Maximilian Wust: Gaia, allein
(Nanopunk)
Hier war die Schwierigkeiten, mit festen Charakteren zu arbeiten, Zwillingsschwestern Maja und Juna, die nicht irgendwie verändert werden durften (und auch alles überleben mussten), denn in der Anthologie ging es darum, sie nach und nach Abenteuer in unterschiedlichen Punk-Welten erleben zu lassen.
Der Herausforderung hatten sich so einige Autory gestellt, u. a. eben auch Max Wust.
Zunächst einmal fällt auf, dass Wust richtig gut schreiben kann. Er kann mit Adjektiven umgehen.
Dünen umgaben sie; schwarze, schimmernde Wogen aus Staub unter einem totgrauen Himmel. Die Luft schmeckte verbraucht, wie in einem Keller.
Wir haben hier nicht nur den visuellen Sinn, den ja die meisten von uns gern ansprechen, sondern sogar noch den Geschmackssinn, und das bei einer Beschreibung ganz am Anfang einer Story, das macht Lust, in die Geschichte tiefer einzusteigen.
Die Schwestern sind jetzt auch seit einiger Zeit gewohnt, von eine Welt in die nächste zu torkeln (sie reisen via einer Münze und werden von einer Welt in die nächste transportier, können aber offenbar selbst bestimmen, wann sie eine Welt wieder verlassen), insofern wundern sie sich auch nicht, erkunden nur sofort die Umgebung. Das ist gesetzt, weil der Scope der Anthologie das so hergibt und die Story weiter hinten abgedruckt wurde.
Dann gibt es noch auf der ersten Halbseite das erste Rätsel, als spannungsgebendes Element: Obwohl es heiß ist, ist der Boden (der scheinbar aus schwarzem Sand besteht) kalt. Was ist da los? (Plus, wenn ich mir mal diese laute Bewunderung erlauben darf, SO SCHNELL und effizient Spannung erzeugen, das ist einfach geil, wie meine Kinder sagen würden). Und kurz darauf verlieren sie die Münze im Sand, können also nicht einfach weiterreisen und müssen eine Möglichkeit finden, die Münze wiederzufinden. (Hat jemand die gesamte Anthologie gelesen und kann mir sagen, ob die Schwestern häufiger von ihrer Münze getrennt werden?)
Die Schwierigkeit bei dieser Art von Story ist ja auch, dass die Autory nicht zu tief in die Persönlichkeiten eintauchen können/dürfen. Es muss ja noch zu dem passen, was alle anderen über Maja und Juna erdacht haben. Insofern können keine bewegenden Hintergrundgeschichten der beiden Hauptfiguren die Charaktere plastisch machen, Idee und Action muss die Story tragen. (Hätte ich mitgemacht, ich hätte vermutlich auf eine Figur fokussiert, die sie kennenlernen und der eine tragische Hintergrundgeschichte gegeben.)
Dann betreibt Wust Weltenbau in a nutshell, sehr effektiv. Es gibt Wasser, aber keine Planzen. Der Boden erwärmt sich langsam, man kann aber leicht einsinken, wie in Treibsand.
(Der Buchsatz ist ein wenig eigenwillig, manchmal ist etwas ohne für mich erkennbaren Grund kursiv gesetzt.)
Es stellt sich heraus, der Sand sind in Wirklichkeit wirklich viele kleine Naniten (was aufgrund des Genre vielleicht nicht überraschend ist).
Dann kommt eine weitere Figur ins Spiel (ich sage mal, ein Einheimischer), der überaus plastisch und gelungen beschrieben wird. Und dann wird auch rasch der Titel klar! Und ein wenig Humor kommt auch schnell zum Tragen.
Bald schon kommt es für die Zwillinge zu einer brenzligen und schwierigen Situation und das, obwohl der Einheimische (Adam, so nennt er sich bald) eigentlich kein Antagonist ist. Er hat lediglich andere Pläne für Maja und Juna als sie selbst. Vorwerfen könnte man ihm nur, dass er sie nicht selbst entscheiden lässt, was mit ihnen passieren wird.
Ein schöner Konflikt, den wir aus dem Alltag kennen: Ich denke, irgendwas ist gut für dich und mache es, obwohl du nicht einverstanden bist. Obwohl ich es per se nicht böse meine, entsteht dir trotzdem ein grauenhafter Schaden, weil du etwas anderes für dich wolltest.
Dann gelingt Wust gegen Ende etwas, das ich bei dieser Aufgabe nicht für möglich gehalten hätte: Er bringt doch etwas von der Persönlichkeit rein (vor allem Junas, aber auch Adams), so dass es die anderen Geschichten aber nicht kaputtmachen würde, und schafft es so, der Story neben der äußerst angenehmen Stimulanz für mein Hirn auch noch was für meine Gefühle zu geben. Und zwar komplexe Gefühle, nicht nur die üblichen Verdächtigen.
Doch, die Story kann was. Möglicherweise hätte ich die auch nominiert. :-)