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All An! - Kai-Holger Brassel


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Eine Antwort in diesem Thema

#1 rostig

rostig

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Geschrieben Gestern, 15:02

All An!: Die ganze Trilogie von der Überwindung der Klimakrise bis zum etwas anderen Erstkontakt
Kai-Holger Brassel

Herausgeber: Independently published (3. Oktober 2024)
Sprache:  Deutsch
Taschenbuch:  494 Seiten
ISBN-13: 979-8339333371

Klappentext
Im Jahr 2084 ist der Kampf gegen den Klimawandel und seine katastrophalen Folgen so gut wie verloren. Nur wenige Eingeweihte wissen von der Gefahr, die der Erde noch aus einer ganz anderen Richtung droht. Wenn aber ein kluger Slumbewohner, eine temperamentvolle Umweltschützerin und ein visionärer Systemwissenschaftler zusammenkommen, kann zweimal Minus tatsächlich ein großes Plus ergeben. Mit strategischem Geschick, viel Rechenzeit und der Hilfe eines kleinen Mädchens namens Celeste beginnt der große Umschwung. Aber auch Celeste muss erwachsen werden, und keine Utopie ist perfekt. Die Spannungen zwischen den Generationen wachsen und »Innere« stellen sich gegen »Äußere«. Sind die Maschinellen, die nicht mehr länger nur im Hintergrund wirken, Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Celeste und ihre Verbündeten jedenfalls setzen alles daran, den hohlen Versprechungen eines vergangenen Fortschritts neue, verheißungsvolle Horizonte entgegenzusetzen.
Ein politischer und inspirierender Zukunftsroman für alle, die gerne größer (und langsamer) denken.

Einleitende Worte
Das mir von Kai-Holger zur Verfügung gestellte Buch hat knapp 100 Seiten mehr als die obige Amazon-Info. Der Autor hatte mehrfach
einen Lesekreis angeregt, aber offenbar hatte nur ich Interesse gezeigt. Das finde ich für ein Forum in dem SF-Literatur eine zentrale
Rolle spielt bedauerlich.

Rezension
Der Prolog führt auf ansprechende Weise altmodisch geschrieben in die Thematik ein und erklärt zugleich den seltsamen Titel.

Erstes Buch 2084 - 2117
In den ersten Kapiteln werden die wesentlichen Protas Alvaro, Helen und Paul eingeführt. Den meisten Raum nimmt allerdings eine geheime UN-Kommission zur Gefahrenabwehr und deren Diskussionen angesichts einer drohenden Asteroidenkollision ein. Dabei werden durchaus interessante Fragen aufgeworfen (z.B. Wenn die durch eine unbelehrbare Menschheit fortschreitende Klimakatastrophe droht, die Erde in eine lebensfeindliche Venus zu verwandeln, wäre dann ein Meteoriteneinschlag diesem Szenario nicht vorzuziehen? Dann würde das Leben und Reste der Menschheit mit Sicherheit überdauern. Also warum den Meteoriten bekämpfen?) aber leider auch sehr, sehr viel Infodump angehäuft.
Im Folgenden gewinnen die Protas nur langsam an Kontur. Eine Vielzahl von zu detailiert ausgearbeiteten Nebenschauplätzen und ständige Informationsfetzen (zugegeben sorgfältig recherchiert und stimmig extrapoliert, aber nicht in die Handlung eingebunden - show, don't tell!) verhindern ein emphatisches "Andocken" an die handelnden Personen.
Die Beseitigung der außerirdischen Bedrohung stärkt die UN-Sonderkommission, die sich danach der Bekämpfung des Klimawandels als weltgemeinschaftliche Aufgabe zuwendet. Brassel analysiert m.E. korrekt den Machtverlust von Staaten und Regierungen und schließt daraus auf das Erstarken einer Weltgemeinschaft die man als Vorstufe zu "Startrek" lesen könnte. Wie Roddenberry unterschätzt er abermm.E. den Machtgewinn multinationaler Konzerne, die weder in Startrek noch in diesem Buch eine signifikante Rolle spielen. In dieser Hinsicht erscheint der Roman noch sehr den 60igern verhaftet. Auch die Annahme, dass es drei Super-KIs gibt, die sich von den Machtblöcken lösen, erinnert sehr an "Kollossus" aus 1970.
Brassel skizziert dann den Weg zu einer Weltgemeinschaft der Vernünftigen unter Ausgrenzung radikaler, religiöser oder
umweltschädlicher Organisationen. Ob dieser Weg inkl. Zwangsumsiedlungen friedlich machbar wäre, erscheint mir fraglich. Ein Werkzeug um die Zustimmung breiter Teile der Menschheit zu erzielen ist ein VR-Spiel, dass aufzeigt wie ein "Paradies auf Erden" realisiert werden kann. Hauptfigur ist das Mädchen Celeste, das im zweiten Buch die Hauptrolle spielen wird.
Erstes Fazit: Der Versuch einer positiven(?) Dystopie erinnert mich an Pantopia wobei Brassel mehr Wert auf soziologische und politische Prozesse als die Charakterisierung seiner Protagonisten legt und den drohenden Asteroideneinschlag "braucht" um eine
Klimawende einzuleiten.

Zweites Buch 2121 - 2167
Die Menschheit hat sich in drei Machtblöcke gespalten. Ca 5 Milliarden sind "Äußere", die ehemaligen Vernünftigen, der Rest sind
"Innere" = abgeschottete reaktionäre Gemeinschaften und "Natürliche" die sich dem Schutz der Naturreservate verschrieben haben.
Celeste beklagt das Fehlen jeglichen Fortschritt in Forschung und Kunst bei den Äußeren, denn diese quasi-taoistische Gesellschaft
strebt nach Stasis und Erhalt. Z.B. werden die Nobelpreise nur noch alle 10 Jahre verliehen und die theoretische Physik als
ergebnislos aufgegeben. Dem gegenüber steht eine letztendlich scheiternde Mission zur Marsbesiedlung (d.h. viele Raketenstarts mit
sehr viel CO2) und der Bau eines Weltraumteleskops auf der Mondrückseite und im Lagrangepunkt 2 wie das heutige James-Webb-
Weltraumteleskop (wieder viele Raketen). Die meisten Menschen leben und arbeiten in VR-Räumen und -Reisen. Rechenzeit ist eine knappe Ressource. Rund 1/6 der Weltwirtschaft produziert Computerchips. Meine Meinung: Selbst wenn alle Rechenzentren mit grünem Strom betrieben werden, erscheint mir die gigantische Abwärme nicht klimazuträglich. Hier gibt es zuviele Konflikte mit dem über allem stehenden Klimaziel.
Aus den drei KIs entwicklen sich drei GIs (gewachsene Intelligenzen) die mehr und mehr die Menschheit kontrollieren und eigene Ziele
(Expansion zu fremden Planeten) verfolgen. Sie veranlassen den Beginn des Asteroidenbergbaus. Die Jugend wendet sich enttäuscht von einer stagnierenden Gesellschaft ab. Die Macht geht zunehmend auf die Gilden über, am stärksten auf die Transportgilde.

Drittes Buch:  ab 2168 und Epiloge 500 Jahre in der Zukunft
Hier entwickelt sich ein klassischer SF-Roman: die GIs haben auf einem Asteroiden die erste selbstständige Intelligenz implantiert und
Alpha entzieht sich schnell jeglicher Kontrolle. Das ruft Gegenreaktionen bei der Transportgilde hervor, die Unterstützing bei den
Inneren sucht, um ein unabhängiges Raumfahrtprogramm ohne GI-Kontrolle aufzubauen. Den Menschen, die nach Forschung und Entdeckung streben, wird erfolgreich eine Erkundung von Exoplaneten in hochentwickelten virtuellen Welten unter dem Titel "All An!" angeboten, während die künstlichen Intellligenzen weiter an ihrem Konzept des langsamen Denkens arbeiten, um in den kommenden Jahrtausenden ins All vorzustoßen. Diese Idee einer resourcenschonenden, quasi unsterblichen künstlichen Lebensform finde ich durchaus attraktiv, während mich das Schicksal der Menschheit in immer komfortableren VR-Welten unter KI-Kontrolle eher an Matrix gemahnt.

Fazit
Brassel analysiert treffend die aktuelle Weltlage hinsichtlich sozialer, psychologischer, wissenschaftlicher Aspekte der Klimakatastrophe und kommt zu dem durchaus realistischen Schluß, daß wir es ohne externe Bedrohung wharscheinlich gründlich vermasslen werden. Das erste Buch ist weniger ein Roman als eine Faktensammlung und Optionsanalyse. Das liest sich mitunter recht sperrig, insb. da viele Fakten einem geneigten SF-kundigen Leser bekannt sein sollten.

Das zweite Buch versucht eine mögliche Weiterentwicklung aufzuzeigen, verwickelt sich aber m.M. in etliche Widersprüche.

Das dritte Buch liest sich wie ein konventioneller SF-Roman um künstliche Intelligenz und deren Ziele abseits der Menschheit. Das ist in sich stimmig wenn auch nicht sehr optimistisch stimmend.

Mein Ratschlag wäre, auf etliche Nebenhandlungen zu verzichten und zu straffen = kürzen (Nebenbemerkung:das trifft m.M. auch auf alle Schätzing-Romane zu) vielleicht ist das ja in der kürzeren o.g. Ausgabe bereits geschehen.



#2 Kai Brassel

Kai Brassel

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Geschrieben Gestern, 22:24

Lieber Rostig, ganz vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, das Buch zu lesen, mitzudenken und mir wertvolle Rückmeldung zu geben. Was Lesekreise angeht, so ist gerade einer bei LovelyBooks mit 24 Teilnehmer*innen gestartet, sodass ich bald auch von dort weitere Rückmeldungen bekomme. Ich bin super gespannt, in welche Richtung das gehen wird.

Deine Kritik von Stil, Inhalt und Details kann ich mit wenigen Ausnahmen nachvollziehen. Den einen oder anderen Punkt würde ich gerne noch genauer verstehen, aber das sollten wir wahrscheinlich zu zweit besprechen.

Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich hier nur darauf hinweisen, dass die von dir oben angegebene Ausgabe mit 494 Seiten textgleich ist zu der Softcover-Ausgabe mit 600 Seiten, die du gelesen hast. Erstere ist die nur bei Amazon erscheinende Taschenbuch-Ausgabe (12x19 cm), während das augenfreundlichere Softcover (13,5x20,5 cm) überall erhältlich ist. (Ich kämpfe gerade mit Amazon darum, die Ausgaben auf einer einzigen Buchdetailseite unterzubringen, aber das ist ein anderes Thema.)


Nichts ist praktischer als eine gute Theorie.

  • (Buch) gerade am lesen:Zara Zerbe: Phytopia Plus


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