Oder traut sich etwa keiner, den Anfang zu machen? Ist sich nicht im klaren darüber, was er von den Stories halten soll ... hin- und hergerissen zwischen literarischem Anspruch und Unterhaltung?
Nun denn, ich wage den Sprung ins „kalte Wasser“.
NOVA 7 ist sicher eine der besten, weil anspruchsvollsten Ausgaben, auch wenn es bei mir zwiespältige Gefühle hinterlässt, der Ansprüche wegen. Fast bin ich versucht, neue „deutsche Welle“ dazu zu sagen: Gar kunstvoll werden hier - bei etlichen Stories - Wörter gedrechselt und Sätze geschmiedet, als ginge es vor allem darum, Eindruck zu schinden. Der Plot, das Erzählerische, scheint mir dabei etwas in den Hintergrund zu rücken. Manchmal wäre weniger mehr.
Dennoch: Ich konstatiere keinen einzigen Ausrutscher - sieht man mal von der Übersetzung ab, die immerhin eine liebenswürdige kleine Fantasy ist.
Fünf der verbliebenen 8 Stories (meine eigene nicht gerechnet) sind „gute“ (im üblichen Sprachgebrauch der meisten Leser „sehr gute“) Stories und landen bei mir (in den VISIONEN 2006) in den „honourable mentions“ für 2005. Zwei hätten das Zeug gehabt, dort ebenfalls zu landen, die von Schneiberg und die von Welling. Eine, jene von Eckhardt, ist immerhin „nett“, obwohl sie hätte „gut“ sein können.
Die grosse Ansammlung „neuer“ Autoren zeigt deutlich, was für ein ungeheures Potential an Talenten in der SF-Gemeinde schlummert. Muss nur wachgeküsst werden. NOVA sei Dank!
Zu den Stories:
Agenda 2040 von Schönherr: Sehr gute Ansätze, es fehlen nur einige i-Tüpfelchen zu einem „sehr gut“ (zur Erinnerung: bei vielen ein „ausgezeichnet“). Das mit dem Medium und der Reinkarnation finde ich unpassend; den Schluss gar plump, denn wer wollte schon (Achtung SPAMMER) mit den Organen eines in der Tiefe zerschmetterten Körpers Handel treiben können?
Interessant ist bei dieser Gelegenheit festzustellen, dass dieses hochaktuelle Thema sofort einige SF-Autoren beflügelt hat, sich damit zu befassen. So Lutz Herrmann mit Der Irrtum (Rössler-Anthologie Überschuss) und meine Wenigkeit mit Zum Abschuss freigegeben (in geplanter Anthologie). Natürlich hatte bereits 1978 Axel Melhardt das Thema in seiner Story Grivas Abschiedsparty (Jeschkes Story-Reader 11) aufgegriffen†¦
Zerstört das Universum! von Schneiberg: m.E. ein Beispiel für manirierte, gekünstelte Sprache um des Effektes willen. Eine skurile und eher surreale Story, die mich etwas verständnislos zurücklässt. Zweifellos ein Talent!
Grau n Fee von Post: impressionistisch und an Cyberpunk erinnernd. Gut geschrieben. - Anm.: was soll das (15.8.-14.12.2003) am Schluss? Hallo Uwe: war wohl etwas zu deftig für c†™t†¦
Warten auf Kogai von Küper: meisterhaft und spannend erzählt wie immer. Etwas glaubhafter gegen Schluss (zunehmend mit Fortschreiten der Auktion geht mit Thorsten die Fantasie durch) und es wäre ein „sehr gut“ daraus geworden. - Übrigens scheine ich etwas nicht begriffen zu haben: auf S. 86 entlarvt der Auktionator Klaus Vonja als Kogai - „Sie wollten Kogai? †¦ das Tragische ist, dass Sie ihn längst haben.“ Und auf S. 88 heisst es: „Klaus Vonja, einer der ersten Anhänger Kogais †¦“ Was nun?
Krabbelwelt von Vor der Landwehr: ganz hervorragend geschrieben
Tod am Donnerstag von Eckhardt: Die überkandidelte Sprache (wie zum Selbstzweck) erschlägt eine ansonsten gute Idee. So gerät die Story zum Gag.
Hostel von Kasper: schon wieder eine „überkandidelte“ Sprache. Einfachere Worte hätten eine bessere Wirkung erzielt.
Nowhere Man von Welling: nach 15 Seiten langatmiger, weil nichtssagender Einleitung wird´s endlich interessant, für 8 Seiten sogar spannend, dann folgt ein enttäuschender Schluss, der mich ratlos zurücklässt. - Hätte die beste Erzählung in dieser Ausgabe werden können!
NOVA 7 ist auf jeden Fall sehr lesenswert! - und diskussionswürdig! (Meine eigenen Worte bitte nicht auf die Goldwaage legen†¦)
Helmuth
Korrektur: "Wörter" statt "Worte", "Goldwaage" statt "Goldschale". Hm, ich glaube, ich sollte meine eigenen nicht auf die "Goldwaage" legen...

Bearbeitet von Helmuth W. Mommers, 15 Mrz 2005 - 16:30.