Geschrieben 05 Mai 2005 - 02:01
Veren blickte über die von hohem, saftig grünen Gras bewachsenen, baumlosen Hügel, zwischen denen die kleine Siedlung lag. Im Norden zeichneten sich in dunstigem Blau die fernen Gipfel eines Gebirges ab, im Osten und im Westen sah man ebenfalls Berge, doch fielen sie schnell ab und verschwanden hinter den viel näheren Hügeln. Als er sich nach Süden wandte, blendete ihn kurz die Sonne und der salzige Geruch des Meeres, den der sanfte, warme Wind herbeitrug war nur ein Vorgeschmack auf das, was seine Augen sahen, als sie sich auf das gleißende Licht eingestellt hatten. Der halbrunde Hügel, auf dem die Häuser des Dorfes standen, fiel sanft zum Meer hin ab und endete in einer seichten, natürlichen Bucht, die die ansonsten steile Felsküste aufbrach. Ein paar Palmen wuchsen dort und spendeten Schatten. Drei Kuppelhäuser standen direkt am Wasser, Menschen sonnten sich dort oder schwammen im hellblauen, klaren Wasser. Ihre nackten Körper glänzten in der Sonne und der Wind trug ihre freudigen Rufe bis zu Verens Ohren. Er verspürte ein angenehmes Kribbeln in seinem Bauch. Lange hatte er sich diesen Augenblick herbeigesehnt, hatte gehofft, das für ihn inzwischen trostlos gewordene Bergtal verlassen zu können und mit seiner Frau ans Meer zu ziehen. Und nun war es vollbracht. Er drehte sich zu Lucia um und blickte in ihre tränenfeuchten, glänzenden, blauen Augen. „Schön das du dich mit mir freuen kannst. Ich verspreche dir, dies wird schöner als jeder andere Ort, wo wir je gewohnt haben.“ „Ich glaube dir, Veren, mein Liebster. Doch das Meer stimmt mich traurig, frage mich nicht wieso. Tief drinnen ist eine Sehnsucht erwacht die ich noch nie zuvor verspürt habe. Ich weiß nicht ...“ „Wir stammen aus dem Ozean, wie alles Leben. Unsere Vorfahren besiedelten die Küsten und erst spät wagten sie sich ins Landesinnere. Es ist dein Körper der sich seines Ursprungs entsinnt.“ „Ach Veren, du und deine Geschichten. Komm, lass uns ins Haus gehen und alles aufräumen. Wir haben noch immer nicht alles aus der Bahn geholt. Schick Renao doch los um das zu erledigen.“ Veren schmunzelte und senkte seinen Blick. Dann nickte er und wandte sich zum gehen. Lucia folgte ihm, doch einen Moment blickte sie zurück zum weiten Ozean und versuchte sich vorzustellen, wie Menschen vor Jahrhunderttausenden und Milliarden Lichtjahre entfernt auf einer fremden Welt, eine Höhle an einer solchen Steilküste bewohnt haben mochten. Doch dann schüttelte sie den Kopf und schalt sich innerlich selbst, dass sie sich von Verens Geschichten so mitreißen lies. Sie kannte seine Faszination für die alte Geschichte und die Forschung nach dem Ursprung der Menschheit, doch häufig hatte es sie auch viele Nerven gekostet. Sechs Jahre war er weg gewesen und das war die schlimmste Zeit ihres Leben gewesen. Nach seiner Rückkehr erschien er ihr enttäuscht und desillusioniert und sie hatte sich lange bemühen müssen um ihn wieder aufzubauen und ihn schließlich für sich zu gewinnen. Lange hatte sie auch gebraucht, um ihn davon zu überzeugen, dass eine weitere, viel längere Reise diese Sache nicht wert wäre. Die Geburt ihres ersten Sohnes hatte ihn dann überzeugt und an die Heimat gebunden. Dennoch hatte sie stets ein ungutes Gefühl, wenn Veren begann von der Vergangenheit zu reden. Kurz darauf kamen sie an ihrem Kugelhaus an. Es war größer als ihr Letztes und noch um einiges flächiger. Zwischen Bergen und Felsgestein war eben weniger Platz als auf einem breiten Hügel an einer Meeresküste. Ein Wagen und ein davor gespanntes, gemütlich grasendes Pferd standen vor dem Eingang und Renao, ihr Erstgeborener, lud gerade die letzten Kisten ab um sie ins Haus zu tragen. Vilkus, der Nachbar, der ihnen mit dem Wagen geholfen hatte, lehnte an einem Baum und lächelte den beiden entgegen. „Ich hoffe ihr kommt gut mit der Meeresluft zurecht. Die Pelettis, die letzten Sommer hierherkamen, hatten ihre Probleme und nichteinmal der Arzt aus Südblick konnte ihnen helfen. Inzwischen leben sie wieder in ihrer Heimat im Norden.“ „Keine Angst, Vilkus. Ich bin am Meer aufgewachsen. Meine Frau zwar nicht aber sie ist noch um einiges widerstandsfähiger als ich. Machen sie sich also keine Sorgen, dass das Haus bald wieder leerstehen könnte.“ „Na dann bin ich aber froh. So, noch eine Tour zur Bahn und wir haben alles. Ah, Renao, da bist du ja wieder. Auf geht†™s.“ „Viel Spass euch beiden, und nochmals Danke“ rief Lucia hinter den beiden her, die sich mit dem Pferdekarren langsam entfernten. Veren war schon ins Haus gegangen und sie hörte ihn vor sich hinmurmeln. Schnell ging sie auch nach drinnen und kam gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie er unbeholfen eine der Packkisten zu öffnen versuchte. „Komm mein Lieber, lass mich das machen. Da, geh zur Kontrolle und stell die Fensterläden ein. Wir brauchen etwas mehr Licht zum arbeiten, und zwar Tageslicht.“ „Ja, Schatz. Bin schon dabei.“ Kurze Zeit später war das Paar bereits in der Arbeit vertieft. Die langsam dem Horizont zuwandernde Sonne spendete durchgehend Licht, denn die Fenster passten sich nach Verens Befehlen dem Sonnenstand ständig an. Renao war mit dem Abladen lange fertig und war zum Ausruhen an den Strand gewandert. Der nette Nachbar hatte sich auch verabschiedet, jedoch nicht ohne eine Einladung zum Essen auszusprechen, auf die sich Veren und Lucia schon freuten. „Schade, dass Renao nur so kurze Zeit bleiben kann.“ Lucia hatte sich auf eine der Transportkisten gesetzt um sich ein wenig auszuruhen. „Du weißt, dass er nach Vetrennia muss. Und mach mir jetzt nicht wieder Vorwürfe, ich hätte ihm diese Sache eingeredet.“ „Nein, ich werde nicht wieder damit anfangen. Ich sehe ein, dass du Recht hast. Aber trotzdem stimmt es mich traurig. Er wird für Jahrzehnte fort sein und sich danach vielleicht irgendwo anders niederlassen, weit weg von hier.“ „So ist es nun mal Lucia. Aber ich bitte dich, wir haben sechs Kinder aufgezogen und sie leben alle über diesen Planeten verstreut, innerhalb von Stunden zu erreichen. Renao hat seinen Weg gewählt und ich bin sicher das wir oft von ihm hören werden. Und selbst wenn er dann fort bleibt, er wird uns sicher besuchen kommen wenn wir ihn einladen.“ „Ja, ja, hör auf, ich sollte mir keine Sorgen machen. Doch es schmerzt mich trotzdem. Noch mehr schmerzt mich aber, dass ich mir insgeheim wünsche, er würde die Prüfungen nicht schaffen und zu uns zurückkommen.“ „Denke so etwas nicht. Er hat eine große Aufgabe gewählt mit viel Verantwortung und er hat sich seit Jahren darauf vorbereitet. Alles hat er dafür aufgegeben, nur für diesen Traum und wenn er scheitert wird er gebrochen zurückkehren. Das kann es doch nicht sein was du willst.“Lucia wandte ihren Blick ab und schaute zum Fenster hinaus zur untergehenden Sonne. Eine sanfte Brise wehte durch die offene Tür und trug den salzigen Meeresgeruch heran. Sie spürte, wie sich eine Träne aus ihrem Auge löste und langsam die Wange hinunterrollte. „Nein, das will ich auch nicht. Das macht es ja alles so schwierig.“ Veren ließ die Bücher stehen, die er gerade in einen Schrank hatte räumen wollen und ging zu seiner Frau hinüber. Sanft fuhr er ihr mit der Hand durch das dunkelbraune, lange Haar und strich mit der anderen Hand über ihre Wange, wobei er die Träne wegwischte, die dort entlangkullerte. Als Lucia zu ihm aufblickte, beugte er sich hinab und küsste sie auf die Stirn. „Komm Liebes. Lass uns die Arbeit auf Morgen verschieben. Gehen wir zum Strand und entspannen uns ein wenig. Es bleibt dann ohnehin nicht mehr viel Zeit bis wir bei Vilkus eingeladen sind. Da kommst du dann vielleicht auf andere Gedanken“ Lucia nickte leichte und blickte wieder zu Boden. Dann stand sie mit einem Ruck auf und strich ihr dunkelblaues, eng anliegendes Top glatt. „Gut, lass uns gehen.“ Renao lag am Strand und sonnte sich. Der weiche, feinkörnige Sand fühlte sich an wie ein weiches Bett und die Sonne wärmte ihn wie die beste Decke. Wo der Sand sich unter seine Badehose geschlichen hatte, kratzte er ein wenig an der Haut, doch das störte kaum. Verträumt blickte er auf zum klaren blauen Himmel, der völlig wolkenfrei den Blick auf die beiden Monde von Mannen†™s Welt freigab. Vor seinem inneren Auge flogen die Bilder aus der Vergangenheit vorbei, als er von seinem Vater gelernt hatte, wie die beiden Monde sich um Mannen†™s Welt und dabei auch noch umeinander drehten. Das hatte ihn lange fasziniert und oft war er mit dem Teleskop draußen gewesen, um das Schauspiel mit eigenen Augen verfolgen zu können. Hier, im Süden würde er jedoch nicht die gleichen, scharfgestochenend Bilder erhalten wie damals in den Bergen, wo die Luft dünner, klarer und zudem weniger feucht gewesen war. Doch was störte es ihn. Bald würde er selbst dort oben sein, zum ersten Mal in seinem Leben. Die interplanetare Fähre würde ihn nach Luna Montana bringen, dem großen Systemraumhafen mit der weitläufigen Handelsstation. Gleich dahinter waren die gewaltigen Produktionsanlagen, die die überall im System gesammelten Rohstoffe weiterverarbeiteten. Im Moment waren ihre Strukturen auf der Tagseite nur als dünne Linien erkennbar, doch auf der Nachtseite des größeren der beiden Monde, erkannte man ganz deutlich die vielen Lichter, die wie ein großes silbernes Spinnennetz aussahen. Von Luna Montana aus würde er mit einem Interplanetartransporter bis in die Außenbereiche fliegen, vorbei an den großen Gasriesen Venet und Basthet bis zur Raumplattform Sonnenstern mit ihren riesigen Werft- und Dockanlagen. Er hatte Bilder gesehen, dreidimensionale Projektionen und Filme, doch er war sich sicher, dass der reale Anblick ihn dennoch von neuem überraschen würde. Auf Sonnenstern angekommen, würde er genau fünf Tage und ein paar Stunden auf das Sprungfenster warten müssen, mit dem sein Raumschiff ins Mannen System kommen würde. Dann nochmal ein bis zwei Tage und er wäre unterwegs nach Vetrennia. Die Reise würde drei Jahre dauern, daher verbrachten die Passagiere diese Zeit im Kälteschlaf. Renao fand das eigentlich schade. Er hatte viel gehört von der lockeren Atmossphäre auf den interstellaren Systemfahrzeugen und hätte gerne an diesem Leben teilgehabt. Doch er wusste auch, dass der beengte Lebensraum für Planetenbewohner auf Dauer zu Stress werden konnte. Die Sicherheit erlaubte es einfach nicht. Anders sähe es aus, wenn er die Prüfungen schon bestanden hätte und seine Ausbildung beendet wäre. Als Explorator musste er daran gewöhnt sein, lange Zeit auf Systemfahrzeugen zu leben und zu arbeiten und hätte auch die Authorisation, bei langen, intergalaktischen Reisen, wach zu bleiben. Doch bis dahin würde noch viel Zeit vergehen. Zehn Jahre dauerte die Ausbildung und das Training insgesamt. Renao machte sich keine Sorgen, dass er nicht würde bestehen können. Er hatte alle Voraussetzungen erfüllt und war einer der besten Bewerber aus dem ganzen Unisektor gewesen. Aber eines machte ihm Sorgen und verursachte immer wieder ein flaues Gefühl in seiner Magengegend. Für diesen, seinen Traum, würde er alles aufgeben, was ihm in seinem Leben etwas bedeutet hatte. Seine Eltern, seine Geschwister und viele gute Freundinnen und Freunde, zum Glück keine Liebhaberin, diese Bürde hatte er sich nicht auch noch aufhalsen wollen. Für die Liebe, so war er überzeugt, blieb noch genug Zeit, wenn er auf Vetrennia war, dann war auch die Chance größer, dass sie längere Zeit erhalten blieb. Eine andere Exploratorin wäre das Beste was ihm würde geschehen können, denn man würde sie zusammen auf ein Raumschiff schicken. Dennoch, am Anfang stand erst einmal der Verlust. Es konnte passieren, dass er seine Familie und Freunde ein halbes Jahrhundert nicht mehr sehen würde. Vielleicht würde er auf seiner Reise auch eine schöne Welt entdecken, die ihn ansprach und sich dort niederlassen um eine eigene Familie zu gründen. All dies, das wusste er, fürchtete besonders seine Mutter und es schmerzte ihn, ihr das alles antun zu müssen. Er wusste nicht warum, aber von all seinen Geschwistern mochte sie ihn am meisten. Um seinen Vater machte er sich dagegen weniger Sorgen. Er wusste, dass es der Traum seines Vaters gewesen war, ebenfalls zu den Sternen zu fliegen, wenn auch auf der Suche nach Altem, Vergangenem, nicht nach Neuem, Unbekannten, so wie er selbst es sich wünschte.Seine Träumereien wurden jäh unterbrochen, als ihn plötzlich ein Schwall von Wasser traf. Erschrocken fuhr er auf und blickte sich um. Direkt vor ihm stand eine Frau, groß, schlank und kräftig, mit langem Haar und einem kleinen Eimer in der rechten Hand. Mehr konnte er nicht erkennen, da sie die Sonne im Rücken hatte. „Hey, was soll das!“ Renao setzte sich auf und rieb sich die Augen, stellte aber schnell fest, dass das ein Fehler gewesen war, denn der Sand und das Salz an seinen Händen brannten fürchterlich. Die Frau kicherte, als sie das schmerzverzerrte Gesicht mit den geröteten Augen erblickte, das hinter den Händen zum Vorschein kam. „Das is überhaupt nicht lustig.“ Schnell stand Renao auf und ging einen Schritt zur Seite, um sein Gegenüber besser im Blick zu haben. Ja, diese Frau war wirklich ansehnlich. Ihr völlig nackter Körper war braun gebrannt und ihre langen, blonden Haare waren wunderschön, auch wenn sie im Moment vom Wasser verklebt waren. Die weichen Gesichtszüge waren nur eine Zierde für die dunkelbraunen Augen, die ihn raubtierhaft anfunkelten. Die Mundwinkel waren im Moment leicht lüstern nach oben gezogen und enthüllten zwei Grübchen auf den Wangen der Frau. „Ich bin Vana, und wie ist dein Name?“ „Re... Renao. Ich bin erst seit ein paar Stunden hier.“ Renao spürte, wie er Rot wurde. Er hatte schon nackte Frauen gesehen, das wohl, doch im Moment kam er sich vor, als wäre es das erste Mal. „Schön, es ist immer wieder erfrischend, neue Leute kennen zu lernen. Machst du nur Urlaub hier oder gehörst du zu den Leuten, die in das Haus neben der Pferdekoppel eingezogen sind?“ Als sie redete, wechselte Vana das Standbein und kam dabei ein wenig näher zu Renao hin. Er hatte schon gehört, dass die Leute im Süden ihre Eigenarten hatten, doch trotzdem kam er jetzt aus dem Staunen nicht heraus und sein Mund tat sich schwer, die Worte auszusprechen, die er wollte. „Äh, ja, nun. Nein, ich mache hier nicht Urlaub, ich bin nur... Ich habe meine Eltern ... meinen Eltern geholfen. Die ziehen in das Haus, ich aber nicht. Tut mir Leid...“ „Es tut dir Leid? Das muss dir doch nicht Leid tun. Auch ein paar Tage können eine lange Zeit sein. Manchmal kann man sogar in wenigen Stunden genug Spass für die Ewigkeit haben. Komm, willst du eine Runde schwimmen?“ „Äh, ja, warum nicht. Gerne“ Mit einem Mal fühlte er wieder sicheren Boden unter sich. Schwimmen konnte er wie ein Fisch. Diese Fremde dachte wohl, er würde sich dabei gleich blamieren. Na warte, dachte er, du wirst dich wundern. „Du schwimmst gut,“ sagte Vana, während sie mit gemächlich rudernden Armen neben Renao im kühlen Wasser schwebte, „das hätte ich nicht erwartet. Normalerweise können die Leute aus dem Norden das nicht so gut. Eure Thermen müssen wohl ziemlich flach sein.“ „Ich habe viel trainiert. Und es liegt nicht an den Thermen, sondern an der Einstellung. Bei uns fährt man eher Ski oder spielt auf dem Rasen. Die Thermen sind zur Entspannung gedacht und zum Aufwärmen.“ Renao hielt sich mühelos neben Vana, obwohl man im Wasser schon lange nicht mehr stehen konnte und sie schon eine gute halbe Stunde geschwommen waren. „Trainiert? Wieso? Nimmst du an Wettkämpfen teil?“ „Nein, ich will zur Flotte.“ Vana wandte ihren Blick schneller ab als er es bisher je erlebt hatte. Natürlich wusste jeder was die Flotte war. Selten hatte er eine Erklärung geben müssen. Trotzdem brauchte es bei vielen eine Weile, bis sie verstanden, doch dann waren die Reaktionen meistens ähnlich.Renao wusste jedenfalls, warum er einer längeren Beziehung immer aus dem Weg gegangen war. „Es ist seit jeher mein Traum. Schon als Kind war ich von dieser Möglichkeit fasziniert. Mein ganzes Leben trainiere und lerne ich schon für die Prüfungen.“ Vana blickte ihn noch immer nicht wieder an, kniff nur die Augen zusammen so als hätte sie einen Spritzer Salzwasser hineinbekommen. Dann atmete sie hörbar ein und sprach, mit einer kaum wahrnehmbaren Traurigkeit in der Stimme: „Wollen wir zurückschwimmen? Die Sonne steht schon tief und wir sollten aus dem Wasser so lange sie uns noch trocknen kann.“ „Ja, wir sollten zurück.“ Eine Weile schwammen sie schweigend nebeneinander her, umrundeten die Felsenklippe, die den direkten Weg zurück zur Bucht versperrte und nähereten sich schließlich der Stelle in der Bucht, wo man wieder stehen konnte. Einmal berührten sich beim schwimmen ihre Finger, was nicht zum ersten Mal geschah, doch jetzt zog Vana ihre Hand ganz schnell zurück und Renao hatte das Gefühl, dass sie anschließend ein wenig auf Abstand ging. Als sie schließlich stehen konnten, beschloss Renao, die frostige Stille zu durchbrechen. „Du hast erzählt, du würdest das Meer erforschen. Wie weit und wie tief bist du denn schon getaucht?“ Vana blickte ihn kurz von der Seite an, ihre Haare bildeten einen goldenen Kranz im Wasser, dass ihnen immer noch bis zu den Schultern reichte. „Das ist unterschiedlich. Meistens fahre ich mit dem Boot zu den Korallenriffs weiter draußen und tauche dann so weit, wie man mit einer einzelnen Pressluftflasche kommt.“ „Benutzt du keinen Roboter?“ „Nein, ich tauche gerne alleine. Auch wenn ich dann viel früher wieder hoch muss.“ „Schade, ich wollte dich nämlich eigentlich fragen, ob du mich vielleicht einmal mitnehmen würdest.“ Renao konnte förmlich sehen, wie das Eis brach und Vanas Mine sich erhellte. „Du Quatschkopf. Das †šAlleine†™ bezog ich auf den Roboter. Natürlich nehme ich dich gerne mit! Das heißt natürlich unter der Voraussetzung, dass du morgen immer noch hier bist.“ „Na klar bin ich morgen noch hier. Du weißt ja wo du mich finden kannst.“ Vana antwortete mit einem Lächeln. Inzwischen reichte das Wasser nur noch bis zu ihren Hüften und Renao spürte die kühle Luft des Abends, die ihn leicht frösteln ließ. Mit einem Seitenblick vergewisserte er sich, dass es Vana änhlich ging und war ein weiteres Mal erstaunt, wie wunderschön sie war. Beim Schwimmen hatter er nur noch ihr hübsches Gesicht gesehen, doch nun wurde dieses auf angenehme Weise durch ihren wohlgeformten Körper ergänzt. Renao fühlte in seinem Bauch jenes angenehme, wärmende Kribbeln, dass er schon so gut kannte und doch verabscheute. Schnell wandte er den Blick ab und versuchte nicht mehr daran zu denken, doch der Teil seines Körpers, der das Kribbeln auslöste, ließ sich von Gedanken nicht beeinflussen. „Schau, da vorne, dass müssen deine Eltern sein, oder nicht?“ Vana deutete auf ein Paar, das unter einer Palme im Sand saß und zu ihnen herübersah. Renao erkannte seine Eltern sofort. Sie stachen mit ihrer Kleidung aus dem Rest der Menschen am Strand heraus, die in Badekleidung oder ganz nackt waren. „Ja, das sind sie. Komm, ich stelle euch vor.“ „Sieh nur, Schatz. Renao hat sich schon eingelebt.“ Lucia gab Veren dabei mit ihrem Ellenbogen einen leichten Stoß in die Seite. „Aua! Ja, ich sehe ihn ja. Das muss diese Meeresbiologin sein, von der uns Meandra in der Bahn erzählt hat, du erinnerst dich doch noch an die alte Frau, Liebes, oder nicht?“ „Ja, ich erinnere mich an sie und an ihre Geschichten. Muss ein armes Mädchen sein diese Vana. Ganz allein an einem Ort, wo es viel zu wenig junge Männer gibt.“ „Das Problem hattest du ja nich, Liebes.“ „Da hast du Recht, Schatz, und du kannst dich glücklich schätzen, dass ich ausgerechnet dich genommen habe ...“ „...obwohl ich diese Entscheidung nie begreifen werde,“ beendete Veren den Satz. „Ich kenne diesen Satz schon zur Genüge.“ Doch er grinste dabei und legte den Arm um die Taille seiner Frau. „Lass uns aufstehen, ich glaube Renao will uns jemandem vorstellen.“Renao und Vana waren nur noch ein gutes Duzend Schritte von ihrem Ziel entfernt, als Renaos Eltern sich erhoben. Seine Mutter klopfte sich noch schnell den Sand aus dem dunkleblauen, fast schwarzen Kleid und strich ihr dazu passendes, nur unwesentlich helleres Top glatt. „Vana, darf ich vorstellen, meine Mutter Lucia und mein Vater Veren. Mum, Dad, Vana.† Die drei gaben sich abwechselnd die Hände und lächelten sich freundlich an, wobei Lucia einen kritischen Seitenblick auf Veren warf, als dieser Vana beim händeschütteln von oben bis unten musterte. „Ich habe gehört, sie sind Meeresbiologin. Ist das wahr?“ „Ja, Veren, ich bin Meeresforscherin. Ich beschäftige mich seit meinem Studium mit den Flippern im Südmeer.“ „Das ist ja sehr interessant. Dann werden sie sicher Doktor Manrien Viskita kennen. Er beschäftigt sich mit Delphinen und allen anderen Fischen, die ihnen ähneln.“ „Ich kenne Doktor Viskita sogar persönlich. Ich hatte das Vergnügen, ein Semester lang an der Universität Neobarcia zu studieren, dort habe ich keinen Vortrag von Viskita verpasst. Im übrigen sind Delphine keine Fische im klassischen Sinn, wenn sie mir diesen Einwand erlauben.“ Veren erlaubte es und zeigte es durch ein wohlwollendes Lächeln, in das Vana und dann auch Lucia und Renao einstimmten. „Schön, wir werden sicher bei Gelegenheit nochmal darüber sprechen, denn ich bin auch ein begeisterter Fan von Doktor Viskita. Doch nun müssen wir uns entschuldigen, Vilkus, unser Nachbar hat uns zum Essen eingeladen.“ „Er hat sicher nichts dagegen wenn sie Renao dorthin begleiten,“ wandte Lucia ein und drängte sich vor ihren Mann, wobei sie ihn ein wenig von Vana wegschob. „Oh, das wäre natürlich hervorragend. Wenn du nichts dagegen hast Renao?“ „Sicher nicht, nein. Natürlich kannst du gerne mitkommen.“ Im selben Moment hätte er sich am liebsten selbst geohrfeigt. Er war auf seine Mutter hereingefallen, die schon in der Vergangenheit immer wieder versucht hatte, ihn zu verkuppeln. Das letzte Mal war wohl schon zu lange hergewesen, als das er sich dieser Gefahr noch bewußt war. Doch Renao nahm es mit einem Schmunzeln auf. Wenigstens würde es dann ein durchaus amüsanter Abend werden. Vilkus Anwesen war von einem kleinen Wäldchen kaum noch zu unterscheiden. Das flache Haus wirkte wie eine Felsenterrasse und war über und über mit Gras und Schlingpflanzen bewachsen. Außen herum standen Olivenbäume, die tagsüber sicher einigen Schatten spendeten, nun aber mit leuchtenden Girlanden und einigen Lichtkugeln behangen waren und auf der Dachterrasse für Licht sorgten. Ein großer Runder Tisch stand in der Mitte der Terrasse und ein Duzend Stühle außenrum waren gerade genug um Vilkus Familie und den Gäste Platz zu bieten. Die Möbel waren einfach gehalten und waren aus dunklem Holz, auf dem Tisch stand eine drehbare Scheibe, auf der das Essen und die Getränke aufgebahrt waren.In einer Ecke der geländerlosen Steinterrasse standen einige seltsam aussehnde Instrumente, von denen eines jedoch eindeutig eine Trommel zu sein schien. Lucia und Veren saßen Vilkus und seinen beiden Frauen, Marena und Vivia direkt gegenüber, rechts neben ihnen hatten Reano und Vana Platz genommen, denen wiederrum die insgesamt sechs der acht Kinder von Vilkus und seinen Frauen gegenübersaßen. Das älteste anwesende Kind war vielleicht gerade 14 Jahre alt, die anderen schienen wohl die zehn alle noch nicht erreicht zu haben. „Vivianna und Ferrin sind die ganze Woche schon in Südblick und übernachten dort immer bei Schulfreunden oder, in Viviannas Fall, bei Studienkollegen. Ihr werdet sie aber sicher bald kennenlernen, übermorgen ist Wochenende und da kommen sie nach Hause.“ „Na, darauf freue ich mich doch sehr. Was studiert deine Älteste denn?“ Renao bekam Vilkus Antwort nicht mehr mit, denn schon wieder war sein Blick wie von selbst zu Vana gewandert, die eine unglaubliche Verwandlung durchgemacht hatte, seit sie sich am Strand getrennt hatten, um sich für den Abend fertig zu machen. Ihre Haut schien heller zu sein und ihre Haare waren gekämmt und getrocknet noch zehnmal schöner anzusehen. Noch dazu waren sie mit golden glänzenden Haarspangen hochgesteckt, so dass Vanas kräftiger Hals, der von ebenfalls goldenen Ketten geschmückt war, zum Vorschein kam. Dazu trug sie ein weißes Kleid, dass recht einfach gehalten, aber an den Rändern mit goldenen Stickborten veredelt war. Im Gegensatz zu vorhin, wo sie nackt mit ihm geschwommen war, verbarg sie jedoch nun beinahe alles. Das Kleid fiel bis zu den Knöcheln, wenn es auch seitlich geschlitzt war und man ihre Beine bis zu den Oberschenkeln sehen konnte. Obenherum lief es ohne einen Ausschnitt um den Hals herum und ließ somit nur die Schultern, den Rücken und die Arme frei. Selbst für seine ehemalige Heimat war das ein recht schüchternes Kleid, wobei er das jedoch keineswegs bedauerte. Ganz im Gegenteil sogar, denn das, was er nun nicht sehen konnte, übte plötzlich noch eine viel größere Anziehungskraft aus, obwohl es ihm doch schon bekannt war. Renao fragte sich, ob das zu Vanas Taktik gehörte, oder ob es einfach nur ihr Lieblingskleid war, vielleicht traf auch beides zu. „Ich mag es, wie du mich anschaust.“ Renao schrak zusammen. Er hatte Vana unverholen weiter angestarrt, während er in Gedanken versunken war. „Tut... Tut Leid, ich war... nur hin und weg von deiner Schönheit. Du siehst wirklich prächtig aus, Vana.“ Die Meeresforscherin errötete leicht und lächelte verlegen, doch dieser Moment währte nicht lange. „Du aber auch, mein Lieber. Einen schönen Anzug hast du da, er betont deine kräftige Figur.“ Als sie das sagte, fuhr sie mit ihrer Hand über seinen Bauch. „Du scherzt,“ antwortete Renao und drückte Vana†™s Hand verlegen zur Seite. Er hatte aus dem Augenwinkel seine Mutter erspäht, die grinsend zu ihnen herüberschaute, während sich die beiden Herren noch immer unterhielten. „Ich weiß genau, dass dieser Anzug hier unten wohl eher lächerlich ist. Zumindest hab ich das gelesen. Tut mir Leid, aber für die zwei Wochen die ich hier bin, wollte ich nicht extra neue Kleider bestellen.“ Vana kicherte, und Renao war sicher, dass mindestens drei der Mädchen auf der anderen Seite des Tisches, ebenfalls gekichert hatten. „Das muss dir nicht peinlich sein,“ sagte sie, während sie die Hand, mit der er die ihre weggedrückt hatte, nun mit beiden Händen liebevoll umschloss. „Der Anzug ist schick, eben weil er so anliegt. Aber eigentlich sieht er auch aus wie ein Taucheranzug.“ Diesmal konnte Renao die Mädchen lachen hören und Vana grinste unverhohlen, während er nicht verhindern konnte, dass sein Gesicht zu glühen begann. Er versuchte es mit Humor zu tragen. „Du bist gemein, zuerst wiegst du mich in Sicherheit und dann fällst du mir in den Rücken. Feine Methoden habt ihr hier im Süden.“ „Ach komm schon, ist doch nur Spass. Soll ich dir mal zeigen, wie man Kleider selbst erstellt? Ich bestelle schon lange nicht mehr, mache alles selbst. Dieses Kleid ist sogar handgenäht und nicht maschinell gemacht.“ „Das finde ich ja toll, doch könnten wir jetzt bitte das Thema wechseln. Wir sollten mal über morgen reden, wann willst du denn aufbrechen?“ „Oh, na klar. Morgen. Ja, ich werde wohl gegen halb elf bei dir vorbeikommen, du brauchst nichts mitzunehmen, es sei denn du hast eine eigene Tauchausrüstung. Dann gehen wir zum Strand und fahren mit dem Boot raus zum Riff. Dort können wir bleiben, so lange du willst.“ „Klasse. Ich freue mich wirklich. Hast du im Netz Bilder von deinen Ausflü...“ „Bitte um Aufmerksamkeit.“ Renao hatte garnicht mitbekommen was am Tisch noch so vorging und erschrak leicht, als Vilkus mit seiner Gabel gegen ein Kristallglas pochte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Meine liebe Tochter Mariella und mein Sohn Zantim werden mit mir zusammen nun ein paar kleine Musikstücke zum besten geben. Wer es wünscht, kann natürlich gerne weiteressen, oder weiterplaudern,“ wobei er kurz zu Renao blickte und ein kurzes Lächeln um seine Mundwinkel zuckte. Doch sie hatten nicht weitergeplaudert und nach einer halben Stunde schönster Rhythmen und Klänge, merkte er, dass er die ganze Zeit Vanas warme Hand gehalten hatte. Verstohlen blickte er zu ihr hinüber, als das letzte Decrescendo das Ende der Vorführung ankündigte und als die allerletzten Töne langsam verklangen, trafen sich ihre Blicke, sahen sie sich gegenseitig in die dunklen Augen, auf denen sich die vielen Lichter an den Bäumen spiegelten. Und in dieser Sekunde wusste Renao, dass er nicht nach Vetrennia konnte ...