spoilerfrei
„Frachterpilotin Tabea Jute steckt in Schwierigkeiten. Das Gesetz ist ihr auf den Fersen , sie ist völlig pleite und ihr Schiff , die "Alice Liddell" nur noch halb flugfähig und reparaturbedürftig – wie sich ihre Schiffs KI zurecht dauernd beschwert. Da kommt ihr der undurchsichtige, aber gutaussehende (und ihr nicht abgeneigte) Marco Metz gerade recht, der ihr für den Flug zum Habitat Plenty das notwendige Geld ranschaffen könnte um die notwendige Reparatur zu zahlen. Zudem ergäbe sich bei Ankunft die Möglichkeit von Anschlussaufträgen um ihre Kredite abzuzahlen, und somit das Schiff in ihren Besitz überginge. Leider laufen die Dinge nicht wie geplant, Metz bringt im Schlepptau noch ein paar weitere (nicht unproblematische) Passagiere mit und bald sind sie vor Verbrechersyndikaten wie Polizei auf der Flucht , die sie durchs gesamte Sonnensystem bis zum Charon, dem Plutomond, führt...“
Wilson Tucker schlug 1941 den Begriff der "Space opera" für ein "hacky, grinding, stinking, outworn, spaceship yarn" vor. Genrebildend waren u.a. Klassiker wie E. E. "Doc" Smith’s Lensman oder die Romane von Edmond Hamilton. Nie ganz verschwunden, erlangte die Space Opera Anfang der 1990er in modernem Gewand wieder mehr Geltung in der SF – und das bis heute (auch wenn vieles aktuell überrepliziert erscheint, was zu dieser Zeit grundgelegt wurde).
Die überkommenen Klischees des alten Genres sollten allerdings vermieden werden, die Cyberpunk Bewegung lieferte immer noch Anreicherungen, und die New Wave der 60er / 70er steuerte progressive Elemente bei wie zb das aufbrechen von Geschlechterrollen bezüglich Protagonistinnen als Haupthandlungsträgern.
Bedeutsam für die 90er Jahre waren in der britischen SF Colin Greenland und Stephen Baxter, die mit anderen zur Bewegung der Gene Rats gehörten (siehe hier ‚Gene rats‘ und die Renaissance der Space Opera Anfang der 1990er ) . Greenland war eher dem ursprünglichen , flott erzählten , handlungsreichen, charakterbasierten Stoff - Baxter eher der Hard SF und kosmisch- epischen Weltentwürfen verpflichtet. Was im übrigen auch die grosse Bandbreite der möglichen heutigen Space Opera Plots darstellt. Dazwischen tummeln sich bekannte Versatzstücke des Erstkontaktgenres (oft als „big damn objects“ ala RAMA , Ringworld oder zu erkundender Alienartefakte) , Cyberpunk oder galaktischer Imperien.
Mit „Take back Plenty“ (das als erster Band in der Plenty/ Tabea Jute Trilogie 1990 erschien) wirft uns Greenland in eine schnell voranschreitende Geschichte um Frachtpilotin Tabea Jute, welche uns durch das gesamte Sonnensystem führt indem übermächtige, aber im Hintergrund bleibende Aliens (die Capellaner) dieses durch eine Barriere abgeschottet und ihre exotischen Hilfsvölker als Statthalter platziert haben. Sie kontrollieren so den Handel und blockieren eine Expansion der Menschen darüberhinaus.
Die Capellaner haben nämlich auch das Monopol auf einen interstellaren Antrieb, der nur ihren Schiffen die Reise zwischen den Sternsystemen erlaubt. Die Menscheit selber hat sich durch Gentechnik in verschiedene Varianten erweitert, Quasi-Tote können in einem Tiefschlaf noch rege am Geschehen teilnehmen (wie Metz’ Auftraggeberin Hannah Su, die auf dem künstlichen Habitat Plenty - das durch die von den Capellanern besiegten Konkurrenten der Frasqui ehemals konstruiert wurde - aus ihrem Sakrophag Metz’ muntere vorgebliche Künstlertruppe managed. Greenland scheint hier von Dick’s Halbleben in UBIK inspiriert worden zu sein.
Durch Rückgriffe mittels Gesprächen zwischen Tabea und der Schiffs KI Alice erfahren wir mehr von ihrer Vorgeschichte, die stringent am Ende mit der aktuellen Handlung auf überraschende Weise zusammengeführt werden. Diesem wohnt sozusagen ein Anfang inne, insofern man annehmen kann, das sich in den beiden folgenden Teilen die Handlung aus dem Sonnensystem hinaus in interstellare Gefilde begibt wo ebenfalls die technologisch weit fortgeschrittenen Capellaner hinter der Barriere warten. Wir vermuten: Auf ihre Abrechnung durch die resolute Tabea und ihrer Gefährten.
Greenlands Roman enthält somit alles was eine Space Opera enthalten muss: sich überschlagende Konflikte, eine übermächtige Bedrohung , exotische Aliens, undurchsichtige Gefährten mit denen die Protagonistin umgehen lernen und sich durchschlagen muss, State-of-the-art Technik Gimicks wie die Schiffs KI Alice, deren Bedeutung für die Handlung am Ende klar wird.
Das alles wird angereichert mit einem humorvollen Unterton und einer leichten parodistischen Reflexion auf ihre Vorgänger der alten Space Opera. Sicher ist es Leuten wie Greenland oder Banks zu verdanken, das die Space Opera seitdem durchaus ambitionierte und progressive Elemente enthält , weg vom früher bestimmenden konservativem (bisweilen reaktionärem) – zu nennen wäre v.a. die politische Organisation des Banks’schen Kulturuniversums , die keine Vorbilder in heutigen Sozialsystemen verwendet , sondern eher eine neuartige anarchisch-sozialistische und post-heteronormative Gesellschaft etabliert hat.
Der Roman gewann 1990 den BSFA und 1991 den Clarke Award.
Take Back Plenty (1990, Clarke Award 1991) / dt.: Begegnungen auf dem Möbiusband (Variant: Sternendieb )
1. Teil der Plenty / Tabitha Jute Trilogie:
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1 Take Back Plenty (1990) (dt: Begegnungen auf dem Möbiusband [German] (1993) / Sternendieb [German] (2010)
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2 Seasons of Plenty (1995) (dt.: Sonnenwanderer [German] (2011))
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3 Mother of Plenty (1998) (dt. Kometenjäger [German] (2011)
Bearbeitet von head_in_the_clouds, Gestern, 14:58.