Ach, weil ich endlich mal wieder etwas Freizeit zur Verfügung habe und ich mich gerade einschreiben muss, wieso nicht mit einem rant? Vorsicht: Sarkasmus und Übertreibung voraus. Nicht für Leute geeignet, die absolut alles ernstnehmen.
Nach den nun historischen Erfolgen von „Ahsoka“, „Obi-Wan“, der dritten Staffel vom Mandalorianer und seinem Marketingplüschi sowie dem „Buch von Bobba Fett“ erschienen nun endlich die ersten zwei Folgen von „The Acolyte“ – die Serie, die Star Wars retten sollte. „The gayest Star Wars ever“ priesen noch die Produzenten und machten sie so woke, dass nicht einmal die Woken sie mögen: Satte 28% hat der neueste Autounfall aus dem Haus der Maus bei Rotten Tomatoes einfahren können und wer ihn gesehen hat, der weiß: Das sind noch 28% zu viel.
Einhundert Jahre bevor Anakin die Frau seiner Träume verführt, indem er ihr von Sand erzählt, herrscht Frieden in der Republik. Die Jedi jedieren so vor sich hin und während man sich als Zuschauer fragt, ob es im Star War-Universum eigentlich Forschung gibt (denn die Technologie hat sich seit 2.000 Jahren nicht verbessert), kommt es zu einem Mord. Eine Jedi wird in einer Bar auf Generischer Planet Nr. 4899 auf die dümmst-anzunehmende Art erstochen. Ihre Stoffwechselstopperin: eine Attentäterin mit dunkler Haut, drahtiger Figur und Cornrow-Frisur. Ein Zeuge sieht sie, wird von ihr als Assassinnin verschont (denn diese Sache mit „Keine Zeugen!“ ist wohl eher Präambel als Prämisse) und die Behörden wissen sofort: Das muss die ehemalige Jedi Mae sein. Von den 50 Trillionen Menschen, die laut Disney-Kanon, die weit, weit entfernte Galaxie bewohnten, kann diese Beschreibung wirklich nur auf diese eine Person zutreffen. Was folgt, ist eine gähnend-träge Reise ins Logiklückenland.
Nach einem kleinen Feuer im Vakuum, das durch Stickstoff gelöscht werden muss, und einer Szene, die schon bizarr an Filme wie „Auf der Flucht“ oder „Sehr verdächtig“ erinnert, erklärt Mae endlich: Der Mord, den hat ihre verstorben geglaubte Zwillingsschwester Osha begangen.
Nur: Das weiß der Zuschauer längst. Das große Mysterium wird in den ersten fünf Minuten aufgeklärt: Zwillingsschwester Osha hat als Kind einen Hausbrand überlebt, der ihrer beiden Mütter das Leben kostete und geriet an einen Sith, der sie zur Killerin ausbildete (denn wenn Sith niemanden töten, töten sie jemanden, ansonsten hat man ihrem Club keine Hobbys). Dennoch verwendet „The Acolyte“ eineinhalb Folgen darauf, seine Charaktere ermitteln zu lassen und ein Geheimnis aufzudecken, das keines ist. Wenn also die Protagonisten, -innen und -yxe rätseln, wer denn hinter diesem Mord stehen könnte – ja, wer denn nur? – dann fühlt sich das wie cineastisches Styropor an. Und etwa so sind die ersten zwei Folgen geschrieben: Als Füllmaterial, aus dem sich ein gewaltiger Stinkefinger in Richtung Fans abzeichnet.
Die Geschichte vom Doppelten Lottchen als Krimi-Interpretation gab es schon oft genug, nicht nur im ausgesprochen guten „Die Purpurnen Flüsse“ – nur jetzt halt auch in Star Wars, maximal divers und betäubend schlecht. Wundern wird sich vermutlich niemand darüber, dass die Serie laut geleakter Interna bereits vor dem Start abgesetzt wurde.
„The Acolyte“ reiht sich in eine lange Schlange aus Enttäuschungen. Dabei ist es nicht einmal ein Bait & Switch (wie „Obi-Wan“, „Loki“, „Hawkeye“ oder „Ahsoka“), sondern einfach nur ein Bait & Bore (wie „Marvels Echo“): Einfach nichts stimmt, nichts funktioniert und nichts wirkt in Disneys Kinder-Krimi: Zeitspannen ergeben keinen Sinn, Distanzen machen keinen Unterschied, Charaktere wissen Dinge, die sie nicht wissen könnten (vermutlich, weil die dafür nötige Offenbarung dem Schnittmassaker zum Opfer fiel) oder teleportieren sich, wenn sie die Handlung an einem anderen Ort braucht. Die „andere Seite der Galaxis“ ist nicht weiter weg als eine Fahrt zum Supermarkt. Und wenn man jemanden auf einem Planeten mit Milliarden von Einwohnern sucht, dann landet man einfach am nächstbesten Stadtrand, geht in eine Bar und da ist er dann auch schon.
Dass man sich zudem wieder viel zu sehr auf MGS und CGI verließ, büßen die Schauspieler. Wie schon in „Ahsoka“ so scheint nichts real da gewesen zu sein, keine Konsole, kein Bett, kein Fenster, nicht einmal das Obst in der Schüssel. Als Folge stehen die Akteure wie NPCs in einem Videospiel herum: Sie fassen nichts an, sehen sich nichts an, lehnen sich nirgendwo dagegen und wirken stets wie Gäste im eigenen Haus (bzw. Raumschiff). Es gibt kaum Interaktion mit der Welt, die sie bewohnen – nur Dialoge. Und die erinnern an Fan-fictions aus Reddit, wobei das die Fan-fictions noch beleidigt. Wie für modernes Disney Writing üblich sprechen die Menschen nicht wie Menschen, sondern artifiziell, verdreht und verzögert. Informationen werden geradezu kindisch-blatant mitgeteilt (meist zweimal, für das TikTok-geglättete Gehirn) und der Small Talk fühlt sich an, als würden sie sich gegenseitig gleich des hate speech bezichtigen. Mit lang-gezogenen Vokalen, abstrus dauernden Pausen und bizarren Formulierungen schleichen sie alle auf Eierschalen – denn das Opfer der eigenen Mordphantasien will man ja schließlich nicht misgendern! Nur bestialisch vor den Augen der Öffentlichkeit niederstechen.
Mein Lieblingscharakter in dem ganzen Fiasko ist Yord Fandar (gespielt vom eigentlich sehr talentierten Charlie Barnett): So gegen Hälfte der ersten Folge nannte ich ihn Ryker – nach Ryker aus „Sinnlos im Weltraum“, der vor allem durch den Satz „Ich raff‘ dat ned!“ auffällt. Genau das tut der gute Yord: er kapiert gar nichts. Seine ganze Rolle beschränkt sich darauf, etwas zu sagen und daraufhin korrigiert n zu werden. Am Ende der ersten Folge wirkt er dadurch unangenehm einfältig, mit der zweiten wird es peinlich. Er scheint wie ein Besserwisser, der bereits beim Fingerzählen ans Ende seiner mentalen Kapazitäten gekommen ist und nun traurig versucht, mit seinen normal-intelligenten Kollegen mitzuhalten. Man fragt sich, warum? Warum ihn z.B. überhaupt noch jemand ernstnimmt, aber vor allem: Warum hat sich Charlie Barnett bereit erklärt, als galaktischer Idiot in den Star Wars-Kanon einzugehen? Als Yord dann endlich ein Alibi für Mae liefert und sie von allen Vorwürfen entlastet, glaubt man ihm zum Glück sofort – also anstatt zu sagen „Okay, sie ist garantiert die Mörderin, weil du absolut immer falsch liegst!“, bevor man ihn per Lichtschwert um die Bürde der Existenz erleichtert.
Die ludonarrative Dissonanz, stark in „The Acolyte“ sie ist, würde nun Meister Yoda sagen – und dann abschalten. Der ESG-Score sollte mit Disneys Doppeltem Weltraum-Lottchen gedeckt sein, aber der Name Star Wars hat eine weitere Kerbe abbekommen. Nachdem nun Obi-Wan in seiner eigenen Serie deklassiert, der Mandalorianer mit Staffel 3 nicht nur um seinen Verstand, sondern noch dazu seine Zuschauerschaft gebracht und Bobba Fetts Reise erst interessant wurde, als sie nicht mehr um ihn ging; nachdem auch Nostalgie „Ahsoka“ nicht zünden ließ, geht der filmische Tiefflug der Marke weiter – und wohl direkt in ein Schwarzes Loch. Von dem Hass, den „The Acolyte“ nun erschuf, profitieren vor allem die Hasser. 200.000 Views pro Stunde verzeichnen so manche Kritiker, die inzwischen ganz offen Disney für ihr sattes Einkommen danken. Wie immer überbieten sich die "offiziellen" Kritiker mit Lobpreisung, manchmal bis hinein in eine robespierresque Wahnhaftigkeit (von wegen, sie wären in Tränen ausgebrochen, so gut war es), während die Zuschauer zwischen Zorn und Enttäuschung wählen. Nur dieses Mal konnte Disney nicht Rotten Tomatoes dafür bezahlen, die Trolle und Hater auszusieben – wenn diese 85% der Voter ausmachen.
„All nerds are gay“, postulierte Holzbrett und Hauptdarstellerin Amandla Stenberg zu der Serie, die für anscheinend niemanden produziert wurde, außer die Produzentin selbst. „Sie sind am Publikum interessiert, an der Reichweite, nicht am Produkt“, analysierte hingegen Filmkritiker Chris Gore, als er sich fragte, warum Menschen, die absolut kein Interesse für Star Wars oder Science-fiction generell haben, Star Wars-Content produzieren. Nur die Reichweite schwindet gerade.
Was bleibt am Ende?
Disney. Ach, Disney. Das „Endgame“ der Schlafanzugparade aus dem Hause Marvel war wohl auch das Endgame dieses Schlachtschiffs der Medienkultur, das sich anscheinend baldmöglichst als U-Boot versuchen will: Ein Film nach dem anderen enttäuscht an den Kinokassen (und auch auf den Sesseln), so dass man inzwischen von Flopbustern spricht und die Serien, die der Medien-Titan in seine Disney-Plus-Klärgrube pumpt, wissen zu spalten, aber nicht zu begeistern.
„For modern audiences“, preist der Konzern immer wieder an: Für ein modernes Publikum. Und ich frage mich so allmählich: Wo ist dieses moderne Publikum? Sollten wir es nicht als vermisst melden? Suchteams losschicken? Denn in den Kinos oder vor dem Fernseher findet man es schon mal nicht.
tl;dr: Top-Serie, 9/10, absoluter Must-See.
Bearbeitet von Maxmilian Wust, 09 Juni 2024 - 12:57.