@Dadaistin - ich kann dir sogar noch mehr anbieten, nämlich die (garantiert) spoilerfreie Kurzfassung meiner Rezension fürs GSPB.
Habe es spätnachts beendet und das Finale zum Morgenkaffee noch einmal gelesen, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob ich die Implikationen für den Nachfolger richtig verstanden hatte.
Hatte ich.
"Stargazer: Das letzte Artefakt"
- Ivan Ertlov, eBook (Selfpublishing), ca. 320 Seiten / Taschenbuch (Belle Époque, angekündigt), ? Seiten
...was für ein Buch! Was für eine Story! Worldbuilding vom Feinsten, Charaktere zum Niederknien und eine spannende Geschichte in zwei Strängen.
Klar, immer noch der eher einfachen Art, aber von Ertlov derart wortgewandt in die Seiten geklopft, dass "The Last Human" daneben wie eine Foren-Fanfiction wirkt.
Garniert mit Gesetzestexten entfaltet sich in der Haupthandlung eine Glücksritter-Entdeckungsgeschichte, während im gelegentlich beleuchteten Nebenstrang ein strategischer Schlagabtausch erfolgt. Wie das Ganze zusammenpasst, ist nur eine der durch die Bank gelungenen Wendungen. Das alles ist modern erzählt, die Szenerie jedoch erfrischend old-school. Raum-Raum-Raketen schwirren durchs All, Lasergeschütze und Plasmawerfer erleuchten die Dunkelheit, Freundschaften werden aufgebaut und noch tiefergehende Gefühle schüchtern oder betrunken offenbart. Mehr Abenteuer als Space Opera, viel mehr Freude an der Entdeckung als Militär & Kampfgeschehen.
Was mir gefällt:
Vor allem die komplex ausgearbeiteten Haupt- und Nebencharaktere. Besonders Frank Gazers Crew wächst einem schnell ans Herz. Man versteht, warum Frank, dieser Mensch, dieser Außenseiter unter Außenseitern, alles daran setzt, seine Freunde nicht zu enttäuschen. Warum er alle Strapazen auf sich nimmt, um ihnen zu zeigen, dass er trotz seiner Spezies das Herz am rechten Fleck hat. Und das hat er. Mitzuerleben, wie aus den unterschiedlichsten Persönlichkeiten vier verschiedener Spezies ein Team wird, mit allen Vorurteilen, manchmal witzig-frechen, manchmal richtig tiefsinnigen Dialogen, macht einfach nur Spaß.
Und - endlich wieder Space Opera! Richtig großes Theater! Die Bühne hätte noch etwas mehr Tiefe vertragen, aber die Kulissen darauf sind erstklassig. Viel Sense of Wonder, vor allem in der Hauptstadt des Sternenreiches.
Was mich gestört hat:
Gesellschafts-, System- und Sozialkritik muss man diesmal subtil zwischen den Zeilen suchen, und selbst dann wird sie mit Augenzwinkern serviert. Keine flammenden Hassreden gegen den Kapitalismus, keine Rückbesinnung auf die Kolonialgeschichte, keine über Interspeziesverständigung hinausgehende Antirassismusbotschaft. Das ist vielleicht dem far-future Szenario geschuldet, mutet bei Ertlov aber fast seltsam an.
Fazit:
Egal ob Genre-Gatekeeper angesichts der Spongebob-Anspielung oder der Verbeugung vor Titan AE ihre hohe Nase rümpfen, egal ob pseudoelitäre Literaturkritiker ihr längst überholtes Mantra vom angeblich inferioren Selfpublishing rezitieren: "Stargazer" zeigt eindrucksvoll, warum Ertlov derzeit zu den besten Unterhaltungsautoren, zu den kreativsten und verschlagensten Märchenonkeln am Lagerfeuer der Genre-Literatur zählt. Pure Freude am Lesen!
Ich freue mich auf Band 2 jedenfalls fast noch mehr als auf "Leviathan Falls".