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Stephen R. Donaldson: Thomas Covenant, der Zweifler (1. Chronik)


Eine Antwort in diesem Thema

#1 head_in_the_clouds

head_in_the_clouds

    Yoginaut

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Geschrieben 04 Juli 2024 - 15:03

Spoilerfrei

 

Der US-amerikanischer Autor ist für seine drei äußerst ehrgeizigen High-Fantasy-Reihen „Chronicles of Thomas Covenant the Unbeliever“ (dt. "Thomas Covenant, der Zweifler") bekannt, von denen ihn die ersten beiden als Trilogien n den 1970er und 1980er Jahren als Fantasy-Autor von zentraler Bedeutung etablierten. Vorgestellt wird die erste Chronik von Thomas Covenant, dem Zweifler, welche viele konventionelle Fantasy-Tropen ignoriert und Handlungsmuster etabliert, die viele Autoren heute noch nachahmen.

Auf den ersten Blick scheint die Serie in die traditionelle Fantasy-Form zu passen. Die Hauptfigur Thomas Covenant ist ein im Grunde unwissender und hilfloser Protagonist aus unserer Welt, der ohne Wahl durch ein magisches Portal in eine Suche auf Leben und Tod gestoßen wird, angesichts unüberwindlicher Hindernisse, um einen bösen dunklen Lord zu besiegen. Donaldson schildert ihn aber mitnichten als naiven, unschuldigen Suchenden , einen Held der per Definition Quell der Gerechtigkeit ist. Stattdessen ist er ein moralisch fehlerhafter Antiheld mit einer schweren Persönlichkeitsstörung. Klingt das nicht nach vielen der düsteren Protagonisten, die Autoren heutzutage erschaffen?

 

Covenant ist kein sympathischer Typ er ist unhöflich, verbittert, rücksichtslos und egozentrisch und um das wirklich zu verdeutlichen das er ein Aussenseiter ist, ist er auch ein Leprakranker. Gemieden von anderen , einschließlich seiner Frau und seines kleinen Sohnes. An diesem Punkt fragen sich Interessierte vielleicht, warum sie sich den umfangreichen Stoff, bevölkert mit erbärmlichen Figuren , antun sollten?

Die Antwort könnte sein, dass Donaldson Covenant mit einer erstaunlichen Nebenbesetzung von Charakteren umgibt und sie alle in eine reich gestaltete alptraumhafte Welt versetzt. Toleriert man Covenant erteinmal wie er ist, eröffnet sich einem die von Donaldson kreierte Welt - man beginnt das Land und seine Bewohner zu mögen. Beachtenswert ist, dass es in dieser ersten Trilogie zwar jede Menge Handlung und Action gibt, die Geschichte aber eigentlich mehr von den Charakteren getrieben wird. Im Gegensatz zu vielen Fantasy-Romanen, in denen die Handlung den Herrschenden angedichtet wird, wird ein Großteil des Handlungsbogens durch Covenants hartnäckige Weigerung vorangetrieben, dem Land , den Menschen und den Erfahrungen, die er dort macht, zu trauen.

 

 

Zum Glück für den Leser werden im Laufe der drei Bücher einige Ecken und Kanten von Covenants Persönlichkeit durch seine Erfahrungen und Interaktionen mit den Bewohnern
des Landes abgeschliffen Er wird zwar nie wirklich sympathisch aber der Protagonist wird verständlicher. Diese Serie hat gemeinhin den Ruf, sie entweder zu lieben oder zu hassen, beide Standpunkte sind verständlich. Die erste Trilogie beinhaltet für mich die Essenz der modernen Fantasy und halte sie für eine unverzichtbare Lektüre im Genre, aber ich erkenne auch an, dass sie ihre frustrierenden und verstörenden Aspekte hat, nicht zuletzt Covenant selbst. Ich denke, die Erwartungen der Leser an diese Serie spielen eine bedeutende Rolle dabei , ob sie einem gefällt oder nicht. Dazu gehört das man eine heroische epische Fantasy voller Schwerter und Zauberei erwartet und obwohl die Serie all diese Elemente enthält, offenbart sich eher die Sichtweise die Serie als Tragödie zu betrachten, aufgrund der vielen, oft undankbaren Opfer, die die Menschen und andere Wesen, denen er im Land begegnet, für Covenant bringen. Covenant ist trotz seiner zentralen Rolle nicht wirklich der Held dieser Geschichte, sondern die Helden sind Banner, Lena, Lord Morrow, Saltheart, Foam, Follower und die vielen anderen, die ihn auf dem Weg selbstlos gefolgt sind, oft zu ihrem eigenen Nachteil.

 

Die erste Chronik gilt zu Recht als Klassiker , der in den letzten Jahrzehnten viele andere Autoren beeinflusst hat. Ich kann diese Trilogie wärmstens empfehlen. Sie ist trotz ihres mit Mängeln behafteten Figur des Covenant eine sehr lohnende Lektüre und enthält einen frühen und ikonischen Antihelden des Fantasy-Genres.

 

Hier die Veröffentlichungen der Chroniken 1- 3 (Original / deutsche Übersetzung(en). Die Links sind der isfdb.org entnommen.

 

Thomas Covenant the Unbeliever

Komplette Trilogie


Bearbeitet von head_in_the_clouds, 04 Juli 2024 - 15:25.

"Why should one be afraid of something merely because it is strange?"


#2 Jannis

Jannis

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Geschrieben 04 Juli 2024 - 15:45

Tolle Reihe! ich habe Thomas abgrundtief gehasst (was für ein Arsch....) aber die Chroniken geliebt und gesuchtet :)  Danach ging es direkt über zu Gormenghast

 

Würde aber heute noch so eine Reihe funktionieren? GRRM hat mit so ziemlich allen Konventionen der Fantasy-Literatur gebrochen, trotzdem war es ein gigantischer Erfolg. Aber solche Bücher ("Nieder mit langweiligen tropes") sind doch heute eher die Ausnahme, oder täusche ich mich? 

 

Stattdessen sind heute "reverse harem" und "from enemies to lovers" tropes die verkaufsversprechenen Parameter (siehe Fourth Wing).


Meistens gut gelaunt, offen für sehr viel und immer für eine angeregte Diskussion zu haben!

  • (Buch) gerade am lesen:Esther S. Schmidt: Rho
  • • (Film) gerade gesehen: Dune: Part Two / Damsel / 3 Body Problem
  • • (Film) als nächstes geplant: Furiosa - A Mad Max Saga



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