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Robert L. Foward
Das Drachenei
Bastei-Lübbe
In der SF-Netzwerk Buchdatenbank.
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Robert L. Foward, seines Zeichens Gravitationsanstronom, debütierte 1980 mit dem Roman "Das Drachenei" als Science Fiction Autor und gab der harten, wissenschaftlichen SF-Literatur damit entscheidend neue Impulse. Seine Idee: Auf einem ziellos durch den Raum wandernden Neutronenstern entwickelt sich Leben, das sich zu einer intelligenten Spezies und schließlich zu einer hochentwickelten Zivilisation aufschwingt.
Ein Neutronenstern ist ein Stern von 1,4- bis 3-facher Masse der irdischen Sonne, der kollabiert. Nach dem Verbrauch sämtlichen Wasserstoffs, der zu Heliumkernen fusioniert wird, reichert sich im Kern der Sonne neben weiteren schweren Elementen Eisen an, und sämtliche Fusionsprozesse kommen zum Erliegen. Der Strahlungsdruck nimmt ab und kann der Gravitation nicht mehr entgegenwirken. Die Elektronen werden in die Atomkerne gepresst und verbinden sich mit Protonen zu Neutronen. Gravitationsenergie wird durch die Emission von Neutrinos frei, Neutronenschauer schließlich heizen die umgebenden Schichten so stark auf, dass diese explosionsartig fortgeschleudert werden. Nach der Supernova bleibt der Neutronenstern als eine vergleichsweise winzige Kugel überdichter Neutronen von etwa zwanzig Kilometern Durchmesser zurück. Vor dem Hintergrund dieser skurillen physikalischen Parameter konzipiert Foward Leben, das auf starken nuklearen Wechselwirkungen anstelle der uns vertrauten schwachen elektronischen molekularen Kräften basiert.
Das Verhältnis der relativen Zeit auf der Oberfläche des Neutonensterns zu der unsrigen beträgt etwa 0,43 Millionen zu eins, und so schreitet die Evolution mit rasanter Geschwindigkeit voran, während der verwaiste Stern unser Sonnensystem passiert. Es entstehen primitive Lebensformen, gefolgt von Pflanzen und Tieren, darunter die amöboiden Cheela, die schließlich Intelligenz entwickeln.
Auf der Erde fangen Astronomen die Radiowellen des pulsierenden Neutronensterns auf, den sie an der Peripherie des Sternbildes Drachen lokalisieren können (daher die Bezeichnung "Drachenei"). Eine Expedition wird entsandt. Während die Forscher den Neutronenstern aus sicherer Entfernung vermessen, entwickelt sich die archaische Gesellschaft der Cheela zu einer technisch fortgeschrittenen Zivilisation.
Die Faszination des Romans gründet zweifellos in der Unglaublichkeit des Geschilderten: Foward erdenkt das vermeintlich Undenkbare und erzählt das vermeintlich Unerzählbare. Alleine die Prämisse, dass ein Neutronenstern Leben hervorbringen kann erscheint waagemutig. Und doch gelingt duch die strenge Berücksichtigung der physikalischen Parameter der Entwurf einer plausiblen alternativen Biologie. Die kulturelle Reifung der Cheela ist da schon weniger spektakulär und rekapituliert im wesentlichen die der Menschen. An ihrem Höhepunkt vereinbahrt die Erzählung schließlich ein weiteres mal das offensichtlich Unvereinbahre: es kommt zum Kontakt und sogar zum Informationsfluß zwischen Cheela und Menschen, Lebensformen die in räumlichen und zeitlichen Bezugssysteme verhaftet sind, deren Skalierungen mehrere Größeneinheiten voneinander abweichen.
Bei aller Begeisterung für die ausgefeilte Inszenierung wissenschaftlicher Spekulationen muss aber fairerweise angemerkt werden, dass Fowards Erstling die typischen Symptome einer Fiktion im wissenschaftlichen Maßanzug aufweist: Von Charakteren darf in Zusammenhang mit den handelnden Personen nur vorsichtig gesprochen werden. Die spulen gelegentlich Robotersätze mit ungleich gewichtetem Informationsgehalt ab und werden auch an den Konturen zu keinem Zeitpunkt scharf. Einerseits fokusiert dies das Interesse des Lesers bequem auf das Drachenei und seine Bewohner, andererseits degradiert es sämtliche Aspekte, die Menschen und die Menschheit betreffen zu einer vernachlässigbaren Nebenrolle.