Hier kommen die letzten drei Bücher, die ich im August 2019 gelesen habe:
Paul Moor: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines KindermördersDer Fall des 'Kirmesmörders' Jürgen Bartsch, der in den 60er-Jahrenn insgesamt vier Jungen mißbrauchte und folterte, erregte so großes Aufsehen wie kaum ein anderer Kriminalfall der Nachkriegszeit. Der generelle Tenor lautete: Jürgen Bartsch ist ein Monstrum, viele forderten sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe, und seine Adoptiveltern, ein biederes Metzgerehepaar aus Langenfeld bei Essen, sind zu bedauern. Der amerikanische Journalist Paul Moor, der gerade eine psychoanalytische Ausbildung absolviert hat, vermutet, dass dem nicht so ist. Er nimmt Kontakt auf zu Jürgen Bartsch und wird dessen vielleicht wichtigste Bezugsperson in den 10 Jahren Haft bis zu Jürgens Tod während einer von ihm gewünschten Kastrations-OP.
Tatsächlich war bei den Bartschens nicht alles eitel Sonnenschein - insbesondere Frau Bartsch ließ sich zu unberechenbaren Gewaltausbrüchen hinreißen, bei denen auch schon einmal Fleischermesser in Jürgens Richtung flogen. Und in einem der Internate wurde Jürgen von einem Priester sexuell mißbraucht.
Das alles rechtfertigt nicht die schrecklichen Taten des Jürgen Bartsch. Aber es zeigt, dass sich gerade hinter besonders glanzvoll gepflegten Fassaden familiäre Abgründe auftun können. Ein Buch, das mich nicht kalt ließ. Zumal mich die Berichterstattung über den Fall während meiner Kindergarten- und Grundschulzeit begleitete, wobei ich mich als mögliches Opfer vor solchen bösen Männern fühlte. Nebenbei dokumentiert das Buch auch ein Stück deutscher Rechtsgeschichte. Keine Lektüre für Menschen mit schwachen Nerven.
Marcel Buhl: Das Paradies des August EngelhardtMarcel Buhl erzählt die Geschichte des Nürnbergers August Engelhardt, der im Jahre 1902 auf der kleinen Insel Kabakon im Bismarck-Archipel, damals deutsche Kolonie, ankam. Er war zuvor schon stark von der Reformbewegung beeinflusst. Hier in der Südsee entwickelte er eine eigene Religion, die auf Sonnenanbetung und Cocovorismus, also der ausschließlichen Ernährung der Kokosnüsse, aufbaut. Nachdem er Informationschriften über den Sonnenorden im Kaiserreich verbreiten ließ, besuchte ihn zunächst der Musiker Max Lützow, dessen schwärmerische Berichte das Interesse in Deutschland erst richtig anfachten. Lützow starb bereits 1905 an einer schlecht behandelten Krankheit. Den nachfolgenden Sonnenanbetern war die Lebens- und Denkweise Engelhardts auf Dauer zu extrem - er verlangte, dass sie sich von allem überflüssigen Besitz trennten (mit Ausnahme von Büchern), wobei er mit Hilfe von Feuer an der Erreichung dieses Zieles nachhalf. Engelhardt starb 1919 vereinsamt vermutlich an den Folgen langjähriger Mangelernährung.
Marcel Buhls Buch hat vermutlich Christian Kracht zu seinem Werk "Imperium" inspiriert, in dem sich Krach der gleichen historischen Episode widmet. Im Gegensatz zu Krachts teilweise reißerischer Umsetzung, deren Rezeption auch ein aufgebauschtes Skandälchen beinhaltete, widmet sich Buhl philosophischen und ethischen Fragen. Wie radikal darf man sein Leben entwerfen und wie weit muss man sich von der Gesellschaft entfernen, um die selbst erkannte Wahrheit in tätiges Handeln umzusetzen?
Eine lesenswerte und auch durch den Vergleich mit Krachts Version ergiebige Lektüre. Eine von vielen Erkenntnissen: Historische Romane sind keine Geschichtswerke. Sie lassen genügend Raum für unterschiedlichste Fantasien verschiedener Autoren.
Herbert W. Franke: Sirius Transit
(Band 12 der Werkausgabe)Ein neuentdeckter, erdähnlicher Planet wird zum Sehnsuchtsort vieler Menschen, die es auf der verdreckten Erde nicht mehr aushalten. Den Transfer dorthin bietet die Firma Sirius TRansit an. Der Roman beginnt, als Barry Griffin nach langen Jahren seinen Bruder Gus wiedersehen will, der nun ausgerechnet Grüder und Vorstandsvorsitzender von Sirius Transit ist. Gus lässt sich abschirmen, aber Barry lässt nicht locker. In Rükblenden erfahren wir, wie sich die Beziehung der beiden ungleichen Brüder früher entwickelte und weshalb Gus den Kontakt zur Familie abbrach.
Das Thema erlangt durch die kürzlich entdeckten, teilweise erdähnlichen Exo-Planeten ungeahnte Aktualität. Franke schreibt über eins seiner zentralen Themen: Manipulation und die Unsicherheit der WIrklichkeit. Barry dient dem Leser als unzuverlässige, gleichwohl Mitgefühl erregende Indentifikationsfigur, mit deren Augen man versucht, der Wahrheit hinter vielen Hochglanzfassaden auf die Schliche zu kommen.
Abgerundet wird der 12. Band aus der gewohnt üppig ausgestatteten Werkausgabe im p.machinery-Verlag mit einem Auszug aus der Abschlussarbeit von Judith Leiß.
Damit habe ich meine Lesereise durch den August 2019 beendet. Da ich mir einige Leseziele gesetzt hatte, mache ich mal kurz eine Zielkontrolle: