Oh schön, "Eis auf Raten" mögen wir beide. Da hatte ich auch erstmal Mühe mit dem Einstieg. Aber dann ... aber dann ...
Ich finde es generell sehr spannend, wie nah unsere Meinungen zu Kurzgeschichten oft beieinander liegen!
Jetzt habe ich auch die Essays (und die letzten Queeren Questen) gelesen:
Warum rennt JAMES BOND nackt in einer Welt voller Betonpenisse herum? von Jamie-Lee Campbell
Ich liebe ja experimentelle Texte, und den hier fand ich schon von der Formatierung her genial, mit dem gekonnten Einsatz von Durchstreichungen, Unterstreichungen, besonderen Hervorhebungen etc. Dafür wurde in der Print-Ausgabe sogar das Spalten-Layout aufgebrochen. Inhaltlich hatte ich auch viel Spaß an diesem satirischen Essay: Es geht darum, aus Geschichten alle Elemente zu entfernen, die sogenannter "Frauenliteratur" zugeschrieben werden. Angefangen mit der Kleidung, denn Mode ist ja bekanntlich einer dieser trivialen Aspekte, mit denen nur Frauen etwas anfangen können. Ups, jetzt sind plötzlich alle Figuren nackt!
So geht es weiter, mit vielen Anspielungen auf unterschiedliche bekannte Werke, die sich immer mehr hin zu einem vermeintlich männlichen Ideal wandeln. Ich habe mich köstlich amüsiert und an einigen Stellen sogar laut gelacht, so absurd fand ich das Ganze. Definitiv ein sehr außergewöhnlicher Text, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Erweckung von Iris Leander Villiam (Queere Questen)
Den Text finde ich ganz niedlich, und Trolle sind zur Abwechslung mal etwas anderes als Drachen und Prinzessinnen.
Naglfari Testoquest von Alex (Queere Questen)
Diesen Text habe ich leider überhaupt nicht verstanden (und wie die Inhaltshinweise dazu passen, auch nicht). Am Ende steht Ragnarök, als hat es vermutlich was mit nordischer Mythologie zu tun? Ich sehe schon, ich sollte echt mal was für mein Mythologie-Wissen tun.
Die Repräsentation von "(Dis)ability" in der progressiven Phantastik von Lars Schmeink
Hier habe ich zunächst gedacht: 'Oh je, das ist wieder so ein Essay, für den ich nicht gebildet/studiert genug bin', aber zum Glück werden die zu Beginn einfach in den Raum geworfenen Begriffe später noch verständlich erklärt und anhand von konkreten Beispielen aus der phantastischen Literatur erläutert. Hier habe ich viel Neues gelernt, allein schon durch die Tatsache, dass nicht das Wort Behinderung, sondern (Dis)ability verwendet wird, weil hinter diesem ein ganz anderes Modell bzw. eine andere Sichtweise auf die Thematik steckt. Dieser Text hat mir viele Anregungen geliefert, auch im Hinblick auf mein eigenes Schreiben und die Art, wie in fiktiven Welten mit (Dis)ability umgegangen wird. Ein sehr bereichernder Essay!
Fazit:
Es gab schon Queer*Welten-Ausgaben, die meinen persönlichen Geschmack besser getroffen haben als diese hier, aber an sich finde ich sie sehr gelungen. Die ersten beiden Kurzgeschichten waren, wie gesagt, nicht so meins, die letzten beiden und vor allem die Essays mochte ich aber. Bei den queeren Questen waren einige dabei, die ich super fand, und einige, mit denen ich weniger anfangen konnte - ich bin aber immer noch fasziniert davon, wie viele unterschiedliche Mikro-Texte zu dem Thema entstanden sind.