Genau das ist ja der Punkt: "das Menschliche" lässt sich nicht als ein positiver Katalog von Eigenschaften bestimmen, es wird eher durch das verhältnis bestimmt, das Menschen zueinander einnehmen - also, ob sie einander Menschlichkeit zuerkennen. Historisch ist es nun erfahrungsgemäß so, dass die Aberkennung von Menschlichkeit meistens gleichzeitig den Punkt äußerster Diskriminierung darstellt. Sobald "Menschlichkeit" an positiv feststellbaren Merkmalen (Sprache, Reflektionsfähigkeit, Willensäußerung, geschlechtliche Zugehörigkeit) festgemacht wird, besteht natürlich die Gefahr, dass Menschen diesen Merkmalen, wenn sie in bestimmter Weise interpretiert werden, nicht entsprechen, womit ihre Zugehörigkeit zur Kategorie "Mensch" in Frage gestellt wäre ... und das wäre wahrscheinlich eine ziemlich schlimme Sache für die betreffenden Personen. Wenn wir "Menschen" definieren wollen, können wir das also im Zirkelschluss nur Anhand einer unbestimmten Eigenschaft wie "Menschlichkeit" - zumindest, wenn wir am bürgerlichen Ideal der kategorialen Gleichheit aller Menschen festhalten wollen. Robson thematisiert genau diese politische Brisanz des Begriffs "Mensch" - es ist nun mal, in unserer Welt wie in Robsons so, dass die einzigen Wesen, mit denen wir in gesellschaftliche Aushandlungsprozesse treten können, die Rechte haben und auch artikulieren können, andere Menschen sind. Das ist einer der zentralen Ankerpunkte für "Menschlichkeit" in unserer gesellschaft, und dem entsprechen die Abgestimmten. Andersrum gefragt: an welchem Punkt in der Geschichte ihrer Veränderung hätte man den Abgestimmten das Menschsein aberkennen sollen? Und warum? Hätte eine solche "Aberkennung" nicht automatisch eine für die eine oder andere seite diskrimierende Aussage transportiert (Entweder die Angestimmten sind "keine Menschen mehr", oder aber "Übermenschen")? Eine mehr oder weniger demokratische Gesellschaft muss für alle Rechtssubjekte am Status der Menschlichkeit festhalten, sonst kommt sie ziemlich in die Bredoullie ... Gerade dieses hin und her zwischen Abgrenzung und Gemeinsamkeit ist das Problem zwischen Unabgestimmten und Abgestimmten: gibt es nun einen kategorialen Unterschied zwischen ihnen oder nicht? und genau um dieses hin und her überhaupt noch vermitteln zu können, muss eben auf der "Menschlichkeit" aller an ihm Beteiligten bestanden werden. Aber das ist natürlich niemals eine sichere oder eindeutige Sache ... Eigentlich ist das genau der Aspekt, den ich an Robsons Romanen so sehr schätze: die politischen Konsequenzen technologischer Entwicklungen, die in der SF oft einfach abgekanzelt werden, sind bei ihr das zentrale Thema. Vielleicht ist Robson auch deshalb für viele so verwirrend, weil sie als Hard-SF daherkommt, aber ihr Schreiben mindestens ebenso stark in den Gesellschaftswissenschaften verankert ist wie in Physik und Biologie.Ich bastle mir ein Raumschiff mit einem menschlichen Verstand. Was könnte ich an dieser Kreatur Mensch nennen? Doch eigentlich nur seine Menschlichkeit, seine Ethik. Das aber kann ich nicht definieren, nicht festlegen
Justina Robson - Die Verschmelzung
#31
Geschrieben 19 Mai 2005 - 15:29
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#32
Geschrieben 19 Mai 2005 - 15:32
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#33
Geschrieben 19 Mai 2005 - 16:22
Bearbeitet von Sullivan, 19 Mai 2005 - 16:24.
#34
Geschrieben 19 Mai 2005 - 17:42
R. Scott Bakker
"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama
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#35
Geschrieben 19 Mai 2005 - 17:54
Da habe ich es doch mal wieder geschafft, das Thema auf Evolution zurecht zu biegen. Ich muss euch, Jakob und Lapismont, nach Überlegung Recht geben. Robson trennt die Menschen trotz vieler körperlichen Veränderungen nicht. Mein Gedanke war - als ich den alternativen Titel dahin stellte - dass a ) alles in der Zukunft abspielt und b ) eine Vorstufe zur Speziestrennung stattfindet. Unter unterschiedlichen Spezies wird unter anderem verstanden, dass zwei getrennten Gruppen sich nicht mehr untereinander vermehren können. Dies geschieht im Buch. Dann geschieht diese Trennung auf einer recht unnatürlichen Art - die Menschen werden "fertig gestellt" (Robsons Wortwahl), nicht geboren. Übrigens würde es bei einer Speziestrennung zwei Menschenspezies, zwei "Homos" geben (statt Menschen und Nicht-Menschen), sowie es Homo Sapiens Sapiens und Homo Neanderthalensis gibt (he, ich habe wieder meine Neanderthaler reingemogelt )Evolution ... Evolution ... Evolution ... Evolution ... Evolution ... Evolution.
#36
Geschrieben 19 Mai 2005 - 18:32
Du triffst es auf den Punkt. SullivanSo gesehen kann man ihr vielleicht vorwerfen, dass sie zu "hermetisch" ist und man nur Zugang zu ihren Themen findet, wenn man eh schon danach sucht, oder dass es ihr nicht gelingt, ihr Anliegen für Leute interessant zu machen, die nicht eh schon das entsprechende Interesse mitbringen.
#37
Geschrieben 20 Mai 2005 - 08:18
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#38
Geschrieben 20 Mai 2005 - 09:35
#39
Geschrieben 20 Mai 2005 - 18:36
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#40
Geschrieben 20 Mai 2005 - 23:48
deshalb mach ich beim Lesezirkel mit. Mein fieses Unterbewußtsein würde doch glatt immer nur dasselbe fordern. Und Ol'Lem will keine SF mehr rüberreichen....Nee, nee. Ich finds gut, daß (immer) noch Bücher erscheinen, die sich nicht vollends nach in Schreibhandwerk-Ratgebern verbreiteten Rezepten und Routinen richten. Ich will nicht nur verschiedenfarbige Kekse, sondern auch mit verschiedenen Formen, verschiedenen Belägen und überhaupt: manchmal mag ich auch Salat oder einen Brocken rohes Fleisch. Grüße Alex / molosovksy
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
Moderator im Unterforum Fantasyguide
Fantasyguide
Saramee
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#41
Geschrieben 21 Mai 2005 - 12:45
#42
Geschrieben 24 Mai 2005 - 13:36
Ich auch. Aber wenn ich den Salat erst selber anbauen und die Kuh schlachten muss, hört es bei mir auf. Und bei diesem Roman hatte ich - um bei Deinem Bild zu bleiben - das Gefühl, mich durch einen Saatgutkatalog zu arbeiten und nebenbei noch die besten Tipps für die beste künstliche Befruchtung von Kühen zu erhalten. Um Fleisch und Salat zu haben.†¦ und überhaupt: manchmal mag ich auch Salat oder einen Brocken rohes Fleisch.
Bis dennen,
Henrik Fisch
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"
#43
Geschrieben 24 Mai 2005 - 13:55
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