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John Brunner


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31 Antworten in diesem Thema

#1 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 30 November 2004 - 09:12

Hallo,

im Augenblick setze ich mich verstärkt mit dem englischen Autor John Brunner auseinander.

Neben Morgenwelt, Schafe blicken auf, der Schockwellenreiter und Der Infinitiv von GO, die sich in meiner Sammlung befinden, hat dieser Autor ja noch weitere Werke geschrieben.

Vielleicht finden sich hier ja ein paar Mitleser, die noch weitere Bücher von Brunner empfehlen, oder davon abraten können... am besten mit ausführlicher Begündung.
:lol:

Ich mache mal den Anfang...

mit einer Kurz-Rezension zum Roman Der Infinitiv von GO

Der Infinitiv von GO / John Brunner

John Brunner gehörte zu den intelligentesten Schriftstellern der Science Fiction Literatur. Seine Fictionen einer zukünftigen Welt, in den Siebzigern und Achtzigern geschrieben, entlarven sich immer mehr zu ziemlich genauen Voraussagen unserer heutigen Lebensumstände.
Seine Romane "Morgenwelt" und "Schafe blicken auf" gelten mittlerweile als Beispiel dafür, wie durch Beobachtungen und präziser Extrapolation der täglichen Ereignisse zeitnahe SF einen Blick in die Zukunft erlaubt.
Der vorliegende Roman des 1995 verstorbenen englischen Schriftstellers setzt sich mit der möglichen Existenz von Alternativwelten auseinander. Allerdings, und das unterscheidet ihn von anderen Werken zu diesem Thema, benutzt er keine extrem anders gestaltete Parallelwelt, sondern lässt den Leser an kleinen Veränderungen teilhaben, die trotzdem das Leben in vollkommen andere Bahnen lenken können.

Klappentext:
Als sie die ersten Menschen durch den >Poster<, einen Materietransmitter, schickten, traten bei den Versuchspersonen seltsame Erinnerungsstörungen auf. Sie hatten das Gefühl, in eine Wirklichkeit befördert worden zu sein, die nicht ganz der entsprach, aus der sie kamen. Waren es die starken elektrischen Felder des Geräts, die nachhaltig die Gehirnströme störten und Gedächtnisinhalte veränderten, oder war es tatsächlich - die Wirklichkeit, die sich bei jedem Transfer veränderte?
Dann trat ein Notfall ein, und sie mussten den schwerverletzten Ed Landini mit dem Poster von der Raumstation herunterholen, weil er einen Transport im Shuttle nicht überlebt hätte.
Was unten eintraf, war - ein Zweibeiner von vage hundeartigem Aussehen in einem unbekannten Raumanzugtyp. Auf irgendeine Weise hatte der Poster Kontakt mit einem Wesen von einem fremden Universum herstellen können. Als die Kreatur wieder zu Bewusstsein kam, sprach sie Englisch - und erzählte der Krankenschwester einen dreckigen Witz.
Als sie das Alien nach seinem Namen fragen, antwortete es: „Ed Landini - natürlich“ ....

Wie in vielen anderen Romanen Brunners, steht die Technik auch bei diesem Buch nicht im Vordergrund. Die erklärenden Zusammenhänge zwischen Poster-Funktion und Parallelwelten tangieren sehr stark den philosophischen Bereich und bieten dem SF-Leser einmal eine andere Art der Science Fiction. Sehr vorsichtig und behutsam verändern sich die Realitäten; auf actiongeladene Szenen wird, bis auf die Anfangssequenz, verzichtet.
Wie von Brunner beabsichtigt, lädt dieses Buch zum Nachdenken ein. Die Optionen zu ´was wäre, wenn...´ sind vielschichtig. Wären wir technologisch weiter oder rückständiger, wenn einige Geschehnisse anders oder mit anderem Ausgang stattgefunden hätten. Der Autor stellt einige Möglichkeiten vor, die er aber bewusst nicht als definitive Einordnung in eine bessere oder schlechtere Welt darstellt.
Die Story selbst hat, großzügig ausgelegt, das Format einer längeren Kurzgeschichte. Auf 192 Seiten gestreckt, wird die Idee um die Funktion und die Folgen des Posters mit einigem Füllmaterial angereichert, das den Lesefluss aber nur minimal stört.

Der Infinitiv von GO reicht sowohl stilistisch als auch von der Erzählweise her nicht an Brunners berühmtesten Werke heran, beinhaltet aber eine Aussage, die der persönlichen Spekulation reichlich Platz einräumt und dem Leser länger im Gedächtnis bleibt.
Damit erfüllt der Roman den Zweck, den John Brunner stets seinen Büchern mitgegeben hat... statt pure Unterhaltung zu liefern, dem Leser die Möglichkeit zum Mitdenken anzubieten.

Buchdaten:
Der Infinitiv von GO / John Brunner
Heyne Ausgabe von 1983
Reihe: SF / Band 3964
Übersetzung: Hans Maeter
ISBN: 3-453-30896-4


Gruss
Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 30 November 2004 - 09:23.

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#2 nachtstrom

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Geschrieben 30 November 2004 - 15:12

hi!das thema john brunner finde ich sehr interessant. obwohl ich mir vor längerer zeit ein paar wenige bücher von ihm ersteigert habe, harrt er noch immer meiner aufmerksamkeit. ich wollte zwar eigentlich gerade mit haldemans *der ewige krieg* beginnen, nehme diesen thread aber zum anlaß, und werd mich gleich einmal in brunner´s *morgenwelt* vertiefen, denn dieses buch erscheint mir sehr interessant. laut klappentext geht es um ein porträt unserer welt im 21. jhdt (geschrieben 1968), spielt in europa, afrika, usa und asien und berichtet über die zukunft intelligenter roboter, psychedlischer drogen, gentechnik und viele andere themen mehr. *morgenwelt* (im original *stand on zanzibar*) dürfte ein ziemlicher klassiker sein, denn es wurde mit sf- preisen überhäuft: gernsback award, prix apollo usw.bin schon sehr gespannt, und werd einfach mal demnächst mal was dazu posten!!walter
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#3 Jürgen

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Geschrieben 30 November 2004 - 15:54

@nachtstromMit Morgenwelt wagst du dich an einen schwierigen Klassiker ran.Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, weil der Erzählstil vollkommen anders ist, als im SF-Mainstreambereich.Es ist kein Buch zum "einfach durchlesen" GrussJürgen
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#4 nachtstrom

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Geschrieben 30 November 2004 - 18:40

@ jürgenich bin nicht enttäuscht, wenn etwas nicht so mainstreamig ist. aber ich weiß was du meinst, ich hab schon ein wenig probegelesen, der stil ist sehr *fragmentarisch*ich probiers aber trotzdem mal, nach 1200 seiten *heb-die-hände-hoch-chummer-sonst-puste-ich-dir-deine-schwarze-seele-in-die-hölle-so-ka?* hab ich mal so richtig lust auf SF, bei der man den kopf ein wenig anstrengen muß ;) was ich noch habe vom brunner ist ein sammelband: *die opfer der nova* mit den romanen *polymath*, *die rächer von carrig* und *die erlöser von zyklop*.unglaublich, ich sehe gerade, was alleine heyne in den 80er/90ern(?) von brunner veröffentlicht hat- da komm ich fast auf 40 taschenbücher...walter
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#5 Jürgen

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Geschrieben 30 November 2004 - 19:54

ich probiers aber trotzdem mal, nach 1200 seiten *heb-die-hände-hoch-chummer-sonst-puste-ich-dir-deine-schwarze-seele-in-die-hölle-so-ka?* hab ich mal so richtig lust auf SF, bei der man den kopf ein wenig anstrengen muß

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#6 dyke

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Geschrieben 30 November 2004 - 21:57

Hi,ich habe vor 20 und mehr Jahren so um die 15 Bücher von John Brunner gelesen und erwähnenswert ist MorgenweltSchafe blicken aufDer Schockwellenreiter Die Plätze der Stadtder Rest nicht schlecht, aber nicht besonderes herausragend, scheint mir für den täglichen Bedarf geschrieben, denn irgenwie muss der Autor ja schließlich leben. ;) LG DYke

#7 Gast_Jorge_*

Gast_Jorge_*
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Geschrieben 30 November 2004 - 22:11

Vielleicht finden sich hier ja ein paar Mitleser, die noch weitere Bücher von Brunner empfehlen, oder davon abraten können... am besten mit ausführlicher Begündung.

"Doppelgänger" Ein Angler glaubt eines Tages den Fang seines Lebens zu machen und erlebt eine bitterböse Überraschung.... und als dann noch der vermißte Pilot eines vor Tagen im gleichen Meeresgebiet abgestürzten Kleinflugzeuges an Land wankt, beginnt für die Menschen an diesem Küstenstrich der Horror ihres Lebens. Der Roman ist eine interessante SF/Horror-Variante von "Wer da"; nicht so anspruchsvoll wie "Morgenwelt" oder "Der Schockwellenreiter", eher routiniert geschrieben, aber empfehlenswert. "Die Pioniere von Sigma Draconis" Eine Gruppe von Kolonisten wird in ihrer neuen Heimat durch eine Infektion einheimischer Mikroorganismen in ihrer Existenz bedroht und findet durch Zufall ein Heilmittel. Sehr dürftiges Buch mit einer lächerlichen Rettung: LSD-ähnliche Substanz in den fremden Nahrungsmitteln führen zu einer Heilung und zu einem neuen Bewußtseinszustand, durch den es den Kolonisten erst ermöglicht wird, ihre neue Heimat mit den "richtigen" Augen zu sehen und zu nutzen ;) "Das Geheimnis der Draconier" Eine Gruppe von Spezialisten soll auf einem fremden Planeten in den Überresten einer fremden Kultur den Grund für deren rasanten Aufstieg und plötzliches Verschwinden finden, um eine eventuelle gleiche Entwicklung auf der Erde zu verhindern. Stark behindert werden sie durch die Fremdheit der untergegangenen Alienzivilisation und durch mißtrauische Kontrolleure von einer hoffnungslos zerstrittenen und übervölkerten Erde. Im Gegensatz zu "Die Pioniere..." ist der fremde Planet kein Ort zum dauerhaften Leben für die Menschen, und auch die letztliche Entdeckung der Ursache für das Verschwinden der Fremden nützt der Menschheit(und den nach dem Ausbleiben des Versorgungsschiffs abgeschnittenen Forschern) nichts: Die Geschichte geht für alle böse aus... Lesenswerter Roman mit einem Ende, das alle mögen werden, die die üblichen "Alles wird gut"-Happyends hassen.

#8 bille

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Geschrieben 30 November 2004 - 22:36

Hallo Leute,Morgenwelt und Schafe blicken auf gehören für mich zum besten, was in der SF bisher geschrieben wurde.Auch die anderen beiden Bücher, die DYKE aufgeführt hatDer SchockwellenreiterDie Plätze der Stadt sind wirklich klasse Bücher.Auch "Ein irrer Orbit" gehört ebenso dazu wie der Erzählband "Von diesem Tage an".Klar, einiges, das er schrieb sind wirkich nur BrotundButter-Bücher, die eigentlich aber jeder Autor geschrieben hat.Insgesamt aber ist John Brunner eines der echten Highlights im Genre.Ein Mensch mit scharfem Vorausblick.

#9 Rusch

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Geschrieben 30 November 2004 - 22:58

"Der Doppelgänger" ist ein gutes Buch mit einem Wahnsinns Schluss. Brunner hat tolle Geschichten verfasst ähnlich wie Heinlein und hatte ein Talent dafür, fremde Welten und Gegenden zu beschreiben. Ich habe einiges von Brunner gelesen, aber zu seinen berühmten Werken fand ich keinen Zugang. Das war mir zu sperrig.

#10 Konrad

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 00:08

Hallo,ich habe Brunner, ähnlich wie Dyke, vor längerer Zeit gelesen und zufälligerweise auch noch 15 Bücher von ihm im Regal.Neben den schon genannten sind mir noch zwei weitere als hervorragend in Erinnerung geblieben:"Der galaktische Verbraucherservice: Zeitmaschinen für Jedermann", eine KG-Sammlung für Liebhaber von skurilem Humorund"Die Gussform der Zeit", ein Roman über eine fremde Zivilisation und die Anpassungsfähigkeit der Evolution"Morgenwelt", muß ich gestehen, habe ich erst im dritten Anlauf geschafft.Wer Romane mit einem durchgängigen Erzählstrang bevorzugt, sollte m.E. die Finger davon lassen.Negativ würden man sagen "Ein Haufen unzusammenhängender Erzählschnipsel", positiv "Eine impressionistische Kollage der Zukunft"; die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.Gruß,Konrad

#11 dyke

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 00:52

Zum Stil von MORGENWELT: es ist eine Art experimentelle Collage, wie sie John Dos Passos in Manhattan Transfer und seiner U.S.A.-Trilogie erstmals einsetzte. Wie bei Dos Passos wird die Technik des Films kopiert, die abrupten Schnitte, der Wechsel von der Totalen zur Großaufnahme, und dazwischen Tagesnachrichten, Schlager, Kurzbiographien realer wie erfundener Personen. Gewöhnungbedürftig, aber vielleicht gerade im Zeitalter des "Zappens" wieder up to date.LG Dyke

#12 nachtstrom

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 06:19

hui i glaub mir ist morgenwelt zu echt zu heftig momentan http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/ohmy.png man kann das schlecht vergleichen, aber es erinnert mich grade sehr an die qual die ich hatte, als ich versuchte, *mille plateaux* von deleuze/ guattari zu lesen; die einzelnen gedanken waren sehr faszinierend, aber den zusammenhang, den brachte ich nicht auf die reihe.... naja vielleicht sollte ich wirklich mal mit was *leichterem* von brunner beginnen - kennt jemand *Die opfer der nova* ? ;) walter
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#13 Rusch

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 07:49

Ich glaube Brunner hat nur schwere und leichte Bücher verfasst. Opfer der Nova ist ebenso ein leichtes Buch wie auch Bürger der Galaxis oder Agentin im Kosmos. Vielleicht ein wenig anspruchsvoller sind "Treibsand" und "Der Doppelgänger"

#14 Jürgen

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 08:10

Vielleicht ein wenig anspruchsvoller sind "Treibsand" und "Der Doppelgänger"

jepp... so ordne ich die beiden Bücher auch ein http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/smile2.gif @nachtstrom bevor du dich mit "halben" sachen rumärgerst... enpfehle ich dir freundschaftlich doch lieber den Haldeman Der ewige Krieg ist ein Klassiker, hat eine ungewöhnliche Story UND einen tollen Stil. Damit kannst du nach allgemeinen Ermessen nichts falsch machen. ;) .. und auf eine Kurz-Rezi von dir zu diesem Buch wäre ich schon gespannt. @bille kannst du über "ein irrer Orbit" mal ein bischen was schreiben ? Ich kenn das Buch nicht mal vom Titel her. Gruss Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 01 Dezember 2004 - 08:16.

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#15 Jürgen

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Geschrieben 01 Dezember 2004 - 14:10

@dyke

Wie bei Dos Passos wird die Technik des Films kopiert, die abrupten Schnitte, der Wechsel von der Totalen zur Großaufnahme, und dazwischen Tagesnachrichten, Schlager, Kurzbiographien realer wie erfundener Personen. Gewöhnungbedürftig, aber vielleicht gerade im Zeitalter des "Zappens" wieder up to date.

Wobei der Unterschied im behandeln von schnellen Schnittfolgen wesentlich ist: Auf der Länge des ganzen Films wirkt die Art der Darstellung sehr anstregend, im Buch kann der Leser auch mal eine längere Pause einlegen, ohne den Anschluss zu verlieren. Ich kann mich noch gut daran erinnern, welche enormen Schwierigkeiten ich persönlich beim Film "Natural Born Killers" hatte... diese kurzen Schnitte gingen mir nach 50 Minuten so auf den Geist, dass ich das Kino verlassen und geschworen habe, mir nie mehr so etwas anzutun. :) Da ist das Lesen doch viel angenehmer ;) gruss Jürgen
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#16 Gast_Guest_*

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Geschrieben 02 Dezember 2004 - 22:34

Hallo Jürgen,"Ein irrer Orbit" heisst im Original "The jagged Orbit" und ist in Deutschland bereits zweimal unter anderem Namen erschienen:1. Bei Goldmann unter: Morgen geht die Welt aus den Angeln(katastophal gekürzt um zwei Drittel!!!)dann2. bei Moewig unter : Das Gottschalk-KomplottThe Jagged Oribt zählt zu den düsteren Dystopien von Brunner, im Stil von Morgenwelt und Schafe blicken auf sowie Der Schockwellenreiter.Im Heyne-Titel Ein irrer Oribit steht ergänzend:Festung Amerika: Das Panorama des politischen Verfalls einer paranoiden Kultur.Mich haben die Dystopien von Brunner sehr beeidruckt, auch wenn sie meist nicht ganz einfach zu lesen sind.Gruss Bille

#17 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 06 Dezember 2004 - 12:33

Hallo

Vorweg: Da ich alle Brunner-Bücher nur in engl. gelesen habe, würde mir zumindest auch der engl. Titel hier und da helfen. Ich nehme mal an, Morgenwelt ist im Orig. Stand on Zanzibar?

Empfehlen kann ich auch noch seine beiden frühen Werke Traveler in Black (eher Fantasy, und daher schon etwas Besonderes bei Brunner) und Times without Number, eine der ersten "Wächter-der-Zeit"-artigen Plots (d.h. es gibt in der Zukunft ein Institut das Agenten in die Vergangenheit schickt, um dort "auf zu räumen") im SF-Genre, die ich kenne, danach m.E. öfter von anderen Autoren nachgemacht. Dazu habe ich die dt. Titel nach 5 Min. Suche im Web leider nicht finden können; evtl. kann mir da jemand helfen?

Man sollte evtl. noch erwähnen, dass Brunner einer der Haupt-Akteure des britischen New Wave der SF in den 60ern war, neben Anderen wie Moorcock, Roberts, Aldiss und Ballard. Diese "Welle" hob neben einer ähnlichen aber kleineren Bewegung in den USA SF aus der "Horror/Abenteuer-für-Jungs"-Schublade in die wesentlich erwachsenere, sozial-kritischere Avantgarde der Weltliteratur.

/KB

Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."

(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")


#18 Gast_Gerd_*

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Geschrieben 06 Dezember 2004 - 12:46

Hallo Yippiee! Guckst du hier: http://homepages.com...runner/s08.html Da findest du außerdem noch Brunners komplette deutsche Bibliographie (wobei ich jetzt nicht nachgesehen habe, ob sie tatsächlich vollständig ist) Grüße Gerd

#19 yiyippeeyippeeyay

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Geschrieben 06 Dezember 2004 - 13:31

Da findest du außerdem noch Brunners komplette deutsche Bibliographie (wobei ich jetzt nicht nachgesehen habe, ob sie tatsächlich vollständig ist)

Danke für den tollen Link! Meine Vermutung bezügl. Morgenwelt stimmte sogar.

Die Liste kann man ja zumindest gelegentlich mal mit der Brunner-Buchliste bei ISFDB vergleichen... :)

/KB

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(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")


#20 Gast_Jorge_*

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Geschrieben 06 Dezember 2004 - 17:10

"Warnung an die Welt" : Einem Arzt springt eines Tages an einer Kreuzung ein völlig verstörtes Mädchen in den Wagen, das ihn zuerst in einer fremden Sprache anspricht und dann um Hilfe bittet. Aufgrund ihres verwahrlosten Zustandes hält er sie für eine Fixerin und übergibt sie ihrer "Hauswirtin", die ihm jedoch seltsam bekannt vorkommt. Als er sich wieder erinnert, wo er diese "Wirtin" schon mal gesehen hat, beginnt er dem Schicksal des Mädchens nachzuforschen und stößt in deren Haus auf mysteriöse Vorkommnisse...Gutgemachte SF/Horrorgeschichte über eine Invasion der etwas anderen Art(nicht mit Schlachten und zerschossenen Städten, sondern heimlich, still und leise; damit jedoch nicht weniger bedrohlich und gefährlich). "Das öde Land" ist der Name, den die Bewohner einer ansonsten fruchtbaren Landschaft einer seltsamen Region gegeben haben, aus der immer wieder fremdartige Monstren auftauchen, Menschen und Tiere töten und allein schon durch ihre Anwesenheit tödliche Krankheiten verbreiten. Merkwürdigerweise sind einige der Bestien überhaupt nicht an ein Leben in dieser Umgebung angepaßt und verenden schon bei ihrem Auftauchen; allen gemein ist ein absolut unirdisches Aussehen.Ein Feudalherrscher bricht mit seinem Heer auf, um das Rätsel der seltsamen Zone zu lösen...Kann man auch empfehlen, obwohl die finale Auflösung etwas abfällt.

#21 Gast_PS_*

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Geschrieben 06 Dezember 2004 - 21:43

(wobei ich jetzt nicht nachgesehen habe, ob sie tatsächlich vollständig ist)

Ja, sie ist komplett :) Ich habe sämtliche Bücher von John Brunner, in der Liste sind wie angegeben nur die jeweils vollständigsten Ausgaben / neuesten Übersetzungen notiert. Andere Ausgaben sind dann unter den Kommentaren bei den entsprechenden Büchern vermerkt.

#22 nachtstrom

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Geschrieben 11 Dezember 2004 - 23:03

@nachtstrom bevor du dich mit "halben" sachen rumärgerst... enpfehle ich dir freundschaftlich doch lieber den Haldeman Der ewige Krieg ist ein Klassiker, hat eine ungewöhnliche Story UND einen tollen Stil. Damit kannst du nach allgemeinen Ermessen nichts falsch machen.  :D .. und auf eine Kurz-Rezi von dir zu diesem Buch wäre ich schon gespannt.

HA! ;) die rezi zum ewigen krieg hab ich schon reingestellt, aber wenn du glaubst, das ich den brunner aufgebe, kenst du meinen österreichischen sturschädel net ^_^ zur zeit lese ich grade *labyrinth der sterne* und dann kommt der *schockwellenreiter* dran und dann *schafe blicken auf*..... :lookaround: walter
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#23 Jürgen

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Geschrieben 11 Dezember 2004 - 23:24

@nachtstrom

zur zeit lese ich grade *labyrinth der sterne* und dann kommt der *schockwellenreiter* dran ...

Ich werde in den nächsten Tagen eine Rezi zum Schockwellenreiter einstellen... und hoffe, mit genügend Argumenten bewaffnet, endlich mal die leidige Diskussion zu beenden, ob der Schockwellenreiter zum Cyberpunk zugerechnet werden kann bzw. ob er eine irgendwie geartete Verbindung zum Genre CP darstellt. Vorab... er hat nichts, gar nichts, überhaupt nichts und nicht einmal ansatzweise etwas mit CP zu tun. Diejenigen, die das behaupten, haben entweder: a. Das Buch nicht gelesen b. Das Buch nicht verstanden c. Das Buch gelesen und verstanden - trauen sich aber nicht, etwas anderes als die Meinung anderer zu posten d. Haben noch nie einen CP-Roman gelesen e. Haben den einen gelesenen CP-Roman nicht verstanden f. Haben CP gelesen und verstanden, kennen aber Brunners Roman nur von Kurzrezensionen g. Haben einfach keine Ahnung von der Thematik, schreiben aber was dazu, damit sie "mitreden" können oder dafür bezahlt werden.
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#24 Ulrich

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Geschrieben 12 Dezember 2004 - 13:33

Wenn Brunners Schockwellenreiter etwas mit zum Cyberpunk zugehörigen Büchern gemeinsam hat, dann sind es Schnittstellen, die nicht markante Merkmale oder Merkmalskombinationen des Cyberpunk darstellen. Wo lässt sich etwas Brunner nachlesen, vielleicht im Science Fiction Jahr des Heyne-Verlages?

#25 Ulrich

Ulrich

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Geschrieben 12 Dezember 2004 - 14:27

Richard Saage (Politikwissenschaftler) nennt, mit Hinweis auf eine Abhandlung von Fehlner, dass "Der Schockwellenreiter" eine repräsentative Utopie zur Datengesellschaft sei. Bemerkenswert ist diese Aussage, weil Saage Utopie und Science Fiction bis auf Ausnahmen strikt trennt und die Science Fiction auf den naturwissenschaftlich-technischen Begriff beschränkt sowie nicht anmerkt oder überhaupt bemerkt, dass Brunner Science Fiction-Autor war und sich in entsprechenden Kreisen (SF-World-Convention) bewegte.

Bearbeitet von Ulrich, 12 Dezember 2004 - 14:28.


#26 Konrad

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Geschrieben 12 Dezember 2004 - 15:27

Ich werde in den nächsten Tagen eine Rezi zum Schockwellenreiter einstellen... und hoffe, mit genügend Argumenten bewaffnet, endlich mal die leidige Diskussion zu beenden, ob der Schockwellenreiter zum Cyberpunk zugerechnet werden kann bzw. ob er eine irgendwie geartete Verbindung zum Genre CP darstellt.

Also ich verstehe die inflationäre CP-Kategorisierung schon lange nicht mehr. Jeff Noon wird auch angeblich zum CP gezählt. Gruß, Konrad

Bearbeitet von Konrad, 12 Dezember 2004 - 15:28.


#27 Jürgen

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Geschrieben 12 Dezember 2004 - 18:36

@Konrad

Also ich verstehe die inflationäre CP-Kategorisierung schon lange nicht mehr. Jeff Noon wird auch angeblich zum CP gezählt.

Nun, das ist nur teilweise richtig.

Jeff Noon hat ohne Zweifel beindruckende CP-Kurzgeschichten geschrieben, die gar nicht passender eingeordnet werden könnten. In seinem KG-Band Pixelsalat, dessen Kurzrezension du hier nachlesen kannst, beweisst Noon, dass er nicht nur "irgendein" CP-Autor ist, sondern, wenn er sein gesamtes Potential dem Genre geopfert hätte, zu den führendsten dieser SF-Art gehören würde.

Noon´s Hauptwerk, Gelb, hat bis auf die stilistische Erzählweise und den Gebrauch slangbelasteter Dialoge, allerdings recht wenig mit Cyberpunk zu tun.
Trotzdem ein lesenswertes Buch, wenn auch die Story schwer zu adaptieren ist.

Gruss
Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 12 Dezember 2004 - 18:56.

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#28 Jürgen

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Geschrieben 12 Dezember 2004 - 19:07

So... wie versprochen, die Kritik zu der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter von John Brunner

Das vorliegende Buch ist zweifellos eines der berühmtesten Werke des Autors. Geschrieben in einer Zeit, als ein Computer noch als tonnenschwerer Schrank mit Bandlaufwerken identifiziert wurde und die Eingabe über Terminals ohne eigene Rechenleistung geschah, sah Brunner schon die sich abzeichnende Entwicklung zu einer datengestützten Gesellschaft. Mit seiner Darstellung eines weltumspannendes Informationsnetzwerks nahm er das heutige World Wide Web vorweg, wobei er aber diesmal die technologische Entwicklung nicht so exakt extrapolierte, wie in einigen seiner anderen Werke. Die in diesem Roman eingesetzte Technologie wirkt überholt, ein wenig antiquiert, aber die Grundaussage seiner Handlung bleibt aktuell... Wer das Netz mit seinen Möglichkeiten kontrolliert, besitzt die Macht, Strukturen zu erhalten oder einschneidend zu verändern.

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Klappentext / Inhaltsangabe

Es sind diese entsetzlich tüchtigen Leute, die mit ihren präzise funktionierenden Fischgehirnen Menschen auf Stückgut, auf Menschenmaterial, auf Zahlenkombinationen reduzieren, um sie in den Griff zu bekommen, um sie als numerische Größe in ihren Kalkülen handhaben zu können.
Dieser Roman zeigt am Beispiel des Superhackers Nick, was geschehen kann, wenn dieser elektronische Perfektionismus erreicht ist. Dann bedarf es nur noch einer Regierung, die politisch unter Druck gerät und korrupt und skrupellos genug ist, schrankenlos von diesem Machtmittel Gebrauch zu machen. Dieses Mittels durch einen genialen Hacker beraubt, fällt auch einer demokratisch gewählten Regierung nichts anderes ein, als einem Gangstersyndikat: sie demonstriert brutale Gewalt.

Nick Haflinger, ein Mietkind, das ohne die biologischen Eltern zu kennen, in verschiedenen Familien aufwächst, wird an seinem zwölften Lebensjahr aus seinem Leben herausgerissen und in ein geheimes, regierungseigenes Ausbildungs-Center, dem Tarnover, gebracht. Schulische Tests haben ergeben, dass Nick besondere Begabungen besitzt. Die Regierung übernimmt seine zukünftige Ausbildung und plant, aus ihm und weiteren Kindern eine dem Staat dienende geistige Elite zu formen. Als Nick Jahre später aufgrund einer Begegnung mit einem anderen "Forschungsobjekt" des Tarnovers Zweifel über die hehren Ziele des Projekts überkommen, beschliesst er, das sein Talent nicht dazu beitragen soll, der Regierung und ihren Einrichtungen zu dienen... er entzieht sich der Kontrolle von Regierungprogramm und Tarnover und zieht ein Leben auf der Flucht vor. Das ist in einer Zeit, in der die Bevölkerung durch ein Datennetz kontrolliert wird, nicht ganz so einfach, aber Nick nutzt sein Talent als hochbegabter Programmierer, um die Spuren seiner wechselnden Identitäten zu verwischen. Das er dabei unendeckt bleibt, ist für das Tarnover nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich... Nick Haflinger kennt einige Geheimnisse, die, wenn sie verbreitet würden, die Ordnung des Landes aus den Angeln heben würden...
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Der Leser, der mit Schockwellenreiter einen technisch orientierten SF-Hacker Roman erwartet, erlebt eine herbe Enttäuschung. Brunner benutzt auch hier die Technik ausschliesslich als Handlungsrahmen, um eine Diskussion über Sinn und Zweck einer vernetzten Gesellschaft und deren soziologischen Auswirkungen auszulösen. Die Kontrolle des Datennetzwerks und derjenigen, die es kontrollieren, bilden den Plot der Geschichte. Dabei setzt Brunner in diesem Roman wieder teilweise die fragmentarische Erzählweise ein, die er in seinem bekanntestem Werk Morgenwelt exzessiv benutzte. Trotzdem ist der Schockwellenreiter wesentlich lesbarer, weil die Fragmente den Hauptstrang der Geschichte unterstützen.
Mit seiner ihm eigenen Art der soziologischen Sichtweise wirft Brunner die Frage auf, ob eine zukünftige Gesellschaft mit den dann vorhandenen technischen Möglichkeiten nicht weitgehend kontrollierbar wird. Menschen werden zu Nummern, zu ID ´s, die ihre Funktion ohne Rücksicht auf soziale Komponenten erfüllen,
Auch wenn die Darstellung technischer Elemente in der Story heute ein wenig überholt wirken, gelingt es Brunner auch diesmal, einen faszinierenden Ausblick in eine fiktive Welt zu bieten. Selbst wenn die Brunner-eigene Dystopie durch einige Protagonisten diesmal nicht ganz so ausgeprägt ist, erkennt man auch bei diesem Werk die Urangst des Autors vor einer allmächtigen Kontrollinstanz.
Anders als in seinen anderen Hauptwerken, setzt er diesmal auf die Figur eines Einzelkämpfers, der die Möglichkeiten besitzt, die allumfassende Kontrolle zu manipulieren oder zu durchbrechen. Diese Figur gibt der Story den Esprit, die den Handlungsverlauf flott und gut lesbar voranbringt. Der Leser nimmt dadurch an einer Geschichte teil, die neben der interllektuellen Tiefe auch ein nicht unbeachtliches Maß an Spannung mitbringt.

Fazit:

Brunners Schockwellenreiter ist ein gut lesbares und spannend geschriebenes Werk, das zu Recht seinen Anspruch als Referenz der Computer-Ficiton besitzt. Auch wenn die Grundlage des Datennetzes in seinem Roman mittlerweile von der Wirklichkeit überholt wurde, bereitet sich beim Lesen das vom Autor gewollte Maß an Beklemmung aus. Ob seine Version eines kontrollierten Netzwerks jemals Wirklichkeit wird, bleibt zu bezweifeln, da sich einige Grundtendenzen in der globalen Ökonomie seit 1975 stark verändert bzw. verschoben haben. Die Macht der Regierungen, egal in welcher Form, weicht immer mehr der Macht international operierender Konzerne. Das Szenario, dass z. B. im SF-Genre Cyberpunk als Handlungsumgebung dient, wirkt viel wahrscheinlicher und kommt der derzeiten Entwicklung wesentlich näher.
Trotzdem oder gerade deshalb ist es unumgänglich, dem Buch eine Empfehlung auszusprechen; zeigt es doch auf, welche Befürchtungen vor 30 Jahren gegenüber einer vernetzten Gesellschaft ein Thema war.



Anmerkung zu einer Genre-Einstufung von John Brunners Schockwellenreiter

Wenn man Einschätzungen und andere Rezensionen zu diesem Roman liest, stolpert man zwangsläufig über die Aussage, das Brunners Werk als Beginn bzw. Quelle des Cyberpunk angesehen wird. Sicherlich ist eines der Hauptelemente des CP-Genres wie auch im Roman "Der Schockwellenreiter" das Datennetz... nur beinhaltet diese Schnittstelle zum Cyberpunk eine vollkommen andere Grundaussage. An einigen Beispielen wird deutlich, wie weit die Welt Brunners und die des Cyberpunk auseinander liegen...

Beispiel Daten
Im Cyberpunk stellt das Netz einen Ort dar, in dem sich Menschen, egal wie priviligiert sie sind, die Informationen einfach besorgen, die sie benötigen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Daten legal oder illegal erlangt werden. Daten besitzen einen Wert, der in der Welt des Cyberpunk in Währungen umgerechnet wird, auf kommerzielle Verwertbarkeit reduziert. Wenn es überhaupt eine Kontrolle des Netzes gibt, dann wird sie von internationalen Konzernen augeübt und bezieht sie sich ausschliesslich auf den Schutz firmeneigener Daten. Regierungen, wenn erwähnt, besitzen weder die Macht, noch die erforderlichen Mittel, eine Kontrolle auszuüben. Das "hacken" von Datenbanken dient ausschliesslich der persönlichen Bereicherung.
Im Gegensatz dazu besitzt das Datennetz in Brunners Werk eine Kotrollfunktion, die von einer Regierung zur "Steuerung" seiner Bürger missbraucht wird. Die Art der Dystopie erinnert eher an George Orwells "1984", als an einen Handlungsrahmen im Bereich Cyberpunk

Beispiel Handlungsort
Ein typischer Handlungsort innerhalb der CP-Umgebung ist das sogenannte Sprawl, ein weitläufiges Randgebiet von Megastädten, in dem die Verlierer einer soziologischen und sozialen Veränderungen leben. Dieses Element, unterstützt von global operierenden Konzernen, ist neben dem Datennetz eines der wichtigsten Erkennungsmerkmale des Genres.
Diese Elemente tauchen im Roman Schockwellenreiter nicht einmal ansatzweise auf. Im Gegenteil, die Handlungsorte Brunners sind eher konventionell konstruiert und selbst das Tarnover suggeriert dem Leser eher eine Gebäudekonstruktion, die mehr einem Bildungscamp ähnelt.

Beispiel Datennetz
Im Cyberpunk wird das Datennetz als ein virtueller Raum beschrieben, in dem der Nutzer mittels Avatar als Persona agiert. Die dabei erlebte "Welt" ist eine visuelle Interpretation von Etwas, das einem computergeneriertem Lehrfilm über die Funktionsweise eines Computerinnenlebens gleicht. Die visuelle Umsetzung einer virtuellen Realität ist ebenfalls ein Hauptbestandteil des CP, der in keinster Weise in Brunners Buch in Erscheinung tritt. Sein Datennetz besitzt den Charme der Siebziger Jahre, zweidimensional und auf Eingabe von codes reduziert.

Beispiel Protagonisten
Der Hauptprotagonist ist ein Hacker, der Daten bzw. das Datennetzwerk manipuliert. Dieser Figur gibt Brunner aber eine ganz andere Bedeutung. Während der Cyberpunk geradezu davon lebt, dass seine Konsolen-Cowboys mittels Datenklau ihre finanziellen Verhältnisse verbessern, besitzt der Protagonist Nick Haflinger ein soziales Gewissen, das ihn auch zur Flucht veranlasst. Brunners Protagonist besitzt nicht die schemenhafte Figur eines Verbrechers, der, manchmal, auch aus schierer Not heraus, das Netz nach wertvollen Informationen hackt. Im Gegenteil, Nick besitzt eine intelligente, ausgeprägte Sicht seiner Umwelt und benutzt seine Fähigkeiten letztendlich dazu, eine alternative Lösung für ein gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen. Unterschiedlicher können Beweggründe kaum sein.

Unter Berücksichtigung der genannten Beispiele und der Tatsache, dass in einer cyberpunktypischen Handlungsumgebung auch noch Elemente wie Biotechnik, chemische Designerdrogen, ein einzigartiger Lifestyle und ein starker Hang zu Gewaltszenen eine grössere Bedeutung besitzen, kann man im Falle von Brunners Werk keine Parallelen zum Genre Cyberpunk finden.
Selbst das Argument, dass Der Schockwellenreiter eine ideengebende Vorreiterfunktion für den Cyberpunk besitzt, ist nicht nachvollziehbar. Dazu unterscheidet sich die Grundaussage der Story und vor allem der sprachliche Stil zu sehr vom Genre. Einzig Brunners Idee des Datennetzes bildet einen Berührungspunkt, der aber bei genauer Betrachtung sowohl in der Funktion als auch vom Zweck nicht weiter vom Cyberspace des Cyberpunk entfernt sein könnte.

Der einzige Vergleich, der mir bei der Lektüre ins Bewusstsein geriet, waren die Parallelen zu der US-Serie "Pretender", weil das Ausbildungscamp in der Serie doch sehr stark an das Tarnover erinnert...

Jürgen Olejok / Dez 2004

Bearbeitet von Jürgen, 13 Dezember 2004 - 08:42.

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#29 franz

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Geschrieben 04 Oktober 2008 - 21:24

Zu John Brunner - Morgenwelt will ich sagen, ich habe es als Kind gelesen und vor kurzem nochmal, mit 3 oder 4 mal so alt, will's nicht so genau nachrechnen: Das Buch ist zeitlos und nicht schwierig zu lesen. Rezension: http://www.sf-magazi...genwelt,81.html
Franz Birkenhauer
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#30 Amtranik

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Geschrieben 20 Juli 2013 - 12:31

Ich lese den Roman ja auch derzeit und finde ihn ebenfalls nicht schwer zu lesen. Da hatte ich deutlich sperrigeres erwartet. Derzeit bin ich mittendrin und empfinde als größte Schwäche einen Umstand wofür der Autor gar nichts kann, nämlich seine Verhaftung in der Zeit als er geschrieben wurde. Nun ist ja SF keinesfalls die Literatur von der Extrapolation unserer realen Zukunft, von daher sind die in von mir gelesenen Rezensionen zum Buch als so toll empfundenen hellseherischen Fähigkeiten Brunners für mich nun kein Grund zum jubilieren. So liest sich das Werk stellenweise wenig spektakulär, zuweilen fast wie ein Bericht aus heutiger Zeit, mit ziemlich ( für mich bedingt durch die Fragmentarisierung des Textes ) mäßigem Spannungsmoment. Das mag hier und da für verblüffung sorgen, aber ich denke so richtig zu schätzen hätte ich das erst gekonnt wäre ich nicht zum Zeitpunkt des Erscheinens geboren worden, sondern 40 Jahre früher. Das sich dieser documentary association Stil eher selten in Romanen findet ist für mich keine Überraschung. Mir gefällt das überhaupt nicht. Die Behauptung im Vorwort meines Romanes, gerade durch diese experimentelle Art des Schreibens wäre es dem Autor gelungen diese Welt von Morgen realer erscheinen zu lassen als wenn er die herkömmliche Erzählweise gewählt hätte teile ich nicht unbedingt. Vermutlich musste Brunner den Roman aber damals genau so schreiben um die diversen Preise zu bekommen. Bestimmt hätte ein herkömmlicher Roman weit weniger aufmerksamkeit bekommen.

Bearbeitet von Amtranik, 20 Juli 2013 - 12:38.



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