus keine Simmel-Fans waren (ich glaube, sie haben die meisten seiner Bücher nicht einmal gelesen), sondern sie waren über 20 Jahre Mitglied im Deutschen Bücherbund. Das funktionierte ähnlich wie Bertelsmanns Buchclub. Jedes Quartal bekam man einen Katalog zugeschickt mit einem umfassenden Angebot an Sonderausgaben halb-aktueller und klassischer Bücher, Schallplatten aber auch etwas anderem Tinneff. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt musste man daraus für einen Mindestbetrag Einkäufe tätigen. Versäumte man die Frist, bekam man unaufgefordert den jeweiligen Quartals-"Hauptvorschlagsband" zugeschickt, den man dann behalten und bezahlen musste. Ja, und relativ häufig war dieser Hauptvorschlagsband der neueste Simmel.
Meine Eltern hatten auf jeden Fall den "Kaviar" und den "Jimmy", aber sicher noch den einen oder anderen Roman im Regal stehen. Ich habe mal in den "Kaviar" reingeschömökert. Die Einbindung durchaus anspruchsvoller Rezepte fand ich damals reizvoll.
Simmel hat sich selbst darüber amüsiert, dass er nach langem Dasein als Schund-Autor mit "Doch mit den Clowns kamen die Tränen" plötzlich zum Gewissen der Nation hochstilisiert wurde. Aber der Hype hielt auch nicht lange.
Gelesen haben MUSS man sicherlich weder was von Konsalik noch von Simmel. Höchstens, wenn man im Germanistik-Studium eine Hausarbeit über "Deutsche Trivialliteratur der 60er- und 70er-Jahre" schreiben will/muss.
Ich werde aber irgendwann doch einmal in ausgewählte Werke der beiden reinlesen, weil sie während meiner Kindheit und Jugend in allen Wohnzimmern omnipräsent und sicherlich allein dadurch wirkmächtig waren. Mein Großonkel hat z.B. seine Kriegserfahrungen mit Hilfe von Konsalik verarbeitet.
@Nina: Bei meinen Eltern standen die Simmels nicht allzu weit entfernt von der (ebenfalls weitgehend ungelesenen) Goethe-Gesamtausgabe. Vielleicht nicht im selben Regalfach, weil die Umschläge nicht zueinander passten. Aber auf jeden Fall in benachbarten Fächern.
Gruß
Ralf
PS: Den BR-Artikel finde ich nicht sonderlich gelungen. Der Autor hat mE wenig Ahnung von den Autoren jener Zeit.
Bearbeitet von ShockWaveRider, 08 April 2024 - 08:25.
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#18
Geschrieben 08 April 2024 - 08:51
...Deutschland hat derzeit keine großen Literat·innen, die auch in hundert Jahren noch bekannt sind. Phantastik inklusive. Obwohl ich es Aiki Mira, Dietmar Dath und Michael Marrak wünsche.
Du erlaubst, dass ich weiter greife: ich wünsche es Allen, aber nur Wenigen scheint es gegeben zu sein.
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#19
Geschrieben 08 April 2024 - 09:01
Man liest in 100 Jahren noch "Tschick". Davon bin ich überzeugt.
#20
Geschrieben 08 April 2024 - 09:02
Deutschland hat derzeit keine großen Literat·innen, die auch in hundert Jahren noch bekannt sind. Phantastik inklusive. Obwohl ich es Aiki Mira, Dietmar Dath und Michael Marrak wünsche.
Da werfe ich Walter Moers ein. Drei, vier seiner Bücher werden auch noch in vielen Jahrzehnten gelesen und geschätzt werden (sofern in Zukunft noch gelesen wird).
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#21
Geschrieben 08 April 2024 - 12:23
Simmel und vor allem Konsalik sind für mich der Inbegriff niedrigerer Trivialliteratur mit verstaubten Weltbildern. Wobei Simmel immer wieder seine Momente hatte.
Da werfe ich Walter Moers ein. Drei, vier seiner Bücher werden auch noch in vielen Jahrzehnten gelesen und geschätzt werden (sofern in Zukunft noch gelesen wird).
aber hallo!
Es wird nur immer so sein, dass es Haushalte gibt, in denen Literatur geschätzt wird, und Andere.
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#22
Geschrieben 08 April 2024 - 13:21
Viele Autoren und Musiker sind vergessen. Wer kennt die Nobelpreisträger der Literatur?
#23
Geschrieben 08 April 2024 - 18:30
Ich habe noch nie etwas von Simmel oder Konsalik gelesen, was vor allem daran liegt, dass die beiden keine Fantastik geschrieben haben, nicht so richtig jedenfalls.
Wenn Bücher schnell veralten, liegt das daran, dass sie gar zu sehr in ihrer Zeit verankert sind. Sie handeln in dieser Zeit, folgen den zeitgeistigen Gedankengängen und sprechen die zeitgeistige Sprache; es fehlt ihnen an Eigenständigkeit. Am haltbarsten sind wohl jene Bücher, die zur Zeit ihrer Erstveröffentlichung schon exotisch wirken. Beispielsweise wird Andreas Eschbachs "Die Haarteppichknüpfer" kaum jemals veraltet wirken.
#24
Geschrieben 10 April 2024 - 15:34
Ich habe sowohl von Simmel als auch von Konsalik Romane gelesen.
Beide Autoren sind tot, und somit kann kein neues Werk von ihnen in den Buchhandlungen oder auf der Bestsellerliste stehen. Sobald das nicht mehr stattfindet, setzt das Vergessen ein.
Was verleiht Büchern bleibenden Wert?
Alles, was sie im Gespräch und in der öffentlichen Aufmerksamkeit hält. Verfilmungen, zum Beispiel.
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#25
Geschrieben 10 April 2024 - 18:55
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#26
Geschrieben 10 April 2024 - 23:22
Schund, Plunder, niedrigere Trivialliteratur? Ich wundere mich. Simmel verkaufte Millionen Bücher. Keine Anerkennung dafür? Es war trivial oft, es war Unterhaltung. Und es war Literatur der jeweiligen Zeit. Aber viele Science Fiction ist das auch.
Viele Autoren und Musiker sind vergessen. Wer kennt die Nobelpreisträger der Literatur?
Schund und Plunder sind Deine Worte, bei niedrigerer Trivialliteratur mit verstaubten Rollenbildern bleibe ich.
SF war immer schon gehobenere Trivialliteratur, in ihren Sternstunden (sic!) sogar stilprägend auch für andere Literaturgattungen. Aus den Zeiten, in denen sie als Schund angesehen wurde, hat sich die SF längst emanzipiert.
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#27
Geschrieben 11 April 2024 - 06:51
"Es muss nicht immer Kaviar sein" enthält immerhin auch ein paar Kochrezepte, wenn ich mich richtig erinnere. Das Buch habe ich tatsächlich gern gelesen.
Konsalik ist mir vor allem im Urlaub begegnet. Mir ging wie immer viel zu schnell der Lesestoff aus (Platzproblem im Urlaubskoffer*), und in den Bücherständern vor Ort - Kärnten oder Mittelmeerraum - gab's dann entweder Konsalik oder Konsalik. Aus lauter Verzweiflung habe ich dann lieber ein englisches Buch gekauft und mich durchgekämpft. (Das war "Spellsinger" von A.D.Foster.)
Aber zum Thema: Warum veralten Romane?
Die Sprache kann ungewohnt, gar befremdlich auf den zeitgenössischen Leser wirken - was sowohl für den erzählenden Text als auch für die direkte Rede gelten kann. (Das Problem haben Neuübersetzungen fremdsprachlicher Texte weniger - Übersetzer schreiben meist in der Sprache ihrer Zeit.) Wer von euch weiß spontan, was ein "Heimchen" ist?
Das Sujet kann überholt sein. Wenn ein Buch versucht, dem Zeitgeist zu folgen und das Leben der Zeit zu schildern, dann hat dieser Bezug ein Verfallsdatum. Wenn das Buch nicht aus anderen Gründen interessant bleibt, brauche ich keine Schilderung der Lebensumstände der 60er oder gar aus dem vorvorigen Jahrhundert.
Die Sprache kann zu kompliziert oder die Geschichte zu langatmig sein. Wer hat noch die Geduld, zweihundert Seiten über ein Frühstück zu lesen? (Na gut, Diana Gabaldon wird trotzdem gelesen.) Die Sätze können für den Leser von heute zu lang sein.
Als ich vor einigen Jahren – wie lange es genau her ist, tut wenig zur Sache – so gut wie nichts in der Tasche hatte und von einem weiteren Aufenthalt auf dem Lande nichts mehr wissen wollte, kam ich auf den Gedanken, ein wenig zur See zu fahren, um die Welt des Meeres kennenzulernen.
52 Worte im allerersten Satz!
Der Umgang der Akteure miteinander kann veraltet sein, vor allem der Umgang mit Frauen. Was mir spontan einfällt, ist das "Bond-Girl" - auch wenn manche der Rollen abgesehen vom Umgang mit dem Hauptdarsteller durchaus emanzipiert für ihre Zeit waren. Trotzdem - so würde man sie heute nicht mehr beschreiben. (Bei Historienromanen ist das wieder anders, aber darum geht es mir nicht.)
Zurück zu Simmel und Kosalik: je mehr man spezifisch für einen Markttrend schreibt, dem Zeitgeist folgt, versucht, "aktuell" zu sein, desto schlechter dürften die Geschichten altern. Ein Problem, das die SF Zukunftsliteratur oder Fantasy seltener hat, da sie sowieso versucht, eine fremde Zeit zu beschreiben.
Anders herum funktionieren manche Geschichten auch heute noch - Edgar Allan Poe, Charles Dickens, Alexandre Dumas, Mary Shelley, James F. Cooper - allerdings wünscht man sich auch hier eine moderne Übersetzung, keine zeitgenössische. Die erzählte Geschichte bleibt spannend.
Ich habe vor langer Zeit - aus Verzweiflung - auch mal einen Balzac aus dem Regal meiner Oma genommen. Das ging, aber gekauft hätte ich ihn mir wohl eher nicht.
Zusammenfassend möchte ich Geschichte und Sprache trennen, weil beides verschieden gut altern kann.
(*Dank e-Books ist es heute kein Problem, in der Hotel-Lobby mal eben "The Complete Wheel of Time" herunterzuladen. Das reicht für eine Weile.)
Bearbeitet von Valerie J. Long, 11 April 2024 - 06:53.
#28
Geschrieben 12 April 2024 - 20:15
Und so wird es auch Wallraff, Grass und Walser ergehen, meiner Meinung nach.
Allein die Blechtrommel wird überleben, des Films wegen.
Ich hatte anno dazumals Grass als Maturathema. Wir mussten da drei Bücher aus einer Liste aussuchen und dann - uff, so dicke nimmst Du Dir? "Die Rättin" war aber immerhin so was wie SF. Aber das war natürlich ein Wandel vom Skandalautor zur Schullektüre. Von Schullektüre zu ewigem Klassiker? - Vielleicht.
Aber Simmel ist jedenfalls so ein Modeding gewesen. Wobei eine lustige Sache: Ich habe mal an einem Flughafen nach dem BuCon mit einem Mitfan diskutiert. Ich: "Ach komm, klar ich kenn den, aber der ist nicht wirklich berühmt, den kennen halt die Leute in der SF-Szene!" und dann kam die Frage auf, ab wann es denn ein Autor wirklich geschafft hat. Und ich meinte: "Na wenn es einen Witz über ihn gibt, den normale Leute wie meine Mama verstehen." - Tja, und so kam es dann zu einer Erzählrunde mit Simmel und dem Flaschengeist. Der Witz ist ... na ja, nicht gut, kann aber mit entsprechender Ausschmückung doch ganz lustig sein.
#29
Geschrieben 13 April 2024 - 09:10
Konsalik ist furchtbar. Zwei habe ich angefangen und entnervt abgebrochen:
http://defms.blogspo...von-arreau.html
Ich will deiner Grundaussage "Konsalik ist furchtbar." keineswegs widersprechen.
Aber diese Aussage nur an zwei Heftromanen festzumachen, halte ich für etwas dürftig.
Immerhin hat Konsalik etwa 150 Romane mit mehr als 300 Seiten Umfang geschrieben.
Die schiere Länge erlaubt ihm da schon andere erzählerische Freiheiten. Von den inhaltlichen und formalen Vorgaben bei Heftromanreihen mal ganz abgesehen.
Gruß
Ralf,
hätte nie gedacht, daß er mal faire Behandlung für Konsalik fordern würde
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#30
Geschrieben 13 April 2024 - 09:27
Ich habe "Niemand ist eine Insel" gleich mehrmals gelesen und ich mag das Buch immer noch.
Ich mochte auch "Das Tal der Puppen", das von King in seinem Buch übers Schreiben verrissen wurde. ;-)
Wenn ich ältere Titel lese, bin ich mir darüber im Klaren, dass sie in einer anderen Zeit spielen und ich persönlich mag das sowohl bei Simmel als auch bei Zola oder Dickens. Ich kann in diese alten Zeiten eintauchen, wenn die Sprache authentisch bleibt. Wollten wir die alten Stoffe ins Heute übertragen, müssten wir nicht nur die Sprache, sondern meistens auch die ganze Handlung ändern, denn früher war das Leben einfach anders als heute. Früher fühlte eine Frau sich wahrgenommen, wenn man ihr in den Mantel half, ihr die Tür aufhielt oder den Stuhl zurecht rückte. Früher gab es in London Kinder, die auf den Straßen lebten und froh waren, nicht im Waisenhaus zu landen. Es gab Prostituierte in Paris, denen es finanziell gut ging, solange sie jung und hübsch waren. Wir können das alles nicht ändern, indem wir Sprache "korrigieren" oder anpassen, insofern halte ich das nicht nur für überflüssig, sondern spreche mich deutlich dagegen aus.
Die U gegen E Debatte wird immer wieder geführt und ich mag sie nicht besonders, weil oft so getan wird, als sei Unterhaltungsliteratur minderwertig und eigentlich keine klar definierten Grenzen allgemein gültig wären. Für den einen sind prinzipiell alle Horrorromane trivial, für den anderen nur die Heftchen, wieder andere fühlen sich durch E-Literatur nicht unterhalten oder verdammen prinzipiell lange Sätze.
Wir sollten lesen, was uns gefällt, egal wie andere es womöglich einsortiert haben.
(Ich mochte z. B. "Das Parfüm" als Roman überhaupt nicht, obwohl es allgemein so gut ankam. Am liebsten hätte ich das Buch an die Wand geklatscht, als ich mich bis zum Ende durchgekämpft hatte.)
Wer wenig denkt, irrt viel (Leonardo da Vinci)
Meinungsverschiedenheiten über ein Kunstwerk beweisen, dass das Werk neu, komplex und lebenswichtig ist. (Oscar Wilde)
Wenn Kritiker uneins sind, befindet sich der Künstler im Einklang mit sich selbst. (Oscar Wilde)
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