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Der Dieb der Zeit


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2 Antworten in diesem Thema

#1 Holger

Holger

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Geschrieben 30 Januar 2005 - 19:09

Peter F. Hamilton
Der Dieb der Zeit

Bastei-Lübbe, 2004
bei amazon.de bestellen

Wandlungsfähigkeit ist eine Eigenschaft die Künstlern (ob Musiker, Schriftsteller oder Filmemacher) gut zu Gesicht steht. Um so erfreuter war ich als mir "Der Dieb der Zeit" von Peter F. Hamilton in die Hände fiel. Der vielgelobte Erneuerer der Space Opera hat u.a. mit Mindstar und dem Amargeddon-Zyklus sein handwerkliches Können bewiesen. Wie er mit dem vorliegenden Roman so daneben greifen konnte bleibt mir deshalb völlig schleierhaft!

Der Reihe nach: Jeff Baker, Festkörperphysiker, entwickelte einst einen Speicherkristall, der alle bis dato gängigen Massenspeicher in den Schatten stellte. Als Resultat dieser Entwicklung wuchs das Internet zu einer globalen Datensphäre an: alle erdenklichen Daten wurden für Jederman überall und zu jeder Zeit zugänglich. Dadurch verstärkte sich der Effekt den der illegale Austausch von Dateien über das Internet schon heute zeitigt, und Verlage, Musik- und Filmindustrie wurden in die Knie gezwungen. Jeff Baker hätte durch seine Erfindung der reichste Mann der Welt werden können, doch entschied er sich gegen eine Patentierung seiner Entdeckung und machte sie aller Welt zugänglich, was ihm Ehre und Respekt eintrug. Noch als alter Mann schließt er einen Ehevertrag und zeugt mit seiner jungen Frau einen Sohn, dem er aufgrund seiner Gebrechlichkeit nur bedingt Vater sein kann. Doch die moderne Biomedizin weiß Abhilfe und Baker wird der erste Mensch, der sich einer genetischen Verjüngungskur unterzieht. Nach 18 Monaten wird der nach Jahren 78-jährige mit dem Körper eines Zwanzigjährigen aus der Klinik entlassen.

Obwohl das Konzept der Geschichte offensichtlich ein großes Potential bietet gelingt es Hamilton ganz und gar nicht aus dem Vollen zu schöpfen. Die Handlung tröpfelt vor sich hin und reiht ein unspektakuläres Ereignis an das nächste. Dabei muss sich der Leser mit den pubertären Erfahrungen von Jeff Bakers Balg ebenso wie den Sex-Allüren der anderen farblosen Protagonisten auseinandersetzen, die so wenig erwähnenswert und konstruiert anmuten. Am schlimmsten und unverzeihlichsten aber empfinde ich die Nachlässigkeit mit der Hamilton das Fundament der Geschichte zusammenbastelte: immer wieder fällt das Schlagwort "Genomprotein" als Wunderwaffe der modernen Kosmetik. Dabei ist ein jedes Protein das im Körper synthetisiert wird ursprünglich auf der DNS, also im Genom, kodiert. Ebenso ignorant umschifft der Science Fiction Autor die Problematik der Verjüngung: schwammig ist da die Rede von einem Austausch der DNS in jeder Körperzelle. Alibi-Schlüsselworte wie "Intakte Telomerenden" und "Suspensionstank" werden dem genügsamen Leser nachlässig vor die Füße geworfen. Genauso lieblos und uninteressant ist der Entwurf von Hamiltons übriger Morgenwelt: Überflüssige Termini wie E-Trike oder Pre10-Roman ringen dem Leser höchstens ein genervtes Schulterzucken ab. Einzig die Inflationsrate des Euro scheint sinnvoll extrapoliert zu sein.

Mutmaßlich versucht Hamilton mit dem "Dieb der Zeit" persönliche Konflikte aufzuarbeiten: Altern, Umgang mit Teenagern, den eigenen Sohn in Begleitung eines begehrenswerten Mädchens. Ich hoffe die Arbeit an dem Roman war ihm eine Hilfe. Als Leser muß ich das Buch jedoch als misslungen verbuchen. Ein echter "Zeitdieb".
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#2 Holger

Holger

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Geschrieben 31 Januar 2005 - 11:41

Ui!Habe gerade mal die Rezis bei Amazon zu dem Titel durchgeguckt. Stehe offensichtlich nicht alleine mit meiner Meinung. :rolleyes:
"Rezensionen: eine Art von Kinderkrankheit, die die neugeborenen Bücher befällt."
(Georg Christoph Lichtenberg)

#3 Susanne

Susanne

    Nanonaut

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Geschrieben 14 Februar 2005 - 20:45

Nee, stehst nicht allein mit deiner Meinung - ich habe den Roman letzten Monat für Fantasyguide rezensiert und noch ein paar Meckerpunkte zusätzlich ;-): http://www.fantasygu...diebderzeit.htm Die erste Hälfte hat mir aber recht gut gefallen ...
Verschiebe nicht auf morgen, was auch bis übermorgen Zeit hat. (Mark Twain)
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"Man gönnt sich ja sonst nichts ..." jon (Hrsg.) ISBN 3-935982-28-3


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