Über den Autor
Haldeman diente als damals 25-jähriger Pionier in Vietnam (1968-1969), wo er schwer verwundet und mit dem Purple Heart ausgezeichnet wurde. Seine Erfahrungen dort haben vieles geprägt, was er geschrieben hat – „Der ewige Krieg“ ist sein grundlegendes Werk, das durchaus als philosophische SF betrachtet werden kann.
Ein Werk der Philosophischen SF
Diese Form der SF ist eine außergewöhnliche Mischung komplexer Themen, ethischen Dilemmata und existenziellen Fragen – projiziert in eine nahe oder ferne Zukunft, die sich die Frage stellt: Was bedeutet es in diesem Kontext ein Mensch zu sein?
In der SF sind das oft die Auswirkungen von Wissenschaft und Technologie und die sich daraus ergebenden moralischen und ethischen Entscheidungen, die wir als Individuen als auch Gesellschaft treffen - oder eben nicht treffen. Philosophische SF hat Auftrieb durch die New Wave der 60er Jahre erhalten und Haldemans Werk liegt in den Nachbeben dieser spätere Autoren und deren Werke prägenden Bewegung. Durch die Erforschung tiefgründiger Themen hat die Science-Fiction sich in der New Wave von oft bloßer Realitätsflucht zu einer literarischen Form erhoben, die intellektuelle Debatten anregt und bei den Lesenden ein anderes Weltverständnis fördern kann. Dieser Anspruch ist (neben Eskapismus) in die DNA der SF eingeschrieben , so das sie auch zukünftig fester Bestandteil des Kanons spekulativer Fiktion sein wird.
Eines der ikonischen Werke dieser Spielart der SF ist Haldemans 1974 erschienener Debütroman, der 1976 die drei größten Awards (Hugo, Locus,Nebula) als Gewinner abräumte. Die klassische Science-Fiction-Erzählung, erhielt Lob für ihre einfühlsame Darstellung des menschlichen Daseins in einer den Auswirkungen der Zeitdilatation unterworfenen interstellaren Kriegsführung auf die Beziehungen unter den Soldaten als auch zu den auf der Erde zurückgelassenen, ihnen nahestehenden Menschen.
Entstehungsgeschichte des Romans
Es ist interessant, welchen Werdegang das Werk ging, bis es in der von Haldeman beabsichtigten Form veröffentlicht wurde: Der Autor wollte den Roman aus verschiedenen kürzeren Stories komponieren (die später zur Vierteilung des endgültigen Romans verarbeitet wurden): Hero, We Are Very Happy Here , This Best of All Possible Worlds , You Can Never Go Back und End Game - wobei ihm schon die erste Story Hero von 1972 viel Kritik einbrachte, da er es wagte Menschen zu unterstellen sich sexuell zu betätigten, nicht nur um sich zu reproduzieren! Für die prüde amerikanische SF Community , die erst langsam die sexuelle Revolution der 60er annahm, war das immer noch ein Aufreger - trotz der eigenen amerikanischen Spielart der New Wave, die angetreten war um auch dieses Tabu zu brechen.
Das Haldeman ihn als Antikriegsroman zu Vietnam verstand, mit dem er seine Erfahrungen dort verarbeitete , half bei der Rezeption in den USA erst einmal auch weniger , da sich das Land bei Veröffentlichung dort immer noch im Krieg befand. Der Roman wurde von Haldeman als Antithese zu Heinlein’s „Starship Troopers“ (1959) verstanden, „...da diese den Krieg verherrliche…“ - und Haldeman als Veteran kann dazu etwas sagen. Dennoch attestierte er Heinlein gleichzeitig eine gut erzählte Geschichte.
Die als Mittelteil geplante Novelette You Can Never Go Back (wo Mandella mit seiner Frau Marygay zur Erde zurückkehrt) wurde in der Originalpublikation übergangen, da sie nach Auffassung des damaligen Verlagsredakteurs (der bekannte SF Autor Ben Bova) nicht in den Kontext der anderen Teile zu passen schien. Erst 1997 lag das Werk in der vom Autor beabsichtigten Form vor – und war die Grundlage für die hier verwendete deutsche Übersetzung aus dem Jahr 2000.
Letztere folgt nicht der Empfehlung Haldemans, die aus Sicht des 1974 erschienen Romans in einer nahen Zukunft des Jahres 1997 stattfindenden anfänglichen Ereignisse ebenso für die überarbeitete, komplettierte neue Ausgabe zu übernehmen. Die deutsche Ausgabe datiert die anfänglichen Ereignisse 300 Jahre weiter um somit zu vermeiden, das im Jahr 2000 der deutschen Veröffentlichung ansonsten ein interstellarer Konflikt in einer drei Jahre zurückliegenden Vergangenheit geschildert werden müsste – was den Lesern hier doch ziemlich absurd erschienen wäre. Man sollte sich also die aktuellste Ausgabe besorgen , möchte man das komplette Werk geniessen (s. Referenzen am Ende).
Das Werk
Die Geschichte handelt von William Mandella, einem Soldaten, der in eine Elitetruppe eingezogen wird, deren Aufgabe es ist, gegen die außerirdische Spezies der Taurier zu kämpfen. Aufgrund der relativistischen Auswirkungen von Reisen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit spielt die Zeitdilatation in der Erzählung eine bedeutende Rolle. Während für Mandella und seine Kameraden während ihrer Missionen nur wenige Jahre vergehen, sind es auf der Erde Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Dies schafft eine desorientierende Erfahrung für die Soldaten, die in eine Welt zurückkehren, die sie nicht mehr wiedererkennen, in der Freunde und Familie gealtert oder gestorben sind. Denn auch in realen Kriegen hatte die von Gewalt und Abgestumpftheit gegenüber dem Töten geprägte Welt der Soldaten nichts gemein mit der ihrer Heimat – das ihnen als fremdes Land anmutete . Haldeman fand hier ein ideales SF-typisches Bild dafür in den unterschiedlichen Zeitabläufen der jeweiligen Lebensbereiche.
Der ewige Krieg ist somit die ultimative Entfremdungserfahrung . Wenn sie aus dem Kampf zurückkehren, müssen Mandella und seine Kameraden sich an die inzwischen immensen Veränderungen in Gesellschaft und Technologie anpassen – oder Außenseiter bleiben und entscheiden sich deswegen in das Militär zurückzukehren. Aber Mandella beginnt auch die Gründe für den anhaltenden Konflikt mit den Tauriern in Frage zu stellen. Somit untersucht der Roman auch die Sinnlosigkeit des Krieges, da der scheinbar endlose Kampf zwischen Menschen und Außerirdischen zu unzähligen Opfern und einem wachsenden Gefühl der Desillusionierung führt.
Ein weiteres zentrales Thema des Romans ist die Möglichkeit menschlicher Beziehungen (insbesondere von Liebesbeziehungen) angesichts von Krieg und Zeitdilatation. Mandella schließt eine tiefere Bindung zu einer Mitsoldatin namens Marygay Potter. Aber ihre Beziehung ist angespannt, da sie durch ihre separaten Einsätze sowohl durch Zeit als auch Raum getrennt sind. Dennoch unterstreicht dieser Aspekt der Geschichte die mögliche Widerstandsfähigkeit menschlicher Verbindungen selbst angesichts unvorstellbarer Herausforderungen.
Wer will mag bei dem hier gesagten durchaus auch Themen aus Remarque’s „Im Westen nichts Neues“ zu erkennen.
Fazit
"Der ewige Krieg" ist ein bahnbrechendes , zeitloses Werk der Science-Fiction, das meisterhaft eine Antikriegs-Space-Opera schafft, indem sie zum einen philosophische Betrachtungen über den Menschen mit den psychologischen Auswirkungen in Zeiten des Krieges verbindet. Sie kann so auch aktuell immer noch als Kontrapunkt zu der in Teilen reaktionären, hegemoniale Tendenzen transportierenden US Military SF herhalten. All dies machen die Erzählung zu einem kraftvollen und langlebigen Klassiker, der auch heute noch wegen der realistischen, keinen Klischees verhafteten Handlung und unverblümten Sprache bei Lesern Anklang findet.
Referenzen zu „Der ewige Krieg“ der zwei Folgebände erhielt („Der ewige Friede“, „Am Ende des Krieges“):
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1 The Forever War (1974, 1997 überarbeitete, komplette Ausgabe)
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Translation: Der ewige Krieg [German] (1978)
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Translation: Der ewige Krieg [German] (2000) komplette Ausgabe Original von 1997
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2 Forever Peace (1997)
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Translation: Der ewige Friede [German] (2000)
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Translation: Soldierboy [German] (2014)
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3 Forever Free (1999)
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Translation: Am Ende des Krieges [German] (2002)
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Translation: Voyagers [German] (2015)
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End Game (1975)
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You Can Never Go Back (1975)
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A Separate War (1999)
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Translation: Ein anderer Krieg [German] (2008)
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Peace and War (2006) [O/1,2,3] Omnibus-Ausgabe aller drei Teile
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Forever Bound (2010)
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Hero (1972)
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We Are Very Happy Here (1973)
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Bearbeitet von head_in_the_clouds, 19 Dezember 2024 - 11:04.