Ganz subjektiv mache ich „Veralten“ (nicht zu verwechseln mit „In Vergessenheit geraten“) daran fest, dass die entsprechenden Werke mir nichts mehr bzw. zu wenig geben.
Zwei Giganten der kriminalistischen Unterhaltungsliteratur - Sir Arthur Conan Doyle und Agatha Christie - begeistern mich durch knifflige Rätsel, gut konzipierte Hauptcharaktere, einen gefälligen Erzählstil und Humor. Beide beweisen einen guten Blick für das menschliche Wesen und profitieren von dem Umstand, dass Verbrechen in ihrer Ausführung und ihrer Motivation bis heute die Menschheitsgeschichte bestimmen. (Anthony Horowitz brachte es in „Ein perfider Plan“ - dem ich eine gewisse Langlebigkeit zutraue - auf den Punkt: „Es gibt eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten, einen Mord auszuführen, und eine begrenzte Anzahl an Gründen, überhaupt einen Mord zu begehen.“)
Die Werke von Christie und Doyle haben eine meterdicke Patina, aus heutigem Blickwinkel problematische Stellen und (gerade Doyle) ein eher langsames Erzähltempo. Dennoch kann ich das wegen der obigen Stärken verzeihen bzw. werde als Jahrgang 1985 trotzdem angesprochen.
Die Konstruktion der bekanntesten Hauptcharaktere - Holmes/Watson, Poirot/Marple - ist zudem durch prägnante Merkmale gut zu adaptieren. Mich verwundert es nicht, dass Sherlock Holmes so gut in „Sherlock“ (BBC) oder „Elementary“ (US) funktioniert. Es ist ein Archetyp, dessen prägnante Merkmale stets erhalten bleiben, aber dem auch einige Charakterzüge genommen werden können.
Sowohl bei Poirot als auch Sherlock Holmes ist die Geringschätzung von Frauen bzw. Chauvinismus bspw. in „Sherlock“ und „Agatha Christies Poirot“ massiv abgemildert.
Natürlich muss ich J. A. Hagen und Tifflor recht geben: Dem „In Vergessenheit geraten“ wirken erfolgreiche Adaptionen entgegen. Mein erster Kontakt mit Agatha Christie war der Ustinov-Streifen „Das Böse unter der Sonne“. Diese Filme und nachfolgend die zweieinhalb Jahrzehnte laufende Serie „Poirot“ mit David Suchet und nun die neuen Filme mit Kenneth Branagh haben über die letzten 50 Jahre sicher dafür gesorgt, dass Agatha Christies Romane in großen Verlagen - und nicht etwa nur in teueren „Liebhaber-Editionen“ spezialisierter Nischenverlage - Neuauflagen erfuhren.
Über „Sherlock Holmes“ Popularität brauchen wir gar nicht erst zu reden. Es vergeht ja kein Jahr indem es nicht neue Filme, Hörspiele, Pastiches oder Parodien gibt. Noch bevor ich meinen ersten Holmes im zarten Alter von 12 Jahren gelesen habe, war mir die Figur durch Parodien im Micky-Maus-Magazin oder dem Disneyfilm „Basil“ bekannt. Das letzte Jahrzehnt brachte mit „Enola Holmes“, „Elementary“, „Sherlock“ und den Filmen mit Robert Downey jr. sicher genug neues Publikum, um Mr. Holmes auch weiterhin präsent zu halten.
(Btw. Wäre Poirot ebenso gemeinfrei wie Holmes, hätte ich auch zu ihm eine Tribut-Anthologie angeleiert
. Aber ich habe ja hoffentlich noch viele Jahre Zeit dafür …)
Bearbeitet von ChristophGrimm, 14 April 2024 - 11:51.