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Adrian Tchaikovsky – Alien Clay (2024)

Dystopie Diktatur Xenobiologie Strafkolonie

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Eine Antwort in diesem Thema

#1 head_in_the_clouds

head_in_the_clouds

    Yoginaut

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Geschrieben 08 April 2024 - 15:37

spoilerfrei

 

Der 400 Seiten starke Einzelroman „Alien Clay“ spielt in einer zukünftigen Welt , die von einer dystopisch gewordenen Erde aus unter der autoritären Herrschaft des

MANDATs regiert wird.Politische Gefangene werden auf andere Welten geschickt um diese für spätere Kolonisationen zu erkunden – haben aber auch einen ideologischen Auftrag,

den „naturgegebenen“ universellen Anspruch des Mandats zu herrschen , wissenschaftlich zu unterfüttern. Einer der Gefangenen ist der Exobiologe Arton Daghdev ,

der auf den Planeten Kiln verbannt wird – ein Ticket ohne Rückkehr.

Die Erzählung enthält eine Reihe klassischer SF-Tropes wie Dystopie , einen unbekannten Planeten der zu erkunden ist und eine fremdartige Biologie die auf

erschreckende Weise mit der des Menschen interagiert.

 

Tchaikovsky zeigt präzise auf , wie Totalitäre Regime herrschen: Sie wissen, dass sie das absolute Recht durch ein Mandat haben ,da sie ja von Leuten „demokratisch“

gewählt wurden und nun besitzen sie das einzige Mandat- und auch das letzte, da ihre Macht abgesichert wurde. Sie legen Wert auf eine Orthodoxie, die

ein für allemal festlegt zb. was sagbar ist und was nicht , wie wissenschaftliche Erkenntnisse als Bestätigung ihres Herrschaftsanspruchs unterzuordnen sind.

 

...das ist eines der Dinge, die wir sehr oft sehen, aktuell gibt es in der realen Welt sehr viele Denkstrukturen, die [...] einen echten praktischen Nutzen haben.

Diejenige, die in dem Buch am häufigsten verwendet wird, ist die wissenschaftliche Methode und die Art des wissenschaftlichen Denkens – das aber vom MANDAT

so verdreht wird , das es das gewünschte Endergebnis produziert .“[1]

 

Das MANDAT nutzt die Erkennnisse der Xenobiologen um aufzuzeigen, das das Universum auf eine bestimmte Art und Weise organisiert ist, so dass zwangsläufig den

Menschen hervorbringen wird, der dazu bestimmt ist zu herrschen. Diese geben dann dem MANDAT die höchste Position in der Ordnung der Dinge, die nicht in

Frage gestellt werden kann.Wie es aber bei Diktaturen so ist, müssen diese immer wieder neu durch Beweise bestätigt werden – da im Grunde totalitäre Herrschereliten

tief verunsichert sind , es nie genug an Bestätigung geben kann (da ja ein Kampf gegen reale ,diesen widersprechende Gegebenheiten erfolgt) und somit immer

wieder Beweise dafür zu liefern sind.

 

[Diktatoren] wissen im Grunde, dass sie keine Legitimation haben. Sie haben nicht wirklich das Recht so zu agieren, also wollen sie, dass Wissenschaftler ihnen sagen:

Ja, die Wissenschaft sagt, dass du der genetisch überlegene Typ Mensch bist, der über alle anderen herrschen darf. Sie wollen, dass religiöse Persönlichkeiten ihnen sagen:

Ja, du bist göttlich Du hast das Recht, diese Menschen zu regieren, du bist dazu bestimmt, dort zu sein.“ [1]

 

So ist das Mandat auf dieser riesigen, kolossalen Art von Machtpyramide aufgebaut Jeder muss eine universell gültige Theorie konstruieren, warum das MANDAT

das Sagen haben soll. Und hier ist der Protagonist auf der Erde , der Zweifel an dieser Orthodoxie angemeldet hat , weil er natürlich reale Informationen besitzt

die dem entgegen sprechen. Tchaikovsky spielt mit der interessanten Idee, was wäre, wenn ein Totalitarismus das anthropische kosmologische Prinzip  nutzt,

um einen daraus abgeleiteten Herrschaftsanspruch des MANDATs auch über extrasolare Welten zu verwirklichen.

 

Auf dem Planten Kiln jedoch prallen aber Realität und Mandatsideologie aufeinander: Die Biologie des Planten ist in ihrer Grundstruktur so aufgebaut, das es auf

kollektiven Zusammenschlüssen der Lebensformen basiert. Das Ökosystem ist nicht auf einem wettbewerbsorientierten Darwinismus aufgebaut, sondern diese sind

insofern vergesellschaftet , dass jedes scheinbar einzelne Lebewesen ein Kollektiv aus verschiedenen Teilen ist, die dann ihren eigene Entwicklung durchmachen und

sich in unterschiedlichen Konfigurationen wieder zusammensetzen können, um völlig unterschiedliche Lebewesen zu erschaffen.

Das trifft die Mandatsideologie ins Herz und es ist kein Wunder , das diese nun die Vernichtung der Kolonie anstrebt, die ein gefährliches Wissen besitzt um das

totalitäre Regime zu stürzen.

 

Nebenbei sei bemerkt das Tchaikovsky hier mit der Strafkolonie auf einem anderen Planeten einen gelegentlich verwendeten Trope der SF herannimmt wie in den

SF Romanen „Farewell, Earth's Bliss “ von D. G. Compton oder „Hawksbill Station“ von Robert Silverberg. [2].

In der realen Welt sei an die Kolonisation Australiens durch Straftäter aus dem Commonwealth erinnert oder die Gulags der stalinistischen Sowjetunion.

 

Alien Clay - Adrian Tchaikovsky (2024)

 

[1] Interview mit Adrian Tchaikovsky, 2024, Bath, UK

[2] Farewell, Earth's Bliss - David G. Compton (1966) , dt.: Lebwohl, gute Erde [German] (1976),

Hawksbill Station - Robert Silverberg (dt.: Gefangene der Ewigkeit in: Heyne Science Fiction Jahresband 1985 - Editor: Wolfgang Jeschke


Bearbeitet von head_in_the_clouds, 08 April 2024 - 16:24.

"Why should one be afraid of something merely because it is strange?"

  • (Buch) gerade am lesen:Best of SF 2015 - Gardner Dozois (Hrsg.)

#2 Gast_Nebulus_*

Gast_Nebulus_*
  • Guests

Geschrieben 08 April 2024 - 17:05

Werde ich mir auf jeden Fall kaufen :)    Ich mochte bis jetzt alle Tchaikovsky Bücher und das hört sich besonders interessant an.





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