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Der Zweite Planet der Ogg


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#1 Trurl

Trurl

    Phanto-Lemchen

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Geschrieben 27 November 2004 - 15:25

Der zweite Planet der Ogg
von Péter Lengyel

aus dem Ungarischen von Gottfried Feidel
Marion von Schröder Verlag, 1972
Edition science fiction und fanatastica


Ich möchte hier einen SF-Roman aus dem ost-europäischem Literaturraum vorstellen, der vermutlich inzwischen in völlige Vergessenheit geraten ist, aber von dem ich völlig begeistert war, als ich ihn vor fast 30 Jahren (du meine Güte wie die Zeit vergeht....) zum ersten Mal las.

Zum Inhalt:
Es beginnt vor 2500 Jahren, als die Römer endgültig ihren Triumph über Karthago besiegeln.

Auf dem fernen Planeten Eela leben Menschen bereits seit Jahrhunderten ohne Kriege, scheinbar friedlich in einem hochentwickelten technischen Paradies. Diese Harmonie wird gestört, als nach einer Reise von 700 Jahren die erste interstellare Sternen-Expedition wieder nach Eela zurückkehrt. Die Raumfahrer werden von ihren Nachfahren freundlich empfangen, haben aber Schwierigkeiten sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Bald merken sie, dass etwas nicht stimmt. Man versucht durch psychologische Konditionierung, Dinge vor ihnen geheim zu halten. Die Raumfahrt wurde vor einigen Jahrzehnten ohne Grund aufgegeben und der ehemals besiedelte Mond Prokron ist verlassen. Hinter der scheinbaren Freundlichkeit schimmert versteckte Angst. Die Raumfahrer geben aber nicht auf und finden den wahren Grund, der hinter den seltsamen Ereignissen auf Prokron steckt.

Vor 30 Jahren, kam es zu einem Kontakt mit einer den Eelanern unbekannten, technisch hoch entwickelten Zivilisation. Der automatische Beobachter erwies sich allerdings als ungewöhnlich aggressiv und feindselig. Nur knapp und mit viel Glück konnte dieser Roboter mit einer Kobaltbombe unschädlich gemacht werden. Die Menschen, die den Kontakt mit dem Roboter überlebten, starben dabei. Spätere Untersuchungen der - überraschenderweise - kaum zerstörten Überreste zeigten, dass die Zivilisation, der dieser Automat entstammte, den Eelanern technisch um Jahrtausende voraus sein musste, aber vollkommen unmenschlich und allem organischen Leben gegenüber absolut feindselig reagierte. Der einzige Sinn und Zweck der Robot-Erkunder war es organisches Leben ausfindig zu machen, damit es später vernichtet werden kann. Doch warum? Dieser 1. Erkunder war nämlich nur rein zufällig auf Eala gestoßen, doch sobald weitere Roboter das Sonnensystem der Eelanern erforschten, wäre der sichere Untergang der elanischen Rasse besiegelt. Für die friedlichen Eelaner war diese Erkenntnis ein Schock und die Regierung Eelas reagierte mit resignativer Starre. Die interstellare Raumfahrt wurde daraufhin sofort eingestellt, die Ergebnisse des ersten Kontakts mit anderen intelligenten Wesen im All wurde vor der Bevölkerung streng geheim gehalten.

Als die Raumfahrer dies erfahren, fassen sie einen folgenreichen Entschluss. Da ein Kampf wegen der technologischen Überlegenheit der Fremden sinnlos ist, bleibt als die einzige Option die der Flucht von Eela um die menschliche Rasse zu retten und genügend Zeit zu gewinnen den Vorsprung der Fremden aufzuholen. Es gelingt ihnen, ohne Wissen der Regierung, eine Reihe der besten Köpfe Eelas um sich zu versammeln und heimlich einen Rettungsplan zu erarbeiten.

Damit beginnt das unglaublichste Projekt in der Geschichte Eelas.....

Fazit:
"Der zweite Planet der Ogg", ist soweit ich informiert bin, Lengyels einziger SF-Roman gewesen. Zumindest ist hier im Westen habe ich seither nie wieder etwas von ihm gehört. Schade.

Es gibt eine Handvoll Romane von denen man, ohne konkret sagen zu können warum, einmal restlos begeistert gewesen ist. So ist es mir mit diesem Roman gegangen. Das ist auch der Grund, weshalb ich ihn jetzt noch einmal aus der Versenkung herausziehe.

Das ist jetzt kein literarischer oder tiefgründiger SF-Roman, obwohl die Sprache sehr angenehm ist und leicht zu lesen. Aber der Roman ist durchaus nicht oberflächlich und wartet mit einem nachdenklich machenden Schluss auf, der als Anspielung auf den kalten Krieg sowie die atomare Bedrohung gelesen werden kann.

Der Roman schildert ein phantastisches Weltraum-Abenteuer, eine Space-Opera der anderen Art, wie man sie in der amerikanisch geprägten westlichen SF nicht kennt. Die Elemente sind ähnlich - hier die gefährlichen Außerirdischen, dort die bedrohte Menschheit (Eela) -, die Umsetzung aber erfrischend unkonventionell. Überaus spannend erzählt Lengyel von dem gewagten Unternehmen einer fremden menschlichen Rasse, die, als sie gerade beginnt die Sterne zu erforschen, erkennen muss, dass ihre Zukunft schon fast zu Ende ist. Mit einer Bedrohung konfrontiert, die ihrer Zivilisation die sichere Vernichtung bringt, raffen sich diese friedlichen Menschen auf und beginnen ihr Überleben zu organisieren. Der Roman spannt einen 2500 Jahre dauernden Bogen, der in der Vergangenheit dieses Volkes beginnt und sich bis zur finalen Begegnung beider verfeindeter Zivilisationen erstreckt. Das ist spannend und faszinierend zu lesen.

Eela wird als Parallelerde geschildert, wie sie vielleicht irgendwo existieren könnte, hätte unsere Geschichte in der Vergangenheit einen etwas anderen Verlauf genommen.

Vieles erscheint heute vielleicht allzu naiv utopisch, und der Roman wirkt aus heutiger Sicht mehr wie ein Jugendbuch. Vielleicht sind die Eelaner einen Tick zu edel und zu gut um wirklich glaubwürdig zu sein. Andererseits ist es mitunter eine Wohltat von Menschen zu lesen, die zur Abwechslung nicht in einer kaputten, zerstörten Welt leben, die noch Ideale haben und bereit sind für die Zukunft ihrer Kinder Opfer zu bringen. Menschen, die Dinge leisten die unmöglich erscheinen und denen es entgegen jeder Wahrscheinlichkeit gelingt, ihre Ziele zu verwirklichen. Die Eelaner sind jeden falls echte Menschen, Identifikationsfiguren, mit denen man sofort mitfiebert und mit leidet.

Zu den Fremden nur soviel: es sind faszinierende Geschöpfe, die den Menschen überhaupt nicht gleichen und deren Tragödie in ihrer Paranoia begründet ist.


Eine Anmerkung zur Buchreihe:
Erschienen ist der Roman bei uns bei Marion von Schröder in der legendären Reihe science fiction und fantastica. Legendär deshalb, weil innerhalb dieser Phantastik-Reihe Anfang der 70er Jahre eine ganze Vielzahl der besten SF-Romane erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht wurden. Diese Reihe ist bis heute einzigartig und wäre unter den jetzigen Marktverhältnissen nicht mehr denkbar. Ja das waren noch goldene Zeiten für die SF ..... damals.

Lems "Solaris" ist hier erstmals in deutsch erschienen, aber auch anglo-merikanische SF von J.G.Ballard ("Kristallwelt"), Ray Bradbury ("Die Mars Chroniken"), Thomas Disch ("Camp Concentration"), Philip K. Dick ("Träumen Roboter von elektrischen Schafen") und viele andere Spitzentitel, die mir auf Anhieb nicht mehr einfallen.
Vielleicht erinnert sich ja jemand von den älteren Fans an diese Reihe.

Trurl
»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

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