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Steinmüller: Spera


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#1 Ulrich

Ulrich

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Geschrieben 25 September 2004 - 18:00

Für Fictionfantasy habe ich eine Rezension zum neuesten Band der Steinmüller-Werkausgabe Spera geschrieben. Dabei habe ich einiges von der Handlung vorweggenommen, weil ich vom Roman sehr angetan bin. Das fiel mir aber erst auf, als mich jemand darauf hingewiesen hat. Einige kleine Änderungen habe ich deshalb vorgenommen. Ich stelle das jetzt hier rein, weil vielleicht jemand „Spera“ ebenfalls gelesen hat und etwas dazu sagen möchte. Da ich mich selten einlogge, werde ich mich kaum zu Wort melden. Aber in die Forumsbeiträge reinlesen werde ich schon. Serie / Zyklus: Werke in Einzelausgaben. Band 3 Titel / Originaltitel: Spera, Ein phantastischer Roman in Erzählungen Autoren: Angela und Karlheinz Steinmüller Herausgeber: Hans-Peter Neumann und Erik Simon Titelbild: Ronald Hoppe unter Verwendung eines Fotos des Trifid-Nebels (NGC 6514) vom Gemini Observatory, Hawaii Verlag / Buchdaten: Berlin: Shayol Verlag, 2004 238 Seiten, ISBN 3-926126-41-8 "Spera" ist der dritte Roman der Steinmüller-Werkausgabe aus dem Shayol Verlag. Der vorherige Band "Andymon" zeigte die Kolonisten einer Sternenarche, die ihr Utopia auf dem Planeten Andymon aufbauen. Eine völlig andere Entwicklung nimmt die Zivilisation auf dem Planeten Spera, die nach einem Rückfall ins Mittelalter das alte verlorengegangene Wissen neu gewinnen muss. Angela und Karlheinz Steinmüller entfalten dabei ein Panorama über ein ganzes Jahrtausend. Zum einen besteht die Möglichkeit einzelne Geschichten zu lesen ohne die zeitliche Ordnung zu berücksichtigen, weil jede in sich abgeschlossen ist. Andererseits nehmen sie Bezug aufeinander, so dass sich auch das Lesen in der präsentierten Reihenfolge empfehlen lassen kann. Von den 26 Erzählungen sind bislang nur 9 vorher erschienen, z. B. im Alien Contact Magazin oder den Sammelbänden der "Lichtjahr"-Reihe. Somit wird ein Großteil hier zum ersten Mal veröffentlicht. Inhaltlich ist der Band in vier thematisch zugehörige Bereiche gegliedert: Das Kristallene Zeitalter, Die Heldenzeit, Die frühe Neuzeit und Die Neuzeit. Das Kristallene Zeitalter schließt sich an die Terraformung Speras an. Die in Inkubatoren erzeugten Kolonisten haben nach ihrem Willen die Landschaften des Planeten umgeformt und lassen sich in wenigen Stützpunkten nieder. Die Mehrzahl der Siedlungen geht aber auf deren Nachkommen zurück. Zwischen Schiffsgeborenen und Planetengeborenen entsteht zunehmend eine kulturelle Kluft. Und letztere verlieren allmählich das Wissen über die Technologien und die meisten der sog. Großen Alten träumen in Schlafkapseln der Zukunft entgegen. In „Der letzte der Ungeborenen“ beschließt Garth, einer der Alten, im Dorf zu bleiben und ihnen sein Wissen zu lehren. Die Zeit drängt, denn Garth ist alt geworden. Und eine zweite Entwicklung zeichnet sich ab, es sind die gestaltwandelnden Teramöben, Drachen genannt, die in ihrer Ursprungsform großen Plasmaklumpen gleichen. Die ursprünglichen Planetenbewohner sind während des Planetenumwandlungsprozesses unerkannt geblieben. Jetzt sterben Menschen durch sie, werden verätzt und verbrannt. Ob Unfall oder Absicht bleibt ein Rätsel und wer die wahren „Die Herren des Planeten“ wird sich für eine lange Zeit nicht entscheiden. Die Heldenzeit ist märchenhaft geschildert und erscheint wie Phantasie. Hier beginnen die Legenden um die Drachentöter und enden die letzten Relikte sowie Überbleibsel der Großen Alten. „Die Hüterin“ wacht über einen Traumturm, in dem die Schläfer und Träumer gelagert sind. Unheimliche Anzeichen werden dem Leser präsentiert, dass die Aufgaben der Hüterin längst überflüssig sein könnten. „Der Held im Gläsernen Berg“ ist die letzte Rettung im Kampf gegen einen der größten Drachen. Der junge Dhau macht sich auf, um diesen Helden zu finden. Es ist eine gefährliche Reise, die als mythischer Kampf gegen übermächtige Gegner in Speras Geschichte eingehen wird. Eine Erzählung, die bekannte Dinge aus einer anderen Sicht interpretiert, ist „Die Fremdwesen“. Es sind die Drachen, die hier zur Sprache kommen. Und bitterböse mit gelungener Pointe ist „Der Kerzenmacher“, der gezwungen wird seine magischen Kenntnisse zum Bösen einzusetzen. Aber am liebsten würde er ganz auf diese verzichten. In der frühen Neuzeit entwickeln sich Staaten, die nach der Moderne streben und das alte Kristallene Wissen zurückerlangen wollen. Die Stadt Miscara erlebt unter dem Traummeister eine kulturelle und industrielle Hochzeit. Er lässt die miscarischen Bewohner nach Großem streben. Die Kehrseite von Träumen schildern die Steinmüllers eindringlich in „Vierundzwanzig Schritte“, einem ewig wiederkehrenden Alptraum, aus dem man am liebsten aufwachen möchte. Äußerst spannend wird es in „Die Drachenprobe“. Ein Drache hat eine Anwärtergruppe der Drachentöter infiltriert und jeder verdächtigt jeden. Die überraschende Auflösung ist eine der gelungensten in dem ganzen Band, weil es bis zum Ende immer wieder Wendungen gibt, wer der Gestaltwandler sein kann. Die Industrialisierung ist kennzeichnend für die Neuzeit. „Die Eroberer“ und „Der Thrak und der Telegraph“ zeigen die veränderte Machtgrundlagen. Nicht Waffen, sondern die Wirtschaft, Infrastruktur und Kommunikation sind bestimmend für den Machterhalt. Informationen verändern die wahrgenommene Realität. Eine humorvolle Situation entsteht, als der Zug des Herrschers an einem leeren Bahnhof Halt macht. Durch einen Übertragungsfehler bei der Telegraphie erwartet die freudige Bevölkerung ihren Herrscher eine Station weiter. Und letztlich wird in den Weltraum gegriffen. Eine kleine Anleihe bei den Gemini-Missionen der NASA gibt es in „Die Himmelsstürmer“, denn die Weltraumfahrer wollen nur mit Fenster in ihren Kapseln hochgeschossen werden. Der Wettlauf der Großmächte führt zum Konflikt, wem die immer noch im Orbit wartende Sternenarche gehört. Das Schiff wartet auf seine Kinder und träumt von ihnen. Aber die Künstlichen Intelligenzen an Bord wollen den streitenden Menschen nicht um jeden Preis helfen. „Spera“ präsentiert sich völlig anders als „Andymon“. Zum einen ist das auf die Struktur zurückzuführen. Es ist ein Erzählband, dessen Teile zwar thematisch vor einem gemeinsamen Hintergrund spielen, aber nicht alle gelesen werden müssen. Also auch für diejenigen geeignet, denen kürzere Geschichten mehr liegen. Außerdem sind die Geschichten selbst in einem unterschiedlichen Stil gestaltet. Wie bereits genannt, erinnert manches in der Heldenzeit mehr an Märchen und Sagen. Einige Hinweise auf technologische oder naturwissenschaftliche Phänomene sind offen, andere versteckt. Und für die Helden, z.B. in „Der das Rüstzeug schaut“, erscheinen die Überreste der alten Zivilisation, wie Magie und Dämonen einer anderen Welt. Die Autoren Angela und Steinmüller konstruieren ihre Texte durchdacht, vermeiden plumpe Anspielungen. Wer mehr wissen möchte, schaut bei der „Chronologie Speras“ im Anhang nach. Die optimistische und utopische Stimmung „Andymons“ ist hier verflogen. Trotz gleicher Voraussetzung nimmt dieser Versuch einer Kolonisierung eine andere, zum Teil tragische, Richtung. Glücklicherweise vermeiden die Autoren jede Endzeitstimmung mit banalen Schockeffekten. Sie setzen vielmehr auf leisere Töne. Das können kleinere Schrecken, Nostalgie, Humor, sogar ab und zu optimistische Einsprengsel sein. Und mit „Der Reichsgründer“ gibt es sogar einen kleinen Beitrag des Schriftstellers Erik Simon. Auf einen wichtigen Aspekt des "Romans in Erzählungen" weist der Klappentext hin: "Eines der in den Spera-Geschichten immer wieder auftauchenden Motive sind die Träume - sowohl diejenigen, die in den Märchen und Legenden des Planeten Gestalt annehmen, als auch die im Traumturm für die Bewohner der Stadt Miscara vorfabrizierten. Spera entwirft einen weiten und vielfältigen Hintergrund, vor dem dann Der Traummeister, der zweite Teil der Spera-Dilogie (folgt als Band 4 der Werkausgabe), das Thema in einem einzigen Punkt der Raumzeit des Planeten fokussiert." Fazit: Ein weiterer Band des Autorenpaars Angela und Karlheinz Steinmüller, der ihre Vielseitigkeit zeigt. Sehr schön und gelungen.


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