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[Kurzgeschichte] Blutige Tränen


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10 Antworten in diesem Thema

#1 thomas t

thomas t

    Yoginaut

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Geschrieben 25 Mai 2005 - 18:59

Eine Gänsehautwelle jagte die nächste. Das Licht ging an und überschüttete sie mit gnadenloser Helligkeit. Sie war nackt, Arme und Beine mit groben Seilen an einen Holzstuhl gebunden. Auch unter ihrem Busen und um den Bauch drückte sie das Seil an die Lehne. Mit einer raschen Drehung des Handgelenkes überprüfte sie die Fesseln. Eine kundige Hand hatte sie so geschnürt, dass jeder Fluchtversuch schon im Keim erstickt wurde, ohne jedoch die Blutzufuhr zu behindern. Nur ihre Atmung war durch das Seil eingeschränkt. Der Jemand ließ ihr gerade genug Luft zum Leben aber kein Molekül mehr.
Ein Verhör. Man hatte sie überfallen, betäubt, ausgezogen und in diese genau geplante Position gebracht. Sie sollte sich unwohl fühlen, verletzlich, klein. Aber sie war eine Guardian. Sie war für Situationen wie diese trainiert worden. Wer auch immer fähig war diese Entführung durchzuziehen musste das ebenfalls wissen.
Sie blickte hinaus in die Dunkelheit jenseits blendenden Kreises in dessen Zentrum sie saß. Irgendjemand war da draußen. Wahrscheinlich mehrere. Sie beobachteten sie und wussten das sie es wusste. Dieses Wissen sollte die Gefangene zusätzlich verunsichern. Aber sie ließ sich nicht auf das Spiel ein. Statt dessen fragte diese sich warum sie hier war. Es gab so viele Gründe das ihr keiner einfiel.
„Sie fragen sich jetzt sicher warum Sie hier sind, Haydeé Tebelin“, hörte sie eine männliche Stimme in akzentfreien Janteranto, der groß-terranischen Verkehrssprache. „Und warum wir Ihren Namen kennen. Wir wissen eine ganze Menge über Sie. Sie wurden am 13. 5. 2237 in Haibar auf der Arabischen Halbinsel geboren. Ihre Eltern waren Mustafa und Laila Tebelin. Sie starben 2246 am Lotus-Syndrom, woraufhin sich die Guardians Ihrer annahmen. Wir bereiten uns immer gut vor. Soll ich fortfahren?“
„Sie sind mir gegenüber im Vorteil“, entgegnete Haydeé. „Ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.“
Sie hörte Schritte im Dunkeln. Drei, vier, fünf. Dann stand er im Licht.
Er war hochgewachsen, von der schlanken, fast schon zierlichen Statur eines Leichtweltlers. Er trug einen blauschimmernden Anzug. Kurzgeschnittene schwarze Haare umrahmten ein fast schon asketisches Gesicht mit mandelförmigen Augen.
„Du darfst mich Ahn nennen“, sagte er.
„Neu China?“, tippte sie und versuchte dabei das Du zu überhören – die größte Beleidigung die ein Gemeiner einem Übermenschen gegenüber aussprechen konnte.
„Du hast wohl eher einen Primitiven erwartet.“ Haydee reagierte nicht einmal mit einem Wimpernschlag darauf. „Tatsächlich repräsentiere ich ein neu-chinesisches Konsortium. Wir und die Primitiven haben einen gemeinsamen Feind. Das macht uns zu Verbündeten.“
„Egal welche Folter Sie versuchen, Sie können keine Informationen aus mir herausquetschen.“
„Wenn ich Informationen wollte währst du nicht da.“
Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging mit langen, gemessenen Schritten um sie herum. Sie sah ihm nicht nach. Ahn trat hinter ihr und legte seine kalten Hände auf ihre nackten Schultern. Haydeé konnte ein leichtes Zusammenzucken nicht verhindern. Vielleicht, so hoffte sie, hatte er es nicht bemerkt.
Ihr Peiniger beugte sich nach vorn, ganz nah an ihr linkes Ohr. „Wenn ich ehrlich sein soll ist es mir vollkommen egal ob du Lebend oder Tod hier herauskommst“, flüsterte Ahn. „Aber wenn es soweit ist werde nicht ich dich töten. Diesen Job erledigst du schon selbst.“
Er richtete sich wieder auf und vollendete den Kreis. Er baute sich breitbeinig vor ihr auf, was so gar nicht zu seiner Statur passte, und verschränkte wieder die Arme hinter dem Rücken.
„Wenn du mich darum bittest werde ich dir sogar das Messer geben“, fügte er in normaler Lautstärke hinzu.
Haydeé antwortete indem sie den Kopf zur Seite drehte um ihn nicht sehen zu müssen.
„Du hast recht. Die Zeit ist noch nicht gekommen.“ Er ergriff ihr Kinn und drehte den Kopf so, dass sie ihn sehen musste. „Aber Groß Terras Zeit ist gekommen. Wir sorgen für seinen Untergang. Und den der Übermenschen.“
Sie spukte ihm ins Gesicht.
Ahn trat einen Schritt zurück, holte ein Taschentuch heraus und wischte sich in aller Seelenruhe das Gesicht ab. „Mehr hast du nicht zu sagen?“
„Wir sind die einzigen, die die Auslöschung der menschlichen Rasse verhindern können!“, fuhr Haydeé ihn an. „Und ihr wollt uns vernichten? Der Feind hat immerhin schon zwei Welten erobert und der Krieg dauert erst ein Jahr!“
„Unwichtige Welten“, entgegnete Ahn. „Newton wurde erst vor vier Jahren kolonisiert. Sie hatten gerade einmal das Koloniale Zentrum fertig gestellt. Thetis ist zwar eine Kernwelt, aber außer fantastischer Strände und exotische Meeresfrüchte hat es nicht viel zu bieten. Und die orbitale Verteidigung dieser Welt war auch nie besonders stark.“ Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Interessant wird es erst wenn der Feind versucht so wichtige Welten wie Terra, Alpha, Neu China oder Lambda zu erobern.“ Das Lächeln verschwand. „Aber wer sagt dir überhaupt, dass der Feind überhaupt existiert? Hast du je einen von ihnen gesehen? Bevor der Krieg begann kannten wir nur zwei intelligente Völker: uns und die Ox von Wolf. Und die leben noch in der Steinzeit.“ Er ging einige Schritte nach rechts und sah sie von der Seite her an. „Der Feind könnte genauso gut eine Erfindung von euch Übermenschen sein um uns zu kontrollieren“, fuhr er fort. „Oder es sind die Primitiven.“
„Wenn ich schon sterben soll“, entgegnete Haydeé, „Kannst du mir auch gleich die Wahrheit sagen.“
„Das kann ich nicht“, gestand Ahn kopfschüttelnd. „Dann ich kenne die Wahrheit selbst nicht. Ich bin genauso ein Befehlsempfänger wie du.“
„Ich bin eine Guardian! Kein Befehlsempfänger!“
„Ach ich vergaß, du bist etwas Besonderes. Kannst du mir vielleicht sagen was dich so besonders macht?“
Sie wusste, jedes Wort von ihr würde seine Selbstgefälligkeit nur weiter anstacheln. Darum schwieg sie.
„Du willst nichts sagen?“, hakte er nach. „Nichts über das Schicksal, das dich ausgewählt hat? Nichts über die Ehre, die ihr Guardians so sehr pflegt? Nichts über all das Gute, das die Übermenschen uns Gemeinen angedeihen lassen? Gar nichts von all dem was deine Kollegen an dieser Stelle sagten?“
Seine Stimme triefte vor Verachtung und Spott. Sie unterdrückte mit aller Kraft den Impuls sich zu erklären. Als klar war das Haydeé nichts sagen würde ging Ahn drei Schritte rückwärts und verschwand in der Finsternis.
Wie viele Guardians befanden sich vor ihr in dieser Situation? Haydeé wusste von niemandem. Und überhaupt, was war das für ein Verhör? Es hatte alles Richtig begonnen. Seine Bewegungen und die Körpersprache, sogar die Stimmlage schien peinlichst genau einstudiert zu sein. Wie nach dem Drehbuch eines Psycholinguisten. Er hatte ihr gedroht und sie verunsichert zu den Zeitpunkten an denen sie es erwartet hatte. Das Zuckerbrot würde garantiert bei der zweiten Sitzung folgen. Er machte sogar einen Fehler, genau wie das Drehbuch es verlangte, als er zugab etwas nicht zu wissen. Aber was sollte der Spott? Spöttelei brachte einen nur gegen den Verhörer auf. Er sorgte das man die Peitsche ertrug und das Zuckerbrot verweigerte. Schon aus purem Trotz. Was sollte das also? Warum ließ er sich so sehr gehen? Er hatte seine Sache so gut gemacht. Warum vermasselte er es jetzt?
Ahn kam nach fünf Minuten zurück. Laut Drehbuch hätte es noch fünfundzwanzig Minuten länger bis zur zweiten Sitzung dauern sollen. Das verwirrte sie jetzt vollkommen.
„Du glaubst dich noch immer in einem gewöhnlichen Verhör zu befinden“, begann Ahn und fuhr fort ohne auf ihre Antwort zu warten. „Ich habe dir bereits gesagt, es geht uns nicht um Informationen. Wir wissen bereits mehr als genug. Wir wollen eigentlich nur das du nachdenkst.“
Haydeé legte ihre Stirn kraus. „Worüber?“, fragte sie im ehrlichen Interesse.
„Über die Übermenschen. Das was sie getan haben und ob es wirklich so gut ist wie du glaubst. Entscheide dich ob du ihnen noch immer dienen willst.“
„Die Antwort ist klar“, sagte Haydeé in dem Wissen ihr eigenes Todesurteil zu unterzeichnen. Dafür kannte sie jetzt endlich den Grund für dieses Gespräch. Ahn hatte die Wahrheit gesagt. Sie wollten keine Informationen. Sie wollten eine Überläuferin.
„Vielleicht doch nicht“, entgegnete Ahn. Aus den Tiefen seines Anzuges zauberte er eine Spritze hervor. Er klopfte ein paar mal auf den Plastikzylinder und drückte die Luft raus. Dann jagte er den glasklaren Inhalt er in Haydeés Halsschlagader.
„Was ich dir soeben gegeben habe nennt sich Parturé. Es wird aus den ätherischen Ölen von sechs verschiedenen mahatmanischen Pflanzen destilliert. Aber frage mich bitte nicht wie diese heißen. Die Droge hilft dir dich zu erinnern. Außerdem unterdrückt sie die Filter, die durch Sozialisation und Konditionierung aufgebaut wurden. Daher wirst du alles so erkennen wie es wirklich ist, nicht wie es sein sollte. Ist dir heiß?“
Heiß war gar kein Ausdruck. Haydeé glaubte zu spüren wie der Schweiß aus jeder einzelnen Pore getrieben wurde. Binnen weniger Augenblicke sah sie aus als hätte sie gerade die Dusche verlassen.
„Ja, die Droge wirkt schon“, sagte Ahn. „Versuch dich nicht dagegen zu wehren. Es wird dir sowieso nicht gelingen. Nur ein kleiner Tipp wenn du überleben möchtest: egal was passiert, denke auf keinen Fall an Ehre.“
Damit hatte er ihr Todesurteil mitunterzeichnet. Es war praktisch unmöglich nicht an etwas zu denken, an das man nicht denken sollte.
Das erste Bild kam. Laila, Haydeés Mutter. Sie war jetzt nun schon so lange Tod, das Haydeé sich gerade noch an ihren Namen erinnern konnte. Manchmal träumte sie noch von ihr. Doch Laila war da immer nur ein Schatten unter vielen. Jetzt sah sie ihre Mutter wie zum ersten Mal. Eine Wolke aus dunklen Locken umrahmte ein rundliches Gesicht das von großen Augen und schmalen Brauen dominiert wurde. Ihre Mutter war eine schöne, wenn auch nicht schlanke Frau. Haydeé erinnerte sich gerne an den Weichen Bauch, der sie immer tröstete. Laila hatte so ihre Prinzipien. So trug sie immer ihr Kopftuch, trotz des Religionsverbotes der Übermenschen. Sie starb am Lotos-Syndrom, wenige Tage nach dem zweiundzwanzigsten Jahrestag des Asteroideneinschlags in Australien und der Machtergreifung der Übermenschen. Und einen Tag vor Vater.
Das Sterben dauerte zwei Monate. Auf einer rein intellektuellen Ebene wusste Haydeé was der Erreger des Lotos-Syndroms im menschlichen Körper anrichtete. Das er ihn langsam ausbluten ließ. Zum Glück war er nur schwer unter Menschen übertragbar. Das zwei Menschen am selben Ort zur selben Zeit erkrankten kam in einem von hundert Fällen vor. Das alles wusste sie. Aber es zu fühlen, ohne all ihre psychischen Schutzmechanismen war... es gab keine Worte dafür.
Sie wand sich in ihren Fesseln. Sie wusste das es nur Halluzinationen waren, hervorgerufen durch die Droge. Man hatte ihr beigebracht sich dagegen zu wehren. Sie wusste das die Bilder nicht real waren. Aber sie fühlte sich so an. Haydeé bemerkte die Tränen gar nicht die sich mit dem Schweiß vermischten.
Sie war neun als die Guardians sie aufnahmen. Man sagte ihr, sie währe vom Schicksal auserwählt, so wie alle Guardians. Das und der harte Drill ließen sie ihren schmerzhaften Verlust vergessen. Schon bald verschwammen die Gesichter ihrer Eltern. Sie machten einem einzigen Gefühl, einem einzigen Wort platz. Ehre. Dieses Wort stand jetzt in großen flammenden Lettern in ihrem Geist und wurde allem gegenübergestellt das sie getan hatte.
Eines ihrer ersten Kommandos war die Auslöschung eines Dorfes auf Corris. Die dortigen Menschen waren nicht böse. Ihr einziger Fehler war, das sie genetische Veränderungen aufwiesen die gegen das Reinheitsgebot verstießen. Und das war nicht einmal ihre Schuld. Sie hatten diese Veränderungen von ihren Eltern und deren Eltern geerbt.
Oder die Sekte auf Terra. Haydeé hatte keine Ahnung welchen Gott sie anbeteten. Sie wusste nur, dass dieser Gott nicht Mensch hieß. Die gesamte Sekte ergab sich kampflos als Haydeé mit ihrer Truppe sie gefangen nehmen sollte. Nach einem kurzen Prozess wurden sie alle hingerichtet. Wie es das Gesetz vorsah.
Wo war da die Ehre?
Da war mehr. Dinge die sie nicht getan hatte, aber von denen sie wusste das es sie gab.
Wo war die Ehre wenn Kinder abgetrieben werden mussten, nur weil die fötale Untersuchung zeigte das sie behindert sein könnten?
Wo war die Ehre wenn man Menschen exekutierte, bloß weil sie versuchten eine rudimentäre KI zu erschaffen um ihr Leben ein wenig zu erleichtern?
Wo war die Ehre wenn die Bevölkerung dreier Welten, Mahatma, Neu Zion und Thor, versklavt wurde, nur weil man davon überzeugt war, dass sie primitiver waren?
Wo war die Ehre der Guardians, der Übermenschen?
Haydeé konnte nicht mehr anders. Auch wenn es gegen alles verstieß das sie jemals gelernt hatte musste sie Schreien. Sie schrie sich ihren Schmerz von der Seele. Es war der Schmerz eines ganzen Volkes.
Sie wusste nicht wie lange es dauerte. Irgendwann kam sie wieder zu sich. Ihre Kehle schmerzte. Man hatte sie von ihren Fesseln befreit. Sie lag zitternd in eine Decke gehüllt am Boden. Jemand stützte sie von hinten und streichelte ihre Haare.
„Was habe ich getan?“, flüsterte sie tonlos.
„Du hast nur deine Befehle ausgeführt.“ Sie erkannte Ahns Stimme hinter ihr. „Du wurdest darauf konditioniert. Du dachtest, du würdest das Richtige tun. Es war nicht deine Schuld. Wir Menschen glauben gern auf der Seite des Guten zu stehen.“
Haydeé drehte den Kopf um den Neu-Chinesen aus den Augenwinkeln sehen zu können. „Seid ihr die Guten?“
„Es hilft wenn man daran glaubt“, meinte Ahn und schüttelte daraufhin den Kopf. „Aber ich persönlich glaube nicht das so etwas Einfaches wie Gut oder Böse überhaupt existiert.“
Haydeé nickte während sie den Blick wieder dem Boden zuwandte. Mehr musste sie nicht hören um zu verstehen. „Was wollt ihr von mir?“
„Groß-Terra reagiert auf die Bedrohung des Feindes“, begann Ahn. „Sie beginnen mit der Produktion eines neuen Jägers, den Ketzer. Vielleicht hast du schon davon gehört.“
Haydeé nickte. Den Gerüchten nach verfügte der Ketzer über ein vollkommen neuartiges Cockpitdesign, das die Überlegenheit der feindlichen Jäger egalisierten sollte.
„Sie suchen noch Piloten und wir möchten, dass du dich freiwillig meldest.“
„Ich soll dort für euch schlafen“, sprach Haydeé sofort das Wesentliche an.
„Ja, aber wir können dir nichts befehlen. Wir bitten dich lediglich um deine Mithilfe.“
Die Droge hatte längst aufgehört zu wirken, aber Haydeé wusste, sie hatte sich verändert. Sie würde nie wieder die Selbe sein. Doch wenn sie auf diese Bitte einging musste zumindest nach außen hin den Schein waren. Konnte sie das? Wie konnte sie so weitermachen als währe nichts geschehen, nach all dem was sie jetzt erfahren hatte?
„Du hast gesagt, du würdest mir das Messer reichen wenn ich dich darum bitte.“ Haydeé schloss die Augen und holte tief Luft. „Gib es mir.“
Sie fühlte wie Ahn sich hinter ihr bewegte. Dann reichte er ihr wortlos das Messer mit dem Griff voran.
Es war eine gerade, einschneidige Klinge, fast zwanzig Zentimeter lang. Sie war von einer Art wie sie an die nächste Generation weitergegeben wurde. Haydeé schloss die linke Hand um die Klinge und zog diese durch. Dann öffnete sie die Faust und beobachtete wie das Blut die Handfläche füllte. Es floss über den Rand, sammelte sich am Handrücken und tropfte von dort auf den Boden.
„Ein Tropfen für jeden“, murmelte sie.
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#2 rockmysoul67

rockmysoul67

    Temponaut

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Geschrieben 26 Mai 2005 - 18:36

Eine neue Haydeé Tebelin Geschichte! Sie ist sehr gut geschrieben. Guter Einstieg, Dialog, Lebenslauf und Wandlung des Hauptcharakters, symbolisches Ende. Sie besitzt auch ein tiefgründiges Thema: Folter, aber nicht zur Informationsgewinnung, sondern um das Opfer eine Meinungsänderung zu erzwingen. Ich persönlich finde, dass die Geschichte zur Spannungssteigerung auch anders eingeteilt werden könnte. Statt dass nach der Spritzeverabreichung der Lebenslauf und die Meinungsdeutung an einem Stück abgespielt wird, wäre ein langsames Vorantasten mitreissender. Nehmen wir mal an, die Spritze wird mehrmals verabreicht und bei jeder Spritze erlebt Tebelin einen Teil ihrer Vergangenheit. Dies wird zwischen jeder neue Verabreichung zwischen Tebelin und Ahn besprochen und langsam aber sicher ändert Tebelin ihre Meinung. So kommt es beim Leser besser an als so einen Informationsbrocken inkl. sofortigen Meinungsumschwung. Ein paar Dinge fielen mir auf, die nicht unbedingt falsch sind, aber bei mir ein "Häh?" hervorriefen. Wie dann auch, das Folgende kann deutlicher geschrieben werden. Es ist mir nicht klar, wie die Spezieseinteilung funktioniert. Es gibt drei intelligente "Völker": uns, die Ox von Wolf und möglicherweise der Feind. Wer ist uns? Die Menschen, oder? Gut, dann werden die Menschen eingeteilt zwischen Primitiven und Übermenschen, nicht wahr? Die Primitiven werden auch Gemeine genannt. Stimmt's sofern? Gut, aber was ist Ahn für ein Wesen? Er ist ein Mensch, ein Leichtwelter (ein Mensch, der auf Merkur oder so lebt?), ein Gemeiner. Er sagt aber, dass er weder ein Primitiver noch ein Übermensch ist. Gibt es somit drei Arten von Menschen? Ich finde die Rassen- und Spezieszuweisung sehr verwirrend. (Vielleicht sollst du dir selbst klar machen, was ein Volk, was eine Rasse, was eine Spezie usw. ist.) Damit zusammenhängend schreibst du:

Haydee reagierte nicht einmal mit einem Wimpernschlag darauf

Worauf reagiert sie nicht? Dass sie angesprochen wird? Oder dass sie einen Primitiven erwartet hätte? Sie hatte gerade das Gefühl, dass sie beleidigt wurde, also hat sie wohl darauf reagiert. Später schreibst du:

"Du hast recht. Die Zeit ist noch nicht gekommen."

Womit hat Haydeé Recht? Sie hat ja nichts gesagt. Welche Zeit ist noch nicht gekommen? Fast am Schluss lässt du Haydeé sagen:

"Ich soll dort für euch schlafen"

Sie soll schlafen? Meinst du in Warteposition bleiben, bis sie einen Auftrag zur Sabotage erhält? Oder soll sie spionieren. Ich kann deine Gedanken schon folgen. Wenn ich den Text nochmals genau anschaue, verstehe ich z.B. dass "Recht haben" als Erwiderung auf das Kopfschütteln gemeint ist oder dass mit "Zeit" noch nicht der Moment zur Messerüberreichung gekommen ist. Aber eben, es sind noch kleine mangelhafte Pünktchen vorhanden, die fürs Leseverständnis leicht verbessert werden können.

#3 thomas t

thomas t

    Yoginaut

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Geschrieben 01 Juni 2005 - 21:58

Thanks!

Das mit der Spritze ist ein guter Hinweis. Könnte man wirklich so ähnlich gestalten.

Also das mit den Menschen muss ich wohl genauer erklären. Vielleicht kann mir da wer helfen.
Ich hab mir gedacht, dass drei "Kasten" exestieren. Die Übermenschen - die Herrscher (die Guardians sind ihr Militärischer Arm), die Gemeinen - das Volk (in der vorherigen Geschichte hießen sie noch Normalos, das hab ich nach Rücksprache mit einem Freund geändert), und die Primitiven (sie sind kaum mehr als Sklaven). Die Primitiven haben ihrern Status desswegen, weil ihre Kolonien seit der Gründung unabhängig waren und von Groß-Terra erst erobert werden mussten. Daher auch der Guerillia-Krieg.

QUOTE 
Haydee reagierte nicht einmal mit einem Wimpernschlag darauf



Worauf reagiert sie nicht? Dass sie angesprochen wird? Oder dass sie einen Primitiven erwartet hätte? Sie hatte gerade das Gefühl, dass sie beleidigt wurde, also hat sie wohl darauf reagiert.

Also ihr hab versucht sowohl ihre Gefühle als auch ihre sichtbaren Reaktionen zu beschreiben. Das hat wohl nicht so geklappt. Muss ich noch überarbeiten.

Sie soll schlafen? Meinst du in Warteposition bleiben, bis sie einen Auftrag zur Sabotage erhält?

Jep! Ich dachte das erklärt sich in der Geschichte. Spionieren braucht sie nicht, denn die Primitiven wissen schon alles (oder fast).
Immer daran erinnern das der durchschnittliche Leser nur 50% versteht von dem was du schreibts, Thomas. Immer daran erinnern. ;)

Eine kleine Wahrnung vorweg: Es werden noch zwei weitere Geschichten über Haydeé kommen. Dann habe ich (hoffentlich) alle Kriegsaspekte dieses Universums durchgeackert.

Thomas
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#4 Sandnix

Sandnix

    Mikronaut

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Geschrieben 03 Juni 2005 - 11:40

Gefällt mir gut die Geschichte! Vor allem finde ich gut, dass du kein Blatt vor den Mund nimmst. Endlich hockt die halt nackisch da gefesselt beim Verhör, bis zum äußersten wehrlos, nur ihr Geist schützt sie noch. Normalerweise sind Verhöre immer viel harmloser beschrieben, da sind hinter der Stuhllehne gefesselte Hände schon das Maximum. Diese Unterschiede machen meines Erachtens eine Welt und eine Erzählung gleich um vieles brutaler und damit realistischer (nachvollziehbarer), ohne dabei irgendwelche perversen Phantasien des Autors zu beschreiben (das Gefühl habe ich bei manchen Büchern, das macht die Sache dann immer etwas unangenehm ...) Allerdings fehlt mir ein bischen der Kampf des Willens gegen die Pein, die der Körper da erfährt. Das Sprechen sollte ihr schwerfallen. Du schreibst ja auch:

Nur ihre Atmung war durch das Seil eingeschränkt. Der Jemand ließ ihr gerade genug Luft zum Leben aber kein Molekül mehr.

Das sollte sich schon irgendwie bemerkbar machen oder? Dann finde ich den Wandel etwas schnell. Diese eine kleine Droge wandelt die seit Jahrzehnten eingepaukte Lebenseinstellung um 180° !!! Ich stelle mir die Guardian nach deinen Beschreibungen viel unmenschlicher vor. Sie sind die absolute Elite, die perfekten Supersoldaten mit einem gottgleichen Drill und einem unbezwingbaren Willen. Sie hat jahrelang Menschen getötet oder in den Tod geschickt, dabei härtet man ab oder geht sofort daran zu Grunde. Das sollte viel stärker rauskommen denke ich. Dazu noch eine Textstelle die etwas "Blumig" wirkt (verzeih mir meine unprofessionelle Ausdrucksweise *g*):

Sie machten einem einzigen Gefühl, einem einzigen Wort platz. Ehre. Dieses Wort stand jetzt in großen flammenden Lettern in ihrem Geist und wurde allem gegenübergestellt das sie getan hatte.

Es sollte vielmehr beschrieben werden, was der Ehrbegriff der Guardians ist. Die Ehre eines Samurai unterscheidet sich zwar vll. nicht wesentlich von der eines Ritters, doch hat sie Unterschiede die viel ausmachen. Ähnlich ist es bei den Guardian. Was stellt ihre Ehre dar? Vielleicht ähnlich der US Ranger, keinen Kameraden, tot oder lebendig, im Feld zu lassen? Oder vielleicht noch krasser, der Ehrbegriff der SS, die wohl alles als ehrenvoll empfand, was der Rassenideologie diente? (Krasses Beispiel, man möge mir verzeihen) Dann gibt es vielleicht einen Unterschied zwischen Haydees persönlichem Ehrbegriff, vermittelt noch durch ihre elterliche Erziehung und dem Ehrbegriff, den die Guardians ihr einpaukten. ANsonsten finde ich die Idee und den Aufbau der Szene gelungen und ein bischen mehr Extreme würden mich sicherlich noch mehr fesseln. Lass den Leser noch mehr mit Haydee fühlen, geschafft hast du es, wenn wir sie zuerst hassen lernen, trotz ihrer Situation (d.h. Ahn bringt den Leser mit seinen schon beschriebenen Argumenten gegen sie auf) und dann kommt ihre gezwungene Wandlung, herbeigeführt durch gewaltigen psychischen und physischen Druck und Schmerz, der jahrelange Konditionierung durch die Guardians vernichtet. Vielleicht sollte sich die Szene auch zeitlich etwas länger strecken, vielleicht ein ganzer Tag, vielleicht aber auch einen Monat. Immerhin ist es die wohl wichtigste Wandlung des Charakters in seinem Leben und, eingebettet in eine längere Geschichte oder ein Epos, wohl die entscheidende Wende, die endlich den Weg zum guten Ende ahnen läßt? Kritik an Stil und so lass ich mal weg, da bin ich selber noch grün und ich hab auch nix gefunden was ich noch wüsste. Hoffe ich konnte dir helfen!

#5 thomas t

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    Yoginaut

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Geschrieben 12 Juni 2005 - 09:20

Danke für die Kritik!

Allerdings fehlt mir ein bischen der Kampf des Willens gegen die Pein, die der Körper da erfährt. Das Sprechen sollte ihr schwerfallen.

Jep, da hast du recht. Ich werd das bei der Beta-Version berücksichtigen.

Dann finde ich den Wandel etwas schnell. Diese eine kleine Droge wandelt die seit Jahrzehnten eingepaukte Lebenseinstellung um 180° !!!

Um ehrlich zu sein möchte ich diese kleine Droge nicht ausprobieren. Mich an alles was geschehen ist erinnern zu können und das ganze ohne Filter... Nein auf keinen Fall. Im übrigen soll das ganze vorherige Gespräch sorge tragen, dass sie sich an die wichtigen Dinge erinnert. Sonst hätte es keinen Sinn. Die Droge bewirkt die Veränderung nicht. Die Veränderung erfolgt durch die Konditionierung, die nachher wieder greift. Die Guardians können dann nicht anders, als sich zu töten, oder zu helfen Groß-Terra zu stürzen. Diese Konditionierung ist ihre größte Stärke und gleichzeitig ihre größte Schwäche.

Ich stelle mir die Guardian nach deinen Beschreibungen viel unmenschlicher vor.

Nun ja, um dein SS-Beispiel zu verwenden: Selbst der härteste Lagerkommandant war ein liebevoller Familienvater. Krank, nicht? Der Ehrenkodex ist der wunde Punkt in dieser Geschichte. Den muss ich noch ausarbeiten. Wie die Samurai wird er auf keinen Fall. Die haben sich wegen jeden Sch... gegenseitig umgebracht. Und SS ist eindeutig zu unmenschlich. Das wird noch ein hartes Stück arbeit. Ich sehe, ich muss noch viel an diesem Universum arbeiten. :o
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#6 thomas t

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Geschrieben 06 Juli 2005 - 18:26

So, jetzt da endlich der ganze Prüfungsstress vorbei ist (zumindest bis mitte September) konnte ich auch die Geschichte umschreiben. Ich hoffe der Ehrenkodex, die Guardians und die Wirkungsweise der Droge sind gut gelungen und auch die andern Änderungen...Sollten noch irgendwelche Unklarheiten, Kritikpunkte oder ähnliches auftreten tut euch keinen Zwang an. Ich will es wissen!Viel Spass beim Lesen!Blutige TränenEine Gänsehautwelle jagte die nächste. Das Licht ging an und überschüttete sie mit gnadenloser Helligkeit. Sie war nackt, Arme und Fußgelenke mit groben Seilen an einen Holzstuhl gefesselt. Die Knie zusammengebunden. Auch unter ihrem Busen und um den Bauch drückte sie das Seil an die Lehne. Mit einer raschen Drehung des Handgelenkes überprüfte sie die Fesseln. Eine kundige Hand hatte sie so geschnürt, dass jeder Fluchtversuch schon im Keim erstickt wurde, ohne jedoch die Blutzufuhr zu behindern. Auch verstand es der Jemand vorzüglich die Bewegung ihres Oberkörpers einzuschränken und ihr dennoch genug Luft zum Atmen zu lassen. Einzig die Stellung ihrer Beine war schmerzhaft. Sie konnte fühlen wie sich der Krampf aufbaute. Doch der menschliche Körper war eine wundervolle Maschine. Selbst ohne die genetischen Veränderungen, die ohnehin verboten waren. Und sie hatte das Schmerzkontrolltraining exzellent abgeschlossen. Jetzt schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf die Worte ihrer Ausbilder.„Was kümmern mich deine Leiden?“, hatte er gefragt als sie damals, noch keine fünfzehn Jahre alt, in den Schmerzgeneratoren hing. „Schmerz, sogar Agonie sind nichts weiter als Daten die deinem Geist zugeführt werden. Nimm sie in dir auf, bade in ihnen. Wenn du dich dem Schmerz ergibst wirst du erkennen wie du ihn besiegen kannst.“Das tat sie nun. Einen endlosen Augenblick lang erfasste der Krampf ihren ganzen Körper. Paradoxer weise war sie plötzlich so klar im Kopf wie schon lange nicht mehr. Dann erkannte sie die Schnittstellen der malträtierten Nerven und schaltete diese ab - anders konnte sie es nicht ausdrücken. Als sie die Augen wieder öffnete fühlte sie in ihren Beinen nur noch ein taubes Kribbeln. Jetzt endlich konnte sie sich auf die Situation konzentrieren.Ein Verhör. Man hatte sie überfallen, betäubt, ausgezogen und in diese genau geplante Position gebracht. Sie sollte sich unwohl fühlen, verletzlich, klein aber auch respektiert, wie die Fesselung ihrer Knie bewies. Aber sie war eine Guardian. Sie war für Situationen wie diese trainiert worden. Wer auch immer fähig war diese Entführung durchzuziehen musste das ebenfalls wissen.Sie blickte hinaus in die Dunkelheit jenseits blendenden Kreises in dessen Zentrum sie saß. Irgendjemand war da draußen. Wahrscheinlich mehrere. Sie beobachteten sie und wussten das sie es wusste. Dieses Wissen sollte die Gefangene zusätzlich verunsichern. Aber sie ließ sich nicht auf das Spiel ein. Statt dessen fragte diese sich warum sie hier war. Es gab so viele Gründe das ihr keiner einfiel.„Sie fragen sich jetzt sicher warum Sie hier sind, Haydeé Tebelin“, hörte sie eine männliche Stimme in akzentfreien Janteranto, der groß-terranischen Verkehrssprache. „Und warum wir Ihren Namen kennen. Wir wissen eine ganze Menge über Sie. Sie wurden am 13. 5. 2237 in Haibar auf der Arabischen Halbinsel geboren. Ihre Eltern waren Mustafa und Laila Tebelin. Sie starben 2246 am Lotus-Syndrom, woraufhin sich die Guardians Ihrer annahmen. Wir bereiten uns immer gut vor. Soll ich fortfahren?“„Sie sind mir gegenüber im Vorteil“, entgegnete Haydeé. „Ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.“Sie hörte Schritte im Dunkeln. Drei, vier, fünf. Dann stand er im Licht.Er war hochgewachsen, von der schlanken, fast schon zierlichen Statur eines Leichtweltlers. Er trug einen blauschimmernden Anzug. Kurzgeschnittene schwarze Haare umrahmten ein bald schon asketisches Gesicht mit mandelförmigen Augen.„Du darfst mich Ahn nennen“, sagte er.„Neu China?“, tippte sie und versuchte dabei das Du zu überhören - die größte Beleidigung die ein Gemeiner wie Ahn einem Übermenschen gegenüber aussprechen konnte.Er nickte: „Du hast wohl eher einen Primitiven erwartet.“ Haydee reagierte nicht einmal mit einem Wimpernschlag auf dieses weitere Du. „Tatsächlich repräsentiere ich ein neu-chinesisches Konsortium. Wir und die Primitiven haben einen gemeinsamen Feind. Das macht uns zu Verbündeten.“„Egal welche Folter Sie versuchen, Sie können keine Informationen aus mir herausquetschen.“ „Wenn ich Informationen wollte währst du nicht da.“Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging mit langen, gemessenen Schritten um sie herum. Sie sah ihm nicht nach. Ahn trat hinter ihr und legte seine kalten Hände auf ihre nackten Schultern. Haydeé konnte ein leichtes Zusammenzucken nicht verhindern. Vielleicht, so hoffte sie, hatte er es nicht bemerkt. Ihr Peiniger beugte sich nach vorn, ganz nah an ihr linkes Ohr. „Wenn ich ehrlich sein soll ist es mir vollkommen egal ob du Lebend oder Tod hier herauskommst“, flüsterte Ahn. „Aber wenn es soweit ist werde nicht ich dich töten. Diesen Job erledigst du schon selbst.“Er richtete sich wieder auf und vollendete den Kreis. Er baute sich breitbeinig vor ihr auf, was so gar nicht zu seiner Statur passte, und verschränkte wieder die Arme hinter dem Rücken.„Wenn du mich darum bittest werde ich dir sogar das Messer geben“, fügte er in normaler Lautstärke hinzu.Haydeé antwortete indem sie den Kopf zur Seite drehte um ihn nicht sehen zu müssen. Dieses ewige Du ging ihr langsam aber sicher auf die Nerven.„Du hast recht. Die Zeit für das Messer ist noch nicht gekommen.“ Er ergriff ihr Kinn und drehte den Kopf so, dass sie ihn sehen musste. „Aber Groß-Terras Zeit ist gekommen. Wir sorgen für seinen Untergang. Und den der Übermenschen.“Sie spukte ihm ins Gesicht. Ahn trat einen Schritt zurück, holte ein Taschentuch heraus und wischte sich in aller Seelenruhe das Gesicht ab. „Mehr hast du nicht zu sagen?“„Wir sind die einzigen, die die Auslöschung der menschlichen Rasse verhindern können!“, fuhr Haydeé ihn an. „Und ihr wollt uns vernichten? Der Feind hat immerhin schon zwei Welten erobert und der Krieg dauert erst ein Jahr!“„Unwichtige Welten“, entgegnete Ahn. „Newton wurde erst vor vier Jahren kolonisiert. Sie hatten gerade einmal das Koloniale Zentrum fertig gestellt. Thetis ist zwar eine Kernwelt, aber außer fantastischer Strände und exotische Meeresfrüchte hat es nicht viel zu bieten. Und die orbitale Verteidigung dieser Welt war auch nie besonders stark.“ Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Interessant wird es erst wenn der Feind versucht so wichtige Welten wie Terra, Alpha, Neu China oder Lambda zu erobern.“ Das Lächeln verschwand. „Aber wer sagt dir überhaupt, dass der Feind wirklich existiert? Hast du je einen von ihnen gesehen? Bevor der Krieg begann kannten wir nur zwei intelligente Völker: uns und die Ox von Wolf. Und die leben noch in der Steinzeit.“ Er ging einige Schritte nach rechts und sah sie von der Seite her an. „Der Feind könnte genauso gut eine Erfindung von euch Übermenschen sein um uns zu kontrollieren“, fuhr er fort. „Oder es sind die Primitiven.“„Wenn ich schon sterben soll“, entgegnete Haydeé, „Kannst du mir auch gleich die Wahrheit sagen.“„Das kann ich nicht“, gestand Ahn kopfschüttelnd. „Dann ich kenne die Wahrheit selbst nicht. Ich bin genauso ein Befehlsempfänger wie du.“„Ich bin eine Guardian! Kein Befehlsempfänger!“„Ach ich vergaß, ihr Guardians seid ja etwas Besonderes. Ihr bekommt keine Befehle, ihr bekommt Handlungsvorschläge. Kannst du mir vielleicht sagen was euch so besonders macht?“Sie wusste, jedes Wort von ihr würde seine Selbstgefälligkeit nur weiter anstacheln. Darum schwieg sie.„Du willst nichts sagen?“, hakte er nach. „Nichts über das Schicksal, das dich ausgewählt hat? Nichts über die Ehre, die ihr Guardians so sehr pflegt? Nichts über all das Gute, das die Übermenschen uns Gemeinen angedeihen lassen und dessen Speerspitze ihr Guardians angeblich seid? Gar nichts von all dem was deine Kollegen an dieser Stelle sagten?“Seine Stimme triefte vor Verachtung und Spott. Sie unterdrückte mit aller Kraft den Impuls sich zu erklären. Als klar war das Haydeé nichts sagen würde ging Ahn drei Schritte rückwärts und verschwand in der Finsternis.Wie viele Guardians befanden sich vor ihr in dieser Situation? Haydeé wusste von niemandem. Und überhaupt, was war das für ein Verhör? Es hatte alles Richtig begonnen. Seine Bewegungen und die Körpersprache, sogar die Stimmlage schien peinlichst genau einstudiert zu sein. Wie nach dem Drehbuch eines Psycholinguisten. Er hatte ihr gedroht und sie verunsichert zu den Zeitpunkten an denen sie es erwartet hatte. Das Zuckerbrot würde garantiert bei der zweiten Sitzung folgen. Er machte sogar einen Fehler, genau wie das Drehbuch es verlangte, als er zugab etwas nicht zu wissen. Aber was sollte der Spott? Spöttelei brachte einen nur gegen den Verhörer auf. Er sorgte das man die Peitsche ertrug und das Zuckerbrot verweigerte. Schon aus purem Trotz. Was sollte das also? Warum ließ er sich so sehr gehen? Er hatte seine Sache so gut gemacht. Warum vermasselte er es jetzt?Ahn kam nach fünf Minuten zurück. Laut Drehbuch hätte es noch fünfundzwanzig Minuten länger bis zur zweiten Sitzung dauern sollen. Das verwirrte sie jetzt vollkommen.„Du glaubst dich noch immer in einem gewöhnlichen Verhör zu befinden“, begann Ahn und fuhr fort ohne auf ihre Antwort zu warten. „Ich habe dir bereits gesagt, es geht uns nicht um Informationen. Wir wissen bereits mehr als genug. Wir wollen eigentlich nur das du nachdenkst.“Haydeé legte ihre Stirn kraus. „Worüber?“, fragte sie im ehrlichen Interesse.„Über die Übermenschen. Das was sie getan haben und ob es wirklich so gut ist wie du glaubst. Entscheide dich ob du ihnen noch immer dienen willst.“„Die Antwort ist klar“, sagte Haydeé in dem Wissen ihr eigenes Todesurteil zu unterzeichnen. Dafür kannte sie jetzt endlich den Grund für dieses Gespräch. Ahn hatte die Wahrheit gesagt. Sie wollten keine Informationen. Sie wollten eine Überläuferin.„Vielleicht doch nicht“, entgegnete Ahn. Aus den Tiefen seines Anzuges zauberte er eine Spritze hervor. Er klopfte ein paar mal auf den Plastikzylinder und drückte die Luft raus. Dann jagte er den glasklaren Inhalt in Haydeés Halsschlagader.„Was ich dir soeben gegeben habe nennt sich Parturé. Es wird aus den ätherischen Ölen von sechs verschiedenen mahatmanischen Pflanzen destilliert. Aber frage mich bitte nicht wie diese heißen. Die Droge hilft dir dich zu erinnern. Außerdem unterdrückt sie die Filter, die durch Sozialisation und Konditionierung aufgebaut wurden. Daher wirst du alles so erkennen wie es wirklich ist, nicht wie es sein sollte. Ist dir heiß?“Heiß war gar kein Ausdruck. Haydeé glaubte zu spüren wie der Schweiß aus jeder einzelnen Pore getrieben wurde. Binnen weniger Augenblicke sah sie aus als hätte sie gerade die Dusche verlassen.„Ja, die Droge wirkt schon“, sagte Ahn. „Versuch dich nicht dagegen zu wehren. Es wird dir sowieso nicht gelingen. Nur ein kleiner Tipp wenn du überleben möchtest: egal was passiert, denke auf keinen Fall an Ehre.“Damit hatte er ihr Todesurteil mitunterzeichnet. Es war praktisch unmöglich nicht an etwas zu denken, an das man nicht denken sollte.Das erste Bild kam. Laila, Haydeés Mutter. Sie war jetzt nun schon so lange Tod, das Haydeé sich gerade noch an ihren Namen erinnern konnte. Manchmal träumte sie noch von ihr. Doch Laila war da immer nur ein Schatten unter vielen. Jetzt sah sie ihre Mutter wie zum ersten Mal. Eine Wolke aus dunklen Locken umrahmte ein rundliches Gesicht das von großen Augen und schmalen Brauen dominiert wurde. Ihre Mutter war eine schöne, wenn auch nicht schlanke Frau. Haydeé erinnerte sich gerne an den weichen Bauch, der sie immer tröstete. Laila hatte so ihre Prinzipien. So trug sie immer ihr Kopftuch, trotz des Religionsverbotes der Übermenschen. Sie starb am Lotos-Syndrom, wenige Tage nach dem zweiundzwanzigsten Jahrestag des Asteroideneinschlags in Australien und der Machtergreifung der Übermenschen. Und einen Tag vor Vater.Das Sterben dauerte zwei Monate. Auf einer rein intellektuellen Ebene wusste Haydeé was der Erreger des Lotos-Syndroms im menschlichen Körper anrichtete. Das er ihn langsam ausbluten ließ. Zum Glück war er nur schwer unter Menschen übertragbar. Das zwei Menschen am selben Ort zur selben Zeit erkrankten kam in einem von hundert Fällen vor. Das alles wusste sie. Aber es zu fühlen, ohne all ihre psychischen Schutzmechanismen war... es gab keine Worte dafür.Sie wand sich in ihren Fesseln. Sie wusste das es nur Halluzinationen waren, hervorgerufen durch die Droge. Man hatte ihr beigebracht sich dagegen zu wehren. Sie wusste das die Bilder nicht real waren. Aber sie fühlten sich so an. Haydeé bemerkte die Tränen gar nicht die sich mit dem Schweiß vermischten.Ahn stand neben Haydeé und beobachtete ihren Kampf gegen die Droge. Er hatte schon einige Guardians bearbeitet aber noch nie hatte sich jemand so gewehrt. Hoffentlich bekam sie keine seelischen Schäden von ihrer Gegenwehr. Vor den körperliche schützten sie ja die Fesseln. Eigentlich, so dachte Ahn, müsste er die Guardians hassen. Zumindest taten es genug aus dem Konsortium. Aber Ahn selbst hielt es eher mit den Primitiven von Thor die sogar ihre Todfeinde ehrten und respektierten. Soweit ging Ahn vielleicht nicht, doch zumindest respektierte er seine Feinde. Dadurch unterschätzte er sie nicht so leicht. Das taten die Thoraner auch nicht. Darum hatten sie diese Droge und dieses Programm in Auftrag gegeben.Auf Mahatma hatte man seit mehr als hundert Jahren Erfahrung im Umgang mit Drogen. Kunststück, hatten doch über die Hälfte der dortigen Pflanzen eine psychoaktive Wirkung auf die Menschen. Die Mahatmaner, wie die dortigen Kolonisten genannt wurden, wussten ganz genau welche Droge in welcher Dosierung welchen Effekt erzeugte. Sie hatten Parturé für dieses Programm entwickelt. Es war eine unglaublich starke Droge. Ahn wollte auf keinen Fall davon probieren, brachte sich doch die Hälfte der damit behandelten Guardians unmittelbar danach um. Aber diese Droge hatte auch einen Nachteil. Hatte man sie einmal überlebt war man auch resistent dagegen. Erinnerungen konnten nur einmal hochgeholt werden.Aus diesem Grund beobachtete Ahn sein Opfer ganz genau. Das Gespräch vor der Spritze war wichtig um ihr Unterbewusstsein vorzubereiten. Jetzt kam es auf den richtigen Zeitpunkt an, kurz bevor der Damm um die verdrängten Erinnerungen brach. Als er ihn gekommen sah beugte Ahn sich vor und flüsterte ein einzelnes Wort in ihr Ohr: „Ehre.“Sie war neun als die Guardians sie aufnahmen. Man sagte ihr, sie währe vom Schicksal auserwählt, so wie alle Guardians. Das und der harte Drill ließen sie ihren schmerzhaften Verlust vergessen. Schon bald verschwammen die Gesichter ihrer Eltern. Sie machten einem einzigen Gefühl, einem einzigen Wort platz. Ehre. Respekt war ein sehr wichtiger Teil davon. Selbst die Primitiven musste man respektieren, denn sie waren auch Menschen. Eines fernen Tages, wenn ihre geistige Entwicklung abgeschlossen war, würden sie zu Übermenschen werden. Genauso wie die Gemeinen. Aber bis dahin waren sie nur Menschen, schwach und mussten beschützt werden. Genauso wie die groß-terranische Gesellschaft.Jetzt, unter der Wirkung dieser Droge, fragte sie sich zum ersten Mal wer entschied wann die Gemeinen und Primitiven zu Übermenschen wurden.Der Damm bekam immer weitere Risse. Mehr und mehr verdrängte Erinnerungen überschwemmten ihren Geist.Eines ihrer ersten Kommandos war die Auslöschung eines Dorfes auf Corris. Die dortigen Menschen waren nicht böse. Ihr einziger Fehler war, das sie genetische Veränderungen aufwiesen die gegen das Reinheitsgebot verstießen. Und das war nicht einmal ihre Schuld. Sie hatten diese Veränderungen von ihren Eltern und deren Eltern geerbt. Oder die Sekte auf Terra. Haydeé hatte keine Ahnung welchen Gott sie anbeteten. Sie wusste nur, dass dieser Gott nicht Mensch hieß. Die gesamte Sekte ergab sich kampflos als Haydeé mit ihrer Truppe sie gefangen nehmen sollte. Nach einem kurzen Prozess wurden sie alle hingerichtet. Wie es das Gesetz vorsah.Wo war da die Ehre?, fragte sie sich. Der Respekt?Der Damm brach entgültig. Die Erinnerungen überschwemmten sie nun wie eine Flutwelle. Es war ihr unmöglich alles Wahrzunehmen, was ihren Geist überflutete. Alles was sie sah waren einige wenige Bilder - die Spitze des Eisberges.Ihr erstes Kind, das sie mit achtzehn bekam und abgetrieben werden musste weil die fötale Untersuchung zeigte das es behindert sein könnte.Die Menschen die sie exekutierte weil sie versuchten eine rudimentäre KI zu erschaffen um ihr Leben ein wenig zu erleichtern.Die Bevölkerung dreier Welten, Mahatma, Neu Zion und Thor, die versklavt wurden weil man davon überzeugt war, dass sie primitiver waren.Wo war die Ehre der Guardians, der Übermenschen?, frage sie sich noch einmal.Haydeé konnte nicht mehr anders. Auch wenn es gegen alles verstieß das sie jemals gelernt hatte musste sie Schreien. Sie schrie sich ihren Schmerz von der Seele. Es war der Schmerz eines ganzen Volkes.Sie wusste nicht wie lange es dauerte. Irgendwann kam sie wieder zu sich. Ihre Kehle schmerzte. Man hatte sie von ihren Fesseln befreit. Sie lag zitternd in eine Decke gehüllt am Boden. Jemand stützte sie von hinten und streichelte ihre Haare.„Was habe ich getan?“, flüsterte sie tonlos.„Du hast nur deine Befehle ausgeführt.“ Sie erkannte Ahns Stimme hinter ihr. „Du wurdest darauf konditioniert. Du dachtest, du würdest das Richtige tun. Es war nicht deine Schuld. Wir Menschen glauben gern auf der Seite des Guten zu stehen.“Haydeé drehte den Kopf um den Neu-Chinesen aus den Augenwinkeln sehen zu können. „Seid ihr die Guten?“„Die Primitiven behaupten es und es hilft wenn man daran glaubt“, meinte Ahn und schüttelte daraufhin den Kopf. „Aber ich persönlich glaube nicht das so etwas Einfaches wie Gut oder Böse überhaupt existiert.“Haydeé nickte während sie den Blick wieder dem Boden zuwandte. Mehr musste sie nicht hören um zu verstehen. „Was wollt ihr von mir?“„Groß-Terra reagiert auf die Bedrohung des Feindes“, begann Ahn. „Sie beginnen mit der Produktion eines neuen Jägers, den Ketzer. Vielleicht hast du schon davon gehört.“Haydeé nickte. Den Gerüchten nach verfügte der Ketzer über ein vollkommen neuartiges Cockpitdesign, das die Überlegenheit der feindlichen Jäger egalisierten sollte.„Sie suchen noch Piloten und wir möchten, dass du dich freiwillig meldest.“„Ich soll dort für euch schlafen“, sprach Haydeé sofort das Wesentliche an. „Und auf eure Befehle warten.“„Ja, aber wir können dir nichts befehlen. Wir bitten dich lediglich um deine Mithilfe.“Die Droge hatte längst aufgehört zu wirken, aber Haydeé wusste, sie hatte sich verändert. Nicht durch die Droge. Keine Substanz konnte die Konditionierung von Jahrzehnten aufheben. Sie war noch immer eine Guardian mit Leib und Seele und sie würde es bis an ihr Lebensende bleiben. Aber die Erinnerungen waren da und sie würden nie wieder vergehen. Genau das war das Problem. Jahrelang hatte sie geglaubt der Speerspitze des Guten anzugehören. Sie glaubte die Schwachen zu beschützen und hatte doch nur dazu beigetragen die Position der Mächtigen zu stärken, wie sie jetzt erkannte. Der Schutz der Schwachen hatte für sie immer den Vorrang vor dem Schutz der groß-terranischen Gesellschaft gehabt. Darum musste sie jetzt diese Gesellschaft bekämpfen die ihr die Eltern ersetzt hatte. Ahns Bitte war ihre beste Chance dafür. Doch wenn sie auf diese Bitte einging musste zumindest nach außen hin den Schein waren. Konnte sie das? Wie konnte sie so weitermachen als wäre nichts geschehen, nach all dem was sie jetzt erfahren hatte?„Du hast gesagt, du würdest mir das Messer reichen wenn ich dich darum bitte.“ Haydeé schloss die Augen und holte tief Luft. „Gib es mir.“Sie fühlte wie Ahn sich hinter ihr bewegte. Dann reichte er ihr wortlos das Messer mit dem Griff voran. Es war eine gerade, einschneidige Klinge, fast zwanzig Zentimeter lang. Sie war von einer Art wie sie an die nächste Generation weitergegeben wurde. Wahrscheinlich stammen Ahns Vorfahren aus Japan, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Seltsam an welche Nichtigkeiten man in den unmöglichsten Augenblicken denkt.Haydeé schloss die linke Hand um die Klinge und zog diese durch. Dann öffnete sie die Faust und beobachtete wie das Blut die Handfläche füllte. Es floss über den Rand, sammelte sich am Handrücken und tropfte von dort auf den Boden.„Ein Tropfen für jeden“, murmelte sie.
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#7 Sandnix

Sandnix

    Mikronaut

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Geschrieben 10 Juli 2005 - 15:50

Hi Thomas!Besser! Wirklich besser! Ich habe nicht jeden Punkt mit der Ursrpungsversion verglichen, aber die Ausführungen erklären alles viel genauer und schlüssiger als ich es in Erinnerung habe. Den Punkt, den ich damals ansprach, die schnelle Umkehr von Haydee, hast du gut erklärt. Nicht ihre Konditionierung wurde aufgehoben, sondern lediglich ein kleiner Schalter bei der Interpretation ihrer Ideale. Ahn hat praktisch ihre Konditionierung gegen sie selbst eingesetzt. Dennoch bin ich der Ansicht, dass es NOCH deutlicher und NOCH ausführlicher gestaltet werden könnte. Nur unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass es ja immerhin der absolute Wendepunkt in der "Serie" von Haydee ist und ihrem Werdegang. Zudem bin ich nicht sicher ob jeder Leser da dahintersteigt. Daher schrieb ich auch "besser" und nicht perfekt. Sorry, aber Ehrlichkeit hilft dir sicher mehr als Heuchelei. Und auch ich kann mich Irren, bedenke das :lookaround: Auch bin ich immer noch der Ansicht, dass es zu schnell geht. Es sollte mehr Zeit vergehen, vor dem Drogeneinsatz und danach um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen. Außerdem fehlt mir für das "Standardverhör" irgendwie der böse Bulle. Ahn scheint ja der Gute zu sein :confused: Aber wie schon eingangs erwähnt, auf jeden Fall viel besser!!! Noch ein Typ: Poste deine Geschichte nicht nur hier, sondern auch im Bereich Science-Fiction auf www.kurzgeschichten.de (hoffe es nimmt mir niemand übel das ich hier Werbung mache *g* und wie gesagt, ich sagte "auch"). Dort kommt schneller und mehr Kritik als hier, vor allem auch zu Form und Grammatikfehlern, die ich hier einfach mal ausgelassen habe. Und wenn du Zeit hast, lies doch mal meine KG "Der Flüchtling" ;)

#8 thomas t

thomas t

    Yoginaut

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Geschrieben 10 Juli 2005 - 16:20

Danke! Es gefällt mir immer wenn ich den "Wow-Effekt" erreiche. ;)

Ehrlichkeit hilft dir sicher mehr als Heuchelei.

Auf jeden Fall

Dennoch bin ich der Ansicht, dass es NOCH deutlicher und NOCH ausführlicher gestaltet werden könnte.

Ich habe ehrlich gesagt keinen Plan wie ich das machen soll. :confused:

sollte mehr Zeit vergehen, vor dem Drogeneinsatz und danach um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen.

Prinzipiell gehe ich davon aus, dass Ahn nur ein kleines Zeitfenster für diese Aktion hat. Maximal ein zwei Tage oder so. Vielleicht sollte ich das noch in seinem Absatz erwähnen.

Außerdem fehlt mir für das "Standardverhör" irgendwie der böse Bulle.

Es ist ja auch kein Standartverhör. Aber du hast recht. Haydeé sollte sich über das fehlen des anderen Bullens wundern. Danke für die Anregungen! :confused:
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#9 rockmysoul67

rockmysoul67

    Temponaut

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Geschrieben 16 Juli 2005 - 10:06

Sehr gelungen! Es ist jetzt eine reife Kurzgeschichte entstanden, integrierend in der Handlung ùnd fliessend zu lesen. Ich würde sie auch interessant finden, wenn ich sie als gedruckte Publikation gelesen hätte. (Nach einem gründigen Rechtschreibungs-Check!)

Der Einstieg ist sehr direkt (war schon bei der ersten Version so), die Drogenverabreichung und -Wirkung sind realistisch geworden, das Ende ist mit dem japanischen Messer abgerundet. Besonders gefallen mir die Übergänge von Szene zu Szene, was du wirklich gut kannst.

Was jetzt folgt, sind so meine Ideen, wie Kleinigkeiten noch stärker und besser werden könnten (ich glaube daran, dass jeder Text noch verbessert werden kann). Es sind Ansätze, Vorschläge meinerseits.



* Absätze setzen, immer dann, wenn der Drogeneffekt einsetzt. Das unterteilt den Text schon visuell besser und erleichtert den Lesefluss.


* "Sie war nackt ..." im dritten Satz. Warum nicht gleich "Haydeé Tebelin"? Das Aufschieben eines Namens (schon gar nicht bei der Hauptperson) macht selten einen Sinn. Misslungener Versuch, die Spannung zu heben.


*

konzentrierte sich auf die Worte ihrer Ausbilder.
„Was kümmern mich deine Leiden?“, hatte er gefragt

Wechsel von Mehrzahl zu Einzahl bei den Personen. Kann ein "Häh?"-Effekt beim Leser hervorrufen, weil "er" bei Unaufmerksamkeit als Ahn verwechselt werden kann. Einfach "ihres Ausbilders" wäre schon besser.


* Ich persönlich finde dieses "Beleidigen wegen Duzens" nicht sehr überzeugend. Es einfach zu streichen, würde die Geschichte stärker machen. Noch besser wäre etwas, dass wirklich beleidigend ist (und der Leser auch als beleidigend verstehen würde). Anspucken zum Beispiel. Zu menschlich, zu zwanzigstes Jahrhundert? Wie wäre es mit einer neuen kulturellen Geste, wie Aufblähen der Wangen.
Übrigens siezt Ahn sie zuerst wohl, was wenig Sinn macht.


*

Und warum wir Ihren Namen kennen. Wir wissen eine ganze Menge über Sie. Sie wurden am 13. 5. 2237 in Haibar auf der Arabischen Halbinsel geboren. Ihre Eltern waren Mustafa und Laila Tebelin. Sie starben 2246 am Lotus-Syndrom, woraufhin sich die Guardians Ihrer annahmen. Wir bereiten uns immer gut vor.

Er ist gut vorbereitet? Er weiss eine ganze Menge? Nein.
Normale Daten wie Alter, Name, Adresse sind wohl auch in der Zukunft kaum ein Geheimnis. Herauszufinden, wer die Eltern waren und wann ein Job angenommen wurde, ist auch sehr einfach herauszufinden.
Diese Szene ist nicht sehr realistisch für einen professionellen Entführer. Tu sie mit ein paar Infos verstärken, die Haydeés Vergangenheit schon dann beleuchten.


*

„Die Antwort ist klar“, sagte Haydeé in dem Wissen ihr eigenes Todesurteil zu unterzeichnen.

Dieser Satz ist okay. Haydée will ihren Chefs treu bleiben und sie nimmt an, dass sie dafür sterben wird.

Damit hatte er ihr Todesurteil mitunterzeichnet

Dieser Satz dagegen ist unsinnig. Klar (von Haydeés Sicht aus) wird Ahn sie eh töten, weil die Folterung bei ihr unwirksam sein wird. Es gibt eben keinen echten Ausweg, daher steht eine 'Mitunterschreibung' hier falsch. Schreibe den nächsten Satz ( Rosarotenelefanteneffekt :rolleyes: ) als Hauptgedanke und alles ist schön.


* Ich finde, die Szene, wo Ahn über den Drogen nachdenkt kürzungsreif. Ist doch egal, wie was wer wann diese Droge herkommt. Ist ja auch klar, dass Ahn sie nicht versuchen wird. Schwächste Szene der Kurzgeschichte: Nochmals überarbeiten, stilistisch angleichen am Rest der Story.


*

Eines fernen Tages, wenn ihre geistige Entwicklung abgeschlossen war, würden sie zu Übermenschen werden. Genauso wie die Gemeinen. Aber bis dahin waren sie nur Menschen, schwach und mussten beschützt werden. Genauso wie die groß-terranische Gesellschaft.
Jetzt, unter der Wirkung dieser Droge, fragte sie sich zum ersten Mal wer entschied wann die Gemeinen und Primitiven zu Übermenschen wurden.

Häh? Ist das richtig so? Scheint mir eine recht faire Gesellschaft zu sein, wenn jeder und jedermann befördert werden kann. (Das nicht klar ist, weshalb ausgerechnet gewisse Personen diese Ehre erhalten, kann man sich auch in unserer modernen Firmengesellschaft fragen.) Scheint mir recht unfair gegenüber den Guardians. Sie müssen durch soviel gehen, um dann zu erhalten, was eh jeder Dummi zufällig erhalten kann.
Ich weiss, du hast versucht die gesellschaftliche Einteilung übersichtlicher darzustellen. Aber logisch ist es noch immer nicht. Muss wirklich in dieser Geschichte die Gesellschaft in Detail erklärt werden? Kannst du diese komplizierte Klassengesellschaft nicht aufsparen für eine andere Geschichte in deinem Universum anhand eines Ereignisses?


So, das war's. Kannst damit machen, was du willst. Die Geschichte ist an sich 'rund'; sie funktioniert auch gut ohne meine Detailvorschläge.



Poste deine Geschichte nicht nur hier, sondern auch im Bereich Science-Fiction auf www.kurzgeschichten.de ... Dort kommt schneller und mehr Kritik als hier, vor allem auch zu Form und Grammatikfehlern, die ich hier einfach mal ausgelassen habe.

Stimmt, wenn man alle Schreib-Foren besucht, kommt man natürlich voran. Dies ist besonders empfehlenswert, wenn man Übungstexte eingibt, die nicht zur Publikation bestimmt sind. Wenn man nur in einem Forum postet, kriegt man nur von einem Teil der interessierten Leute Feedback. (Ich beispielsweise bin selten in den anderen Foren.)
Der Vorteil von "Autorenwerkstatt/Textvorstellungen" auf dem SF-Netzwerk-Forum ist, dass hier über Science Fiction geredet wird. Hier kann man direkte Fragen über SF stellen, wie "was haltet ihr von meinem Sprung-Andrive" oder "wie überzeugend findet ihr SF-Fans meine Textvorstellung; ich habe versucht wie Bradbury zu schreiben".

#10 thomas t

thomas t

    Yoginaut

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Geschrieben 10 August 2005 - 11:16

Ich persönlich finde dieses "Beleidigen wegen Duzens" nicht sehr überzeugend.

Die Guardians stehen über den Menschen (sind ja auch Übermenschen). Einen König oder Kaiser spricht man ja auch ich mit "Du" an, oder?

Er ist gut vorbereitet? Er weiss eine ganze Menge? Nein. Normale Daten wie Alter, Name, Adresse sind wohl auch in der Zukunft kaum ein Geheimnis. Herauszufinden, wer die Eltern waren und wann ein Job angenommen wurde, ist auch sehr einfach herauszufinden.

Im Prinzip hast du Recht. Nur, um auf die erste Geschichte zu verweisen, kennen die Gemeinen die Namen der Übermenschen nicht. Ich dachte das Impliziert auch die Persönlichen Daten. Sorry, da hab ich wohl zu viel vorausgesetzt.

QUOTE  Damit hatte er ihr Todesurteil mitunterzeichnet Dieser Satz dagegen ist unsinnig. Klar (von Haydeés Sicht aus) wird Ahn sie eh töten, weil die Folterung bei ihr unwirksam sein wird. Es gibt eben keinen echten Ausweg, daher steht eine 'Mitunterschreibung' hier falsch. Schreibe den nächsten Satz ( Rosarotenelefanteneffekt  ) als Hauptgedanke und alles ist schön. * Ich finde, die Szene, wo Ahn über den Drogen nachdenkt kürzungsreif. Ist doch egal, wie was wer wann diese Droge herkommt. Ist ja auch klar, dass Ahn sie nicht versuchen wird. Schwächste Szene der Kurzgeschichte: Nochmals überarbeiten, stilistisch angleichen am Rest der Story.

Stimmt. Zurück ans Zeichenbrett.

QUOTE  Eines fernen Tages, wenn ihre geistige Entwicklung abgeschlossen war, würden sie zu Übermenschen werden. Genauso wie die Gemeinen. Aber bis dahin waren sie nur Menschen, schwach und mussten beschützt werden. Genauso wie die groß-terranische Gesellschaft. Jetzt, unter der Wirkung dieser Droge, fragte sie sich zum ersten Mal wer entschied wann die Gemeinen und Primitiven zu Übermenschen wurden. Häh? Ist das richtig so? Scheint mir eine recht faire Gesellschaft zu sein, wenn jeder und jedermann befördert werden kann.

Damit bist du in die selbe Falle gestolpert wie die Gemeinen. Die Guardians müssen zwar viel erleiden, aber sie führen auch ein priviliegierteres Leben. Und die Gemeinen sehen natürlich nur die Privilegien. Wie glaubst du hält man solche Menschenmassen bei Stange? Man gibt ihnen Hoffnung. :P
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#11 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 26 November 2005 - 17:46

Hallo Thomas,ich sehe BLUTIGE TRÄNEN wie DAS ERLEUCHTUNGSFEST als Teil eines größeren Ganzen. Vom Stil her ist die Geschichte OK, nur habe ich zwei grundsätzliche Einwände:1. Der schnelle Wandel von der Guardian zur heimichen Renegatin. Anders passt er zwar nicht in eine Kurzgeschichte, aber meines Erachtens wechseln sich politische Überzeugungen nur selten von jetzt auf gleich. Das sind Prozesse, die über Jahre gehgen und der Protagonistin würden die Zweifel schon im Lauf ihrer diversen Einsetzen kommen.2. Das Motiv "Frau und Mitgleid einer Elitetruppe wird zur Renegatin" kenne ich schon von Investigator Topas aus dem Roman NEBELWELT von Simon R. Green. Dass es schon jemand anderes verwendet hat, spricht nicht dagegen, es wieder aufzugreifen. Nur müsste dann dazu eine zündende Idee kommen, etwas, was die darum gestrickte Welt unverwechselbar und einmalig mcht. Bei Green war das die trashige Atmosphäre, verbunden mit zum Teil erstaunlichem psychologischem Tiefgang. Bei Groß-Terra fiele mir da die Kastengesellschaft ein. Die Übermenschen sind als Tyrannen eh zu weich gezeichnet und brauchen noch mehr "Biss". Vielleicht ein paar wirklich krasse Szenen, wo sie mit Massakern oder - fast noch besser - mit subtilem Psychoterror den Herrenmenschen geben?Oder du findest etwas ganz anderes, was dein Groß-Terra von den anderen Terras abhebt.


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