Iain Banks - Einsatz der Waffen
#31
Geschrieben 01 Juli 2005 - 13:28
Ich bin jetzt durch und muss dem Buch abschließend 10 von 10 Punkten attestieren. Dadurch wird die Messlatte deutlich gehoben, und DAS SPIEL AZAD fällt nachträglich von 9 auf nur noch 8 von 10 Punkten zurück.
In EINSATZ DER WAFFEN spielt Banks seine literarische Karte voll aus. Er ist einfach ein raffinierter Schreiber und überragt in dieser Hinsicht so manchen seiner britischen Kollegen. (Nachträglich wird übrigens klar, wo sich Stross für einige Motive/Szenen aus SINGULARITÄT inspirieren ließ.) Ich wage mal die Prognose, dass man Banks' SF bedenkenlos einem aufgeschlossen Genreverächter servieren kann, der gute Handwerksarbeit schätzt und honoriert.
Das Konzept mit zwei chronologisch gegenläufigen Handlungssträngen geht voll auf und maximiert die finale Pointe, die Banks für den Leser bereithält.
Gerade dieser Roman vermittelt aus der Perspektive Außenstehender einen recht guten Eindruck über das Leben der Kulturangehörigen und ihr Verhältnis zu komplexen Maschinen. Dieser Thematik entspringt auch die Motivation der Kultur eine der Parteien in einer kriegerischen Auseinandersetzung zu unterstützen. Überhaupt ist (nicht nur weil der Name des Romans es vermuten lässt) diesmal der Krieg das zentrale Thema.
Und anhand der handlungstragenden Figur (Cheradenine Zalkalwe, der "Söldner") und ihrer Reise durch Zeit und Raum, von einem Kriegsschauplatz zum Nächsten, wird die Beliebigkeit der kriegerischen Auseinandersetzungen deutlich. Die Kleinmütigkeit und Sinnlosigkeit des Krieges ist eigentlich die zentrale Aussage dieses phantastischen Buches.
Grüße
Holger
PS Ein kleiner Tipp für alle, die den Roman noch lesen: Auch wenn es schwer fällt, seid auf keinen Fall so schlau wie ich und lest zuerst den "Vorwärtsstrang", separat vor dem "Rückwärtsstrang! Gerade am Schluß des Romans muß man sich an Banks Reihenfolge halten. Ich hab mich da selbst ein bisserl um den Spaß betrogen.
(Georg Christoph Lichtenberg)
#32
Geschrieben 01 Juli 2005 - 14:10
Aber wieso denn. Du scheinst der einzige zu sein, dem mit dem Buch zufrieden war und offensichtlich nur, weil Du das Sakrileg begangen hat und die beiden Erzählstränge einzeln gelesen hast. Vielleicht hätten wir alle es so machen sollen.PS Ein kleiner Tipp für alle, die den Roman noch lesen: Auch wenn es schwer fällt, seid auf keinen Fall so schlau wie ich und lest zuerst den "Vorwärtsstrang", separat vor dem "Rückwärtsstrang! Gerade am Schluß des Romans muß man sich an Banks Reihenfolge halten. Ich hab mich da selbst ein bisserl um den Spaß betrogen.
#33
Geschrieben 01 Juli 2005 - 14:50
(Georg Christoph Lichtenberg)
#34
Geschrieben 02 Juli 2005 - 16:58
#35
Geschrieben 02 Juli 2005 - 17:51
(Georg Christoph Lichtenberg)
#36
Geschrieben 02 Juli 2005 - 22:26
#37
Geschrieben 03 Juli 2005 - 08:36
#38
Geschrieben 03 Juli 2005 - 10:08
Los gehts!Ab hier wird hemmungslos GESPOILERT:
Für alle die noch lesen oder dies vorhaben: Absolute Spoilergefahr! Die Textfarbe ist bewußt in hellem grau gehalten. Wer lesen mag, fährt mit dem Cursor bei gedrückter linker Maustaste über den Text!
Wenn Du magst, können wir da ein bisschen knobeln. Denn Banks hält sich betreffend dieser Fragen bewußt bedeckt!Dafür stellt sich nun wieder die Frage warum Et. denn dann die ganze Zeit diesen Staberinde- und Stuhlkomplex hatte. Hatte er sich selbst eingeredet Zakalwe zu sein?
War er schizophren? Und kann er wirklich so besessen von Livueta gewesen sein? Immerhin hat er ihre Geschwister auf dem Gewissen, da kann er doch nicht wirklich erwarten, dass sie ihn irgendwie sehen will.
Ich habe es so verstanden, dass sich mit Ausbruch des Krieges, Elethiomel und Zakalwe (und seine Schwestern) unterschiedlichen Lagern anschlossen. Elethiomel nahm Darckense (seine alte Jugendliebe?) als Geisel mit auf die Staberinde und muß während der Kriegshandlungen völlig ausgetickt sein. Er bringt sie um und zimmert aus ihren Gebeinen einen kleinen Stuhl, den er Zakalwe und Livueta zukommen lässt. Zakalwe zerbricht daran und nimmt sich das Leben.
Nach Beendigung des Krieges verlässt Elethiomel den Planeten und wird zu einem Söldner, der schließlich von Sma für die Kultur rekrutiert wird. Zu diesem Zeitpunkt hat Elethiomel, der unter falschem Namen reiste den Namen und offensichtlich auch mental die Identität seines Halbbruders angenommen. Durch seine Tätigkeit kommt es immer wieder zu temporären (und mittelfristig anhaltenden) Amnesien, die ihn ganz in die Rolle des Zakalwe schlüpfen lassen und das Trauma um seine Vergangenheit verliert an Kontur. Zurück bleibt eine Aversion gegen Stühle und verfälschte Erinnerungen an die Kindheit und Jugend.
Da ist eine wichtige Schlüsselszene: S. 684 [DAS KULTUR SPIEL], "Es war zehn Jahre später, dass Cheradenine - von der Militärakademie zurückgekehrt, auf der Suche nach Darckense [...] über den weichen Teppich aus Blättern schritt, zur Tür des kleinen Sommerhauses."
Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei dieser Person auf der Suche nach Darckense nicht um Zakalwe handelte, sondern um Elethiomel. Im Sommerhaus trifft er auf Zakalwe, der mit Darkense (Elethiomels Jugendliebe) auf "dem kleinen Stuhl, den Livueta vor langer Zeit in ihren Schreinerstunden angefertigt hatte" Unzucht treibt. Und genau das ist der Sündenfall, der die Weichen für die Zukunft stellt. Die Trennung von Elethiomel und Zakalwe+Schwestern in zwei Lager.
Später gibt es noch eine Szene, in der namentlich Zakalwe das Sommerhaus mit einem Panzergeschoss platt macht. Auch hier handelt es sich mE um Elethiomel, der die furchtbare Erinnerungen tilgen will, was allerdings nicht gelingt.
Elethiomels Söldnerleben zielt in gewisser Weise immer wieder darauf ab, den Tod zu finden und sich von der Vergangenheit zu befreien. Zuletzt ist er die Flucht leid und erduldet den Kugelhagel, erzwingt eine (weitere) Begegnung mit Livueta.
Warum? Knack und Angelpunkt ist für mich der Sündenfall im Sommerhaus. Wenn ich im Recht bin, und tatsächlich die Geschwisterliebe zwischen Zakalwe und Darckense auf dem kleinen Stuhl der Auslöser für alles war, dann ersucht Elethiomel um Vergebung. Er möchte, sich seiner Verantwortung um Darckenses grausamen Tod bewußt, Buße tun. Livueta weiß nichts von Zakalwes Liebe zu seiner Schwester. Diese Liebe war es auch die nach Elethiomels Rachemord an Darckense Zakalwe bewog sich das Leben zu nehmen - er war sich nämlich sehr wohl bewußt, dass Elethiomels Eifersucht und alles was folgte ein (zugegeben außer Kontrolle geratenes) Resultat seines, Zakalwes, verantwortungslosen Verhaltens war.
Puh, ich hoffe mal, ich liege mit meiner Interpretation nicht meilenweit daneben, aber nach tagelanger Grübelei ist das mein Fazit der Ereignisse.
Dummerweise finde ich die Stelle mit dem Splitter über dem Herzen nicht mehr und kann sie nicht so recht in meine Vermutung einbeziehen. Vielleicht kannst Du mir weiterhelfen?
Grüße
Holger
(Georg Christoph Lichtenberg)
#39
Geschrieben 03 Juli 2005 - 10:50
Zum anderen bedauert er es, dass er nach seiner Köpfung einen neuen Körper hat und damit auch diese Narbe verloren hat. Und dann ist da eben das Kapitel im Sommerhaus bei dem sie mit dem gestohlenen Gewehr das Haus warnen, Darckense aber getroffen und ihr Becken zerschmettert wird.
Aber meinst du wirklich, dass die Persönlichkeitsvertauschung so weit gehen sollte, dass Ethiomel sich in der Vergangenheit für Zakalwe hält und Zakalwe für sich selbst?
Man mag sich ja selbst für jemanden anderen halten, aber andere für sich selbst?
Davon hab ich noch nie gehört.
Bearbeitet von Darnok, 03 Juli 2005 - 10:51.
#40
Geschrieben 03 Juli 2005 - 11:04
Man mag sich ja selbst für jemanden anderen halten, aber andere für sich selbst?
Davon hab ich noch nie gehört.
Du meinst jetzt die Szene im Sommerhaus? Elethiomel kehrt nach Hause zurück und trifft auf Zakalwe und Darckense. In seiner Erinnerung sind die beiden vertauscht, er ist Zakalwe der Heimkehrer und trifft auf Elethiomel und Darckense.
Ich denke schon, dass das Gehirn bei akuter Schitzophrenie in der Lage ist, Erninnerungen zu verfälschen. Die Erfahrung durch den Garten zu laufen, die Tür zu öffnen und etwas zu sehen macht der Körper unabhängig von dem Bewußtsein wer man ist (Elethiomel oder Zakalwe). Wen man allerdings gesehen hat, und wer man zu diesem Zeitpunkt war, kann man nachträglich (z.B. nach krankheitsbedingt nach einem schweren Trauma) bestimmt anders in Erinnerung haben.
Könnte ja auch sein, dass dieser Rollentausch auf bewußter Suggestion beruht, einfach um mit dieser schweren Situation fertig zu werden.
Grüße
Holger
(Georg Christoph Lichtenberg)
#41
Geschrieben 03 Juli 2005 - 13:27
#42
Geschrieben 04 Juli 2005 - 18:34
Weshalb der Böse? Zakalwe (aka Elethiomel) betreibt doch Unzucht.Aber warum sollte er sich denn suggerieren in dieser Situation der Böse gewesen zu sein?
Weil er aus dem ewigen Konkurrenzkampf zwischen den beiden als Sieger hervorgegangen ist, vielleicht.Warum lacht Elethi./Zakalwe nachdem sie erwischt wurden?
Aber Du hast schon recht, man kann es drehen und wenden, wie man will. Eins dürfte klar sein, um wirklich ein Verständnis für das Buch zu entwickeln gehört es mindestens ein weiteres Mal gelesen, vielleicht diesmal Strang und Gegenstrang separiert.
Viele Grüße
Holger
(Georg Christoph Lichtenberg)
#43
Geschrieben 04 Juli 2005 - 19:20
#44
Geschrieben 21 Juli 2005 - 10:39
#45
Geschrieben 21 Juli 2005 - 15:46
#46
Geschrieben 04 November 2015 - 22:16
Ich komme hier zwar um Jahre zu spät, aber das macht mir nix, denn ich darf ja keinen neuen Thread eröffnen
Zu allererst: Der Roman ist grandios. Wie sich die gegengerichteten Zeitstränge ergänzen, um die Rätselei erst immer verworrener zu gestalten, und sich erst ganz am Ende pointieren - faszinierend.
Die Pointe kommt mit Krabumm und erhellt einige wichtige Schlüsselszenen, die sonst in der komplexen Bildersprache untergegangen wären. Die wichtigste nennt Holger richtig mit dem Sommerhaus, auch wenn ich seiner Deutung um die Schizophrenie nicht folge: Das sollte eigentlich Zakalwe sein, der hier nach Hause kommt und Elethiomel findet. Später attestiert er nämlich seinem Pflegebruder die Brutalität und andere Eigenschaften, die es ihm ermöglichen, alles und jeden als Waffe einzusetzen - woraus sich der Romantitel ableitet - Eigenschaften, die ihm, Zakalwe selbst, abgehen, was schließlich zu seinem Suizid führt.
Der letzte Satz in diesem suizidalen Kapitel: "... während die Chirurgen um sein Leben kämpften. Es war eine gute Schlacht, und sie hätten fast gesiegt." offenbart Zakalwes Tod schon zu einem Zeitpunkt drei Kapitel vor der Pointe, was mir allerdings verborgen blieb. Hier hat Banks mich voll erwischt. Toll!
Dann die Szene an Bord seines Fluchtraumschiffs, mit dem er seinen Heimatplaneten verlässt und beginnt, sich Identitäten aus seiner zerstörten Vergangenheit zu bauen: Hier benennt er sich nach seinen Schwestern; am wichtigsten ist allerdings seine Überlegung im Anschluss an sein Erwecken, wo er feststellt, dass seine Erinnerungen, die er durch den Kälteschlaf zu vergessen suchte und die seine Fehler kategorisieren, nun in der Schublade "richtig" landen - bedeutet das auch im Umkehrschluss, seine bis hierher angenommene Einstellung zum Leben und Krieg und allem, die zur diametralen Trennung der Freunde (und schlimmerem) führte, müsse er nunmehr in die Schublade "falsch" einordnen? Ich jedenfalls deute diesen Aspekt als Schlüssel für seine selbstgeißelnde Reue.
Seine Versuche, seiner Pflegeschwester Verzeihung abzuringen, versteh ich allerdings nicht abschließend, da er diese Bestialität, die ihn zum Stuhlmacher machte, niemals aufheben kann.
Und zuletzt eine offene Frage: Skaffen-Amtiskaw gelingt offenbar seine Rettung, sonst hätte er nicht im Pro- und Epilog erneut dienen können. Oder täusche ich mich und das spielt zeitlich irgendwann anders? Jedenfalls scheint er insgesamt doch aus dem Dienst verschwunden zu sein, denn die gleichfalls von den Erkenntnissen psychisch angeknackste Diziet Sma rekrutiert ja unter den letzten Opfern der Kultur-Politik einen neuen "Mann fürs Grobe" ...
Trotz dieser für mich nicht ganz geklärten Endsituation ein Roman. Krass.
witzbold
- • (Buch) gerade am lesen:Banks - Wasserstoffsonate
#47
Geschrieben 05 November 2015 - 21:07
Keine Frage, Du hast einen der besten Culture Romane gelesen. Zu Zakalwe (Anklicken gut überlegen, bitte ):
Übrigens: Wenn Du möchtest, kannst Du selbstverständlich jederzeit einen Thread eröffnen. Aber Dein Beitrag passt prima hier hinein.
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#48
Geschrieben 05 November 2015 - 21:36
witzbold
- • (Buch) gerade am lesen:Banks - Wasserstoffsonate
#49
Geschrieben 05 November 2015 - 23:58
Ich hoffe, ich habe dich richtig verstanden und Du meinst Zakalwes Schicksal.
Der letzte Satz in
Die Handlung dieses Romans ist deutlich später angesetzt (Im Vergleich zu Use of Weapons). Die Tabelle hier ist meiner Meinung nach gut recherchiert und stimmig (die Spalte mit "Date in which set").
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#50
Geschrieben 06 November 2015 - 16:55
witzbold
- • (Buch) gerade am lesen:Banks - Wasserstoffsonate
#51
Geschrieben 06 November 2015 - 22:53
Da muss ich im Seelenkrieg doch nochmal nachlesen! Den fand ich auch sehr gut, hatte aber noch keinen bezug zu Zakalwe. Gibts von derlei Bezügen noch mehr?
Mit Zakalwe? Ich glaube nicht. Aber vielleicht fällt mir noch was dazu ein ...
LG
Jakob
Austriae Est Imperare Orbi Universo
#52
Geschrieben 16 November 2015 - 17:52
Da muss ich im Seelenkrieg doch nochmal nachlesen! Den fand ich auch sehr gut, hatte aber noch keinen bezug zu Zakalwe. Gibts von derlei Bezügen noch mehr?
Beim reinen Lesen habe ich ihn auch nicht erkannt, aber nach dem ich irgendwo gelesen hatte, dass er darin vorkommt, war es mir klar wer es ist. Der Bezug zu ihm ist nicht offensichtlich.
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