Du hast dir ja richtig Mühe gegeben, um uns deine Geschichte zu erklären. Dann will ich auch noch ein paar abschliessende Gedanken geben.
fast ausschließlich auf meine Gefühle geachtet und rein intuitiv Situation an Situation gereiht. Ich habe diesen Ort mit der Säule vor mir gesehen, die Ausgrabungsstätte, das komische Ding (in meinen Gedanken sieht sie übrigens dunkelblau fast schwarz aus und ist eigentlich schon mehr eine Stange), die Wärme und wie die beiden Forscher sich auf ihre ersten Untersuchungen vorbereiten.
Diese "Arbeitsweise" ist perfekt. Diese Arbeitsweise ist dies: Die Entstehung einer Idee.
Unsere Gehirnchen krümmen sich oft und viele Kurzgeschichten entstanden mit einem Gefühl oder einem Bild (bzw. einer Bildszene) im Kopf.
Normalerweise folgt dann eine zweite "Arbeitstechnik", der Autor macht ein paar Notizen und er schreibt ein paar erste Sätze und vielleicht schon ein paar grobe Szenen auf.
Danach folgt im Normalfall die dritte "Arbeitsstufe": das Umschreiben. Der Autor schaut sich an, was er da auf dem Papier geschmissen hat, man lacht mal laut auf, streicht, verbessert, denkt Szenen hinzu und versucht die ursprünglichen Gedanken zu behalten durch sie für das zukünftige Lesepublikum überzeugend darzustellen (so, dass diesem Publikum das gleiche Gefühl wie dem Autor überkommen, bzw. ähnliche Bilder im Kopf entstehen).
Das erste Problem mit deinem vorgestellten Text, Henrik, ist, dass du die dritte Arbeitsstufe kaum durchgeführt hast. Du hast die zweite Arbeitstechnik (das erste Hinschmeissen auf Papier) besonders lange durchgeführt und dann das Resultat fälschlicherweise als prinzipiell fertige Story akzeptiert. (Sorry, aber ich sehe es so, auch wenn du und anderen vielleicht nicht einverstanden sind.)
Ich wollte den Leser genau so verwirren. Die Handlungen sind nicht mehr logisch nachvollziehbar, zumindest nicht im rationalen gewohnten Kontext. Ich wollte das Gefühl einfangen, wie es ist durchzudrehen. Da wird einem nicht schwindelig, da sieht man keine bunten Farben oder verzerrte Perspektiven. Nein, alles ist wie vorher, nur dass die Handlungen nicht mehr in einem logisch zusammenhängenden Kontext stehen. Weil man selber durch sein Irresein für andere nicht mehr in einem logischen Kontext steht.
Dies gelingt dir auch. Die Leute reagieren erst normal, die Situation ist normal (mal abgesehen von dem Fensterglas). Dann liest der Leser, wie die Leute durchdrehen. Für den Leser ist dies ganz verständlich und akzeptabel. Es gibt eine merkwürdige Säule, Menschen nähern sich der Säule, Menschen drehen durch. Schlussfolgerung von Ursache und Wirkung: Die Säule macht den Menschen verrückt.
In meinem ersten Posting habe ich dich nicht ausdrücklich gelobt bei dieser gelungenen Beschreibung, weil ich dies nicht als schriftstellerische Meisterleistung ansehe, sondern als logische Folgerung, die einfach aufgeschrieben wurde.
Grundsätzlich hatte ich die Idee, dass am Anfang der Geschichte alles normal ist
Das ist gelungen.
dann kommt ein Art Erklärungsversuch für die Essenz der Säule
Dies ist
das zweite Problem mit der Story. Du hast diesen Erklärungsversuch ausgelassen.
und genau an diesem Punkt, an dem man sich als Leser für die Säule interessiert und begreifen will, was das eigentlich ist, an diesem Punkt spielen die beiden Forscher, die Geschichte und der Schreibstil verrückt.
Das ist gelungen.
Im nachhinein betrachtet ist dieser erste normale Teil vielleicht zu kurz geraten. Der hätte wohl etwas länger sein müssen.
Nein, die Länge ist nicht das Problem. Die Klarheit ist das Problem. Die Hintergrundinfo über die Säule muss geliefert werden. So etwas klappt auch mit wenigen Worten, du kannst andere unwichtige Umstände streichen (Pinkeln, Fensterglas), wenn dir die Kürze wichtig ist.
Im Falle der Säule wollte ich ein Objekt haben, dass ein Mensch nicht begreifen kann. Es geht einfach nicht. Dieses Objekt ist nicht dazu gemacht, von Menschen begriffen zu werden. Nicht, weil wir noch nicht intelligent genug sind oder weil wir noch nicht die richtige Mathematik erfunden haben, sondern weil wir Menschen sind. Es soll nicht von Menschen begriffen werden.
2001
Wie ist es möglich, dass dir die Parallelen nicht sofort aufgefallen sind?
Noch schlimmer: Wer es versucht, der wird bestraft. Und zwar recht drastisch. Wobei „Strafe“ eigentlich nicht die korrekte Bezeichnung ist; es könnte sich dabei eigentlich auch um eine Art Nebeneffekt der eigentlichen Funktion handeln.
2001
Auch wenn es in 2001 weniger drastisch und weniger klar und nicht sofort stattfindet, wie es in Piquadrat der Fall ist.
zu der logischen Erklärung der Geschichte hinüber: Wie gesagt kommt nur die Person, die überhaupt kein Interesse an der Säule hat, ohne Strafe davon: Die Fahrerin. Die hat nur ein Interesse an der Knete, die sie mit den Fahrten verdient. Für sie ist die Säule Mittel zum Zweck aber nicht der eigentliche Zweck. Die Forscher kommen dagegen nicht weiter.
Dass die ultrabekannte Grundidee von 2001 benutzt wird, ist akzeptierbar, falls die Geschichte ausgebaut wird mit weiteren, neuen Elementen. Genau das geschieht hier: Wenn die Säule in Ruhe gelassen wird, gibt es kein Problem; wird sie dagegen gestört, findet ein Selbstverteidigungsmechanismus statt.
Allerdings schreibst du das nicht auf. Es gibt nur die Fahrerin, die davon kommt und dann müssen die Leser raten. Dieses Raten machte ich dann auch (automatisch im Hinterkopf).
Weshalb flippt die Fahrerin nicht aus? Ich selbst sah gleich zwei Möglichkeiten. A ) Sie ist nur ganz kurz bei der Grube - die Säule wird erst nach ein, zwei Minuten aktiv. B ) Sie ist eine Frau - der Abwehr findet nur statt, wenn Testerone (oder so) von der Säule entdeckt werden.
Du siehst: Es gibt logische Erklärungen.
Punkt: Ein Leser denkt nicht so wie der Autor.
Wenn der Autor will, dass der Leser so denkt wie er selbst, dann muss er den Leser lenken!
Leserlenkung ist nicht das Gleiche wie jede Kleinigkeit erklären oder sogar den Plot erklären.
Piquadrat ist ein gutes Übungsbeispiel.
Der Autor hätte schreiben sollen, wie uninteressiert sie an der Säule und an den Toten ist, weil sie geldgierig ist. Dann kommt der Leser auf die Idee, dass dies mit der Immunität für die Säule zu tun hat.
DANN denkt der Leser weiter über die Geschichte nach, sogar Stunden nachdem die Geschichte gelesen worden war: "Oh, wie geldgierig wir doch geworden sind, wie wenig wir uns im Alltag für Wissenschaft interessieren. In diesem Fall hat es aber ausnahmsweise mal genutzt."
Dies ist
das dritte Problem der Story: Der Autor (sorry, Henrik) nimmt an, dass Leserlenkung unnötig ist. Im spezifischen ist es das Problem, dass die Fahrerin (sprich: der Weg zur Lösung) nicht ausreichend dargestellt wird.
Noch etwas: Jetzt ohne die Stellen nachzuschlagen, habe ich das Gefühl, dass der Ton von dir, Henrik, etwa Folgendes sagt: He, berühmte Schriftsteller schreiben auch so (bzw. berühmte Filmemacher/Künstler erzählen auch so). Weshalb soll ich diese Profis nicht folgen?
Ich muss dabei denken an einem Gespräch, dass ich vor etwa 10 Jahren mit jemandem hatte. Wir redeten über einen Roman von Stephen King und ich bemängelte ein paar Stellen, die einfach undeutlich waren. Mein Kollege sagte darauf: "Er ist Stephen King. Er muss es nicht erklären!!! Er ist der Meister. Er ist der King."
Auch wenn ich Stephen King nicht so einfach von der Leine lassen möchte, ist was Wahres dran beim Gesagten. Leser akzeptieren einen experimentellen Stil und oft auch einen Missschritt eines schon berühmten Künstlers. Leser akzeptieren aber keine schlecht erzählten Geschichten von Unbekannten - sie wollen nicht das Genie entdecken (was bei einer Berühmtheit wohl ein Spass ist), sondern sie wollen unterhalten werden und falls möglich dabei eine Bereicherung für ihr eigenes Leben erfahren.