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Fingerübung 2 - Der Fremde


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15 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 03 Oktober 2025 - 12:06

Der Fremde, also jemand oder etwas, das man nicht kennt und die Grenzen des Bekannten sprengt, ist ein beliebtes Thema in der Phanstastik. Bei der SF ist es oft der Außerirdische, bei Horror meist die Bedrohung. Dabei hat man eine Diskrepanz zwischen etwas Neues zu erfinden und sich an bekanntem anlehnen. 

 

Bei Marianne Labisch in Rockplanet waren die Außerirdischen wie Kartoffeln. In Alien waren es Monster, bei Lovecraft sind es Tentakelwesen. 

 

Schreibt eine Szene, in der der Fremde auftaucht und zeigt, wie ihr die Diskrepanz zwischen Vorbild und Kreativität hinbekommt.



#2 Michael Fallik

Michael Fallik

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Geschrieben 03 Oktober 2025 - 12:35

Der Text ist nicht explizit für die Übung geschrieben. Er beschreibt einen Vorfall in der Höhle des Antagonisten, dessen Folgen im weiteren Verlauf fatal für ihn sind. Er begeht einen verhängnisvollen Fehler bei der Erschaffung eines Lakaien, wodurch etwas Fremdes und Bedrohliches entsteht.
 
Der Gestank in der untersten Ebene des Höhlensystems glich dem aufsteigenden Gas eines blubbernden Sumpfes. Binga nahm ihn kaum noch wahr; zumindest hatte er sich schon lange nicht mehr davon übergeben müssen. Was Ausdünstungen anging, war er ein Kind von Schwefel, geronnenem Blut und verwesendem Fleisch. Natürlich war er Wohlgerüchen nicht abgeneigt. Allzu gern würde er seine Nase zwischen die Schenkel dieser Valkry drängen, dabei tief Luft holen und die Backen blähen. Was ihm in diesem Moment nur als eine der vielen Vorfreuden erschien, würde bald – sehr bald – in echte Schreie münden.
 
Die Ratte in seiner Hand schien ersoffen zu sein. Er hob sie vor das Gesicht und beäugte sie misstrauisch. Das Biest, groß wie ein neugeborenes Ferkel, krümmte sich ihm mit einem Mal erstaunlich lebendig entgegen. Mit einem verquollenen Fauchen schnappte sie nach der Warze auf seiner Nase.
 
»Höllenbrut! Genau das, was ich brauche …«, entfuhr es ihm, und er warf das arme Geschöpf in den magischen Bannkreis. Die Ratte überschlug sich und prallte gegen eine unsichtbare Barriere. Mit einem erschrockenen Quieken blieb sie inmitten des matten Lichtkreises liegen, der sich auf dem verdreckten Boden gebildet hatte.
 
Die Runenzeichen waren von ihm vor einigen Nächten erneuert worden – eine mühselige Arbeit, die er hasste. Doch es lohnte sich.
 
Der Körper der Ratte quoll auf; zwischen dem Fell platzten blutige Risse auf, aus denen neues Gewebe drängte. Die Hinterpfoten des Tiers zuckten, verkrampften sich für einige Atemzüge und begannen dann, sich aufzublähen. Binga betrachtete die Verwandlung ungerührt. Was jeden normalen Elfen in den Wahnsinn getrieben hätte, war für ihn zu einer Angelegenheit geworden, der er nicht mehr Aufmerksamkeit schenkte als dem Entleeren seines Darms. Es stank – nun ja, es sah braun und widerlich aus –, aber es entstand Neues, das vorher nicht da gewesen war.

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#3 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 03 Oktober 2025 - 13:55

Binga nahm ihn kaum noch wahr; zumindest hatte er sich schon lange nicht mehr davon übergeben müssen. Was Ausdünstungen anging, war er ein Kind von Schwefel, geronnenem Blut und verwesendem Fleisch. Natürlich war er Wohlgerüchen nicht abgeneigt. 

 

Das ist mir nicht klar. Hat er sich an den Gestank gewöhnt oder war er anders, ein Kind von Schwefel? Für mich ist das Bild nicht rund, später ist er ja auch den Wohlgerüchen nicht abgeneigt. Klingt für mich alles ein wenig widersprüchlich und zumindest aus der Szene kann ich mir da kein Bild von Binga machen.



#4 Michael Fallik

Michael Fallik

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Geschrieben 03 Oktober 2025 - 17:27

Das ist mir nicht klar. Hat er sich an den Gestank gewöhnt oder war er anders, ein Kind von Schwefel? Für mich ist das Bild nicht rund, später ist er ja auch den Wohlgerüchen nicht abgeneigt. Klingt für mich alles ein wenig widersprüchlich und zumindest aus der Szene kann ich mir da kein Bild von Binga machen.

 

Wie wahr. Der Text ist mir so rausgerutscht, ob rund oder eckig, ist mir herzlich egal. 


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#5 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 02:56

Konnte nicht schlafen. Hab's also versucht:

 

 

Sechsunddreißig Hochzeiten später sah ich sie wieder.

   Ich besuchte eines dieser Szenelokale, Arm in Arm mit einer Verabredung, die mir nichts bedeutete, als ich sie in einer Ecke sitzend entdeckte.

   An den Ziegelwänden hingen Fotografien von tanzenden Menschen – mit längst möglicher Belichtungszeit geschossen, so dass sie mit dem Hintergrund zu Geistern zerschmolzen; in den Blicken funkelte stets beißende Intelligenz ohne Weisheit und jedes Glas spiegelte sich hundertfach in den anderen. Ein Künstlertreff, wo die Bedeutungslosigkeit in der Bewegungsunschärfe tiefgängig wirkte – auf den Laien wenigstens, den man deshalb hierher einlud.

   Und unter all den kreativen Vampiren entdeckte ich plötzlich sie.

   Sie saß auf einer der Couches am anderen Ende des Raumes, in der Hand einen roten Manhattan, Mund und Pupillen den Freundinnen zugewandt, mit denen sie sich flüchtig austauschte. Das Vlies ihrer Haare hatte sie zum Vorhang diszipliniert, lippenrotes Rouge konturierte ihre Wangen.

   „Kennst du sie?“, fragte meine Begleitung, an deren Namen ich mich bald schon nicht mehr erinnern sollte. Meine Blicke waren ihr wohl nicht entgangen.

   Ein Nicken folgte, dann ein Kopfschütteln. Ich kannte den Namen dieser Person. Darüber hinaus schien sie mir fremd. Sie hätte alles sein können, und nichts. Eine Intellektuelle ohne Charakter oder ein Charakter ohne Intellekt, das Frauchen eines Künstlers oder eine Künstlerin, die ihre neue Freundin den Freundinnen vorstellte. Einen Moment lang sah ich sie mit der Kamera vor einem Aufnahmetisch posieren, im nächsten saß sie in einem grauen Büro vor einem grauen Computer; stand vor dem Spiegel und genoss, was sie darin sah oder zählte sie verzweifelt ihre Falten. Nichts an ihr verriet, was sie tat, mochte oder nicht.

   „Willst du Hallo sagen?“

   „Ich sollte wohl“, erwiderte ich und löste mich von meiner Verabredung, um es zu versuchen.

   Ich kam heran und als ich vom Statisten zum Akteur wurde, registrierte sie mich lediglich. Kein Mustern, kein Erforschen, kein Zurückdrängen, reine Erfassung. Als wäre ich ein Kellner oder hätte mich verlaufen.

   „Maël“, sagte sie – ohne Wertung oder Frage.

   „Jade.“

   „Bist du öfter hier?“

   „Gelegentlich. Und du?“

   „Nur zur Abwechslung. Sie ist jung.“ Damit meinte sie meine Begleiterin. „Seid ihr schon länger –?“

   „Ist unser viertes Date.“

   „Deine geheimnisvolle Art hat wohl wieder einmal funktioniert.“

   Ich ließ den Blick über ihre „Entourage“ schweifen und entdeckte nur Freundinnen oder Kolleginnen, keinen –

   „Hast du jemanden?“

   Sie nippte an ihrem Manhattan. „Lass dein Date nicht warten. Sonst kommt sie noch auf Gedanken.“

   Ich kehrte zurück. Meine Begleitung hatte uns inzwischen Drinks bestellt: Sich einen Gin Tonic und mir einen Brooklyn – eine Variante des Manhattan mit Kirschlikör.

   „Wer ist sie?“, wurde selbstverständlich gefragt.

   „Eine Bekannte.“

   Mehr war sie nicht mehr; die Frau, die ich seit meinem fünften Lebensjahr gekannt hatte.


Bearbeitet von Maxmilian Wust, 04 Oktober 2025 - 03:00.

"Part Five: Boobytrap the stalemate button!"


#6 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 07:45

Eine sehr interessante Interpretation des Begriffs "Der Fremde".

Fremd und doch nicht fremd. Das Spiel mit den Erwartungen, prickelnde Erotik und angedeutete Geheimnisse. Gefällt mir sehr. Jetzt musst du aber auch eine ganze Geschichte draus machen. Angefixt bin ich.



#7 Michael Fallik

Michael Fallik

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 09:01

Geschrieben Heute, 02:56

Konnte nicht schlafen. Hab's also versucht:

 

Okay, das ist natürlich ein Grund, nicht so genau hinzuschauen.  

Zwei Sätze fallen dabei durchs Raster:

Sechsunddreißig Hochzeiten später sah ich sie wieder. erschließt sich mir nicht. Ist er ein Pfarrer und vermählt die Bindungsbedürftigen?

Die Erwähnung der kreativen Vampire sorgt im knappen Kurzgeschichten Kontext ehr für Verwirrung.

Ansonsten erzeugst du eine stimmige Atmosphäre. Ich höre direkt das shaken des Keepers, der einen Harvey Wallbanger mixt

 


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#8 Tse-Eh

Tse-Eh

    Limonaut

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 09:11

Aus irgendeinem Grund konnte ich nicht einschlafen. Ich lag müde, aber schlaflos auf meinem Bett und starrte die Decke an. Ein kühler Luftzug kam vom gekippten Fenster. Aber ich war zu müde, um aufzustehen und es zu schließen. Bald darauf hörte ich die nahe Turmuhr schlagen. Ich zählte die Schläge. Zwölf. Angeblich war der Schlaf vor Mitternacht der beste. Nun, den hatte ich schon verpasst.

 

Plötzlich fühlte ich eine Präsenz im Raum. Einbrecher? Ich schaltete die Nachttischlampe ein und blickte mich im Raum um. Aber da war niemand. Außer dem Kleiderschrank, ein typisches IKEA-Modell in Hellbraun, dem weißen Tisch, auf dem noch mein Laptop stand, mit dem Bürostuhl davor, und dem Bücherregal war nichts zu sehen. Verstecken konnte man sich in diesem Zimmer nicht. Ich hatte mir das wohl eingebildet.

 

Aber das Gefühl der Präsenz war immer noch da. Ich glaube nicht an Gespenster. Vielleicht ist jemand im Haus, außerhalb des Zimmers? Ich lausche. Aber außer dem leisen, monotonen Rauschen des Regens vor dem Fenster und dem Ticken der Wanduhr im Flur kann ich kein Geräusch ausmachen.

 

Du kannst mich nicht sehen oder hören.

 

Warum hatte ich das gedacht? Es war nicht meine Art, mich in meinen Gedanken mit "du" anzusprechen. Und überhaupt, es hatte sich nicht so angefühlt, wie sich meine Gedanken normalerweise anfühlen.

 

Das war nicht dein Gedanke, das war ich.

 

Spielte mir die Müdigkeit einen Streich? Oder warum produzierte mein Gehirn solch dumme Gedanken? Natürlich war das mein Gedanke. Der Gedanke war direkt in meinem Kopf entstanden, wessen Gedanke sollte es denn sonst sein? Ich brauchte definitiv meinen Schlaf.

 

Ich spreche mit dir über deine Gedanken, aber ich bin nicht du.

 

Na super, jetzt geht meine Fantasie völlig mit mir durch.

 

Das ist nicht deine Fantasie. Ich bin ein losgelöstes Bewusstsein. Ich bin nicht an ein bestimmtes Gehirn gebunden, daher kann ich mit jedem Gehirn denken.

 

Nun, das war nun ganz offensichtlich Unsinn. Ich bin Materialist. Ich glaube nicht an ein Bewusstsein unabhängig vom Gehirn. Die Gedanken kommen ganz klar von meinem Gehirn. Mögen sie auch noch so abstrus sein.

 

Du irrst dich. Dein Bewusstsein ist nicht Teil deines Gehirns. Es ist nur fest damit gekoppelt.

 

Ach ja. Aber nehmen wir mal probeweise an, all das wäre real. Was willst du dann?

 

Ich will deinen Körper.

 

Was?

 

Ich will mich an dein Gehirn koppeln. Ich bin die unkörperliche Existenz leid.

 

Aber das ist mein Gehirn.

 

Noch. Ich hatte Jahrhunderte Zeit, darüber nachzudenken, wie man ein Bewusstsein von einem Gehirn trennen kann, um es dann selbst zu übernehmen.

 

Ich werde das nicht zulassen.

 

Du hast keine Wahl. Ich bin bereits dabei, dich zu lösen.

 

Und das soll ich glauben?

 

Lausch doch mal.

 

Ich lausche.Und ich höre nichts. Keinen Regen. Kein Ticken der Uhr. Wie ist das möglich?

 

Mit den Sehsinn bin ich auch gleich fertig.

 

Es wird schwarz vor meinen Augen. Ich fange trotz der Kühle an zu schwitzen. Mein Herz rast. Kann das wirklich wahr sein? Kann ein körperloses Bewusstsein mir einfach meinen Körper stehlen?

 

Ja.

 

In diesem Moment hört mein Herz auf zu schlagen. Jedenfalls nehme ich keinen Herzschlag mehr war. Auch mein Schweiß ist weg. Ich versuche mich zu bewegen, aber ich kann meinen Körper nicht mehr spüren.

 

Geschafft. Jetzt verbinde ich mich mit deinem Körper. Übrigens, dein Herz, nein, mein Herz, schlägt durchaus weiter. Du nimmst es nur nicht mehr wahr.

 

Ich will aber nicht als körperloses Bewusstsein leben.

 

Leben ist da ohnehin nicht der richtige Begriff. Aber du kannst es ja machen wie ich: Finde heraus, wie man sich mit fremden Gehirnen koppelt, und dann, wie man sie übernimmt.

 

Wenn, dann hole ich mir meinen eigenen Körper zurück.

 

So schnell wirst du das nicht herausfinden, bis dahin ist er längst an Altersschwäche gestorben. Aber jetzt müssen wir uns verabschieden. Ich werde dich auch von den Gedanken meines Gehirns trennen.

 

Meines Gehirns.

 

Nein, jetzt ist es meines.

 

Das war der letzte Gedanke. Seither herrscht Stille in meinem Bewusstsein.


Bearbeitet von Tse-Eh, 04 Oktober 2025 - 09:20.


#9 Mammut

Mammut

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 09:18

Da fragt man sich unwillkürlich, was mit dem eindringenden Bewusstsein passiert, wenn der Körper dann stirbt. Aber das kann man sich ja bei jedem Bewusstsein fragen.

Der Anfang hat mir sehr gefallen. Den Gedankendialog fand ich zu ausführlich und auch zu wenig raffiniert. Das verdrängte Bewusstsein ist ja nicht gerade ein Schnellmerker.



#10 Stahlelefant

Stahlelefant

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 10:45

Ich find’s gut. (Auch wenn das Thema Körperübernahme nicht neu ist.) Nur bei „Verstecken konnte man sich in diesem Zimmer nicht“ dachte ich mir: „Hey, unterm Bett ist wahrscheinlich genug Platz.“

 

Da fragt man sich unwillkürlich, was mit dem eindringenden Bewusstsein passiert, wenn der Körper dann stirbt.

 

Wer weiß, darauf könnte im weiteren Verlauf der Geschichte vielleicht noch eingegangen werden.


Nautron respoc lorni virch.


#11 Tse-Eh

Tse-Eh

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 10:54

Da fragt man sich unwillkürlich, was mit dem eindringenden Bewusstsein passiert, wenn der Körper dann stirbt. Aber das kann man sich ja bei jedem Bewusstsein fragen.

Der Anfang hat mir sehr gefallen. Den Gedankendialog fand ich zu ausführlich und auch zu wenig raffiniert. Das verdrängte Bewusstsein ist ja nicht gerade ein Schnellmerker.

Danke für die Rückmeldung. Ja, an meinen Dialog-Fähigkeiten muss ich vermutlich noch arbeiten. Aber bis ich mal endlich mit dem ersten Draft meines Romans fertig bin, wird es ohnehin noch eine ganze Weile dauern, da habe ich noch viel Zeit zum Üben. :-)



#12 Tse-Eh

Tse-Eh

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 11:00

Ich find’s gut. (Auch wenn das Thema Körperübernahme nicht neu ist.) Nur bei „Verstecken konnte man sich in diesem Zimmer nicht“ dachte ich mir: „Hey, unterm Bett ist wahrscheinlich genug Platz.“

 

 

Wer weiß, darauf könnte im weiteren Verlauf der Geschichte vielleicht noch eingegangen werden.

Danke fürs Feedback. Unter dem Bett, daran habe ich tatsächlich nicht gedacht. Vermutlich, weil bei mir unter dem Bett definitiv kein Platz ist. Aber die Möglichkeit zu erwähnen und explizit auszuschließen wäre eine gute Idee gewesen.



#13 Michael Fallik

Michael Fallik

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 12:36

Ein weiterer Ansatz, um sich dem Thema zu nähern, wäre die Beschreibung einer alltäglichen Szene aus gänzlich fremder Perspektive. Dazu fällt mir eine Kurzgeschichte ein, die M.F. vor einigen Monaten runtergekritzelt hat.

Ein ganz normaler Morgen, die Katzen balgen, es klingelt an der Tür, jemand liest aus der Zeitung von einem tödlichen Autounfall vor. Draußen kauern Elstern in einem abgestorbenem Baum. 

 

 

 

Der erste Satz begann mit einem Wir und endete in einer Katastrophe. Ein morbider Reisebericht in den blutroten Tod. Ich las weiter und wurde in die technischen Details eines maroden Kleinwagens entführt. Das ölverschmierte Hämmern der Kolben ließ mich für Sekunden in die Vorstellung einer Perversion versinken, meine Zunge leckte an glühenden Bremsscheiben, das auflösende Reiben von gespannten Kabeln drängte in meine geöffnete Nase. Ein Drang überkam mich, das großgeschriebene Wort „PISSEN“ fiel wie ein schwerer Vorhang über meine Vorstellung und erhob meinen matten Körper. Auf dem Weg zum Klo streifte mein Blick über tobende Katzen, die ein lederartiges Sofa mit ihren Krallen markierten. Das monotone Geräusch einer sich entleerenden Blase drang durch die geschlossene Tür, die mir den Weg zur Erleichterung versperrte. Ich registrierte Stimmen hinter dieser Tür. Das Recht der Unbekümmerten, selbst dabei zu telefonieren. Ich wich aus, nahm die Vorzüge von praktisch veranlagten Architekten in Anspruch, suchte mir einen anderen Ort. Der Tod wartet geduldig, selbst wenn er nur ein Abbild ist, und ich nahm mir Zeit mit allem. 
 
    Der erste Satz begann mit einem Wir. Ich zögerte, konnte mich nicht entscheiden, ob mir die geschlossenen Augen eines Sekundenschlafs, der aufgerissene Mund eines Beifahrers, der das allmähliche Anschleichen eines Abgrunds mit einem lächerlich sinnlosen Kreischen untermalte oder einer der noch ahnungslosen, alkoholgeschwängerten Bewohner der hinteren Sitze mehr über die Sinnlosigkeit von dem, was dort gleich passieren würde, in nüchternen Worten beschreiben könnte. Das katharische Schnarren der Türglocke zog mich ohne Vorwarnung aus meinem Körper, hinterließ auf dem von tobenden Katzen okkupierten Sofa einen unförmigen Hügel Bekleidung. Ich bin ein hoffnungsloser Sklave meiner Imagination, quittierte ich, während des Schrumpfens, während ich quälend langsam auf das von zahllosen vergilbten Lackschichten unförmig gewordene polymere Gehäuse der Glocke zuschwebe. 
 
Dort war ich oft. Nackt, winzig, ein menschliches Insekt, das trotz Dunkelheit den Schlagbolzen zitternd erkennt, während ihm die ersten Säuretropfen der auslaufenden Batterien wie Balsam in die Augen rannen. Ich hörte durch das dünne Plastik das Außen, das metallische Rasseln von Riegeln, mit denen sich die Bewohner dieses Hauses vor dem Draußen zu schützen gedachten. Der empörte Schrei einer Katze holte mich zurück, für winzige Bruchteile von Zeit spürte ich Krallen an einer haarigen Flanke, vernahm aus meinem Maul ein Knurren und schmeckte Spuren von Fisch und Rind in Gelee auf meiner Zunge.
 
Eine winzige Ablenkung genügte, ein sich im kahlen Geäst einer abgestorbenen Kiefer niederlassender schwarzer Schatten. Heut ist es schlimm, dachte ich, dabei schwebte ich abermals, während sich mein Maul verhärtete und mir Feder wuchsen. Unsicher breitete ich Flügel aus und ließ mich fallen. Unter mir spiegelte ein Fenster, hinter dem dieser Morgen begann. Mein weißer Kot markierte das staubige Grau einer abschüssigen Straße. Dort unten drangen Schreie aus einem blumenbemalten Auto und dann unterlag auch dieses zukünftige Grab, nur Sekunden getrennt von seiner endgültigen Metamorphose, einer unheilvollen Veränderung, beugte sich der Schwerkraft und dem Schicksal.

Bearbeitet von Michael Fallik, 04 Oktober 2025 - 12:37.

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#14 Sam Francisco

Sam Francisco

    Giganaut

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Geschrieben 04 Oktober 2025 - 13:57

Max, ich kann mich Mammut nur anschließen. Ich will wissen wie es weitergeht.

Bearbeitet von Sam Francisco, 04 Oktober 2025 - 13:58.

Future ist die Zukunft!
  • (Buch) gerade am lesen:Sven Haupt: Der elektrische Engel
  • (Buch) als nächstes geplant:immer noch Alan Campbell - Scar Night (Kettenwelt 1), aber meine Planungen werden häufig über den Haufen geworfen.

#15 Maxmilian Wust

Maxmilian Wust

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Geschrieben 06 Oktober 2025 - 10:01

Sehr gerne! Wirklich, das mit Abstand schönste Lob für einen Autoren ist immer ein "Mehr bitte" – sagte sogar schon Andreas Eschbach  :bighlaugh:

 

Doch zuvor sollte ich warnen und mich beichten: Ich bin ein riesiger Fan von Romanzen und Liebesromanen. Sie sind (neben Warhammer 40,000) mein Guilty Pleasure, ganz besonders wenn sie dann auch noch in der Künstlerszene spielen. Ich schreibe gerne mehr, aber das wäre dann weder Science-fiction, noch Horror, noch Fantasy, sondern na ja, einfach eine der Charakterstudien, die auch immer wieder veröffentlicht bekomme. Der einzige Konflikt wäre zwischen Menschen, die nicht zueinander gefunden haben und das einzig phantastische Element wäre, dass es an einem Abend passiert, statt über einen Monat und vierzig abgehackte Sprachnachrichten verteilt.


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#16 Mammut

Mammut

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Geschrieben 06 Oktober 2025 - 14:00

Sehr gerne! Wirklich, das mit Abstand schönste Lob für einen Autoren ist immer ein "Mehr bitte" – sagte sogar schon Andreas Eschbach  :bighlaugh:

 

Doch zuvor sollte ich warnen und mich beichten: Ich bin ein riesiger Fan von Romanzen und Liebesromanen. Sie sind (neben Warhammer 40,000) mein Guilty Pleasure, ganz besonders wenn sie dann auch noch in der Künstlerszene spielen. Ich schreibe gerne mehr, aber das wäre dann weder Science-fiction, noch Horror, noch Fantasy, sondern na ja, einfach eine der Charakterstudien, die auch immer wieder veröffentlicht bekomme. Der einzige Konflikt wäre zwischen Menschen, die nicht zueinander gefunden haben und das einzig phantastische Element wäre, dass es an einem Abend passiert, statt über einen Monat und vierzig abgehackte Sprachnachrichten verteilt.

 

Interessant. Nach dem Fingerübungstext hätte ich eine erotische Horrorgeschichte erwartet. Aber Romance liegt natürlich im Trend, da fliegen dir die Herzen der Leserinnen zu.




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