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Textvorstellung: Im goldenen Käfig


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5 Antworten in diesem Thema

#1 Beverly

Beverly

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Geschrieben 03 August 2005 - 20:42

Im goldenen Käfig1Groß und ockerfarben schwebte Saturn im All, umgeben von Tausenden Ringen, Monden und Orbitalen. Das Restaurant in einem Habitat hunderttausend Kilometer über der Planetenoberfläche, in dem sich Danyâh mit ihren Eltern getroffen hatte, hatte einen herrlichen Ausblick auf ihre Heimatregion, der sie melancholisch und heimwehkrank machte. Plötzlich schämte sie sich für das, was sie getan hatte. »Ist etwas?«, fragte ihre Mutter Sagitta und legte ihr die Hand auf den Arm. »Es geht schon«, antwortete Danyâh und fasste einen Entschluss. »Mutter, Vater, beim nächsten Treffen der Wiedergeholten werde ich über mich sprechen. Ich möchte, dass ihr dabei seid.« »Ja, gern. Aber ...?«»Es muss sein, ihr werdet sehen warum.« 2Die bunten Bilder und irrealen und angenehmen Empfindungen wurden von Leere, dem Druck der Beschleunigung und dem Blick auf die Decke von Daniels Wohnung abgelöst. Der Rausch war vorbei und der Wechsel von vielfarbigen Träumen zu den sterilen Wänden des Zimmers war kaum zu ertragen. Der Raum war sparsam, aber elegant möbliert. Das große, an Drähten hängende Bett, in dem er jetzt auf dem Rücken lag, hatten ihm seine Eltern zum siebten Geburtsdatum geschenkt. Mürrisch schwang sich Daniel aus dem Bett und versetzte ihm einen Tritt. Träge begann es zu schaukeln. Alles das gleiche vorprogrammierte und daher unechte Glück! Er ließ sich wieder auf die Bettkante fallen, stieß sich heftig mit den Zehenspitzen ab, das Bett schaukelte stärker. Wenn es doch seine Verankerung aus der Decke reißen und auf den Boden krachen würde, aber nichts geschah! Sein Computer meldete sich und erinnerte ihn daran, dass es Zeit war, sich auf den Weg zu den Docks zu machen. Mechanisch packte er seine Tasche, zog das Reisetrikot an - rosa mit durchsichtigen Stellen, die viel Haut sehen ließen - und ging los. Nach zehn Minuten Fußweg war er an der nächsten der vier Speichen angelangt, die den Torus des radförmigen Orbitals mit der Nabe verbanden. Der Lift in der Speiche brachte ihn in die beschleunigungslose Zentralregion, wenig später war er in einem Hangar und hangelte in das Schiff nach Tethys. Laßwitz kreiste in zwölf Millionen Kilometern Entfernung um Saturn. Die Reise von dort zum 294 700 Kilometer von Planetenmittelpunkt entfernten Mond dauerte zwanzig Stunden. Diesmal befand sich Saturn zwischen dem Orbital und Tethys und das Spiegelschiff flog auf einer Bahn im rechtem Winkel zur Ebene der Monde und Saturnringe. Daniel schwebte während des Vorbeifluges an Saturn in der Aussichtskuppel und blickte auf den gelbbraun gestreiften Planeten und seine Tausende schmaler Ringe. Der Anblick war wie eine Vision im Drogenrausch und lenkte ihn von seinem Trübsinn ab. Die Beschleunigungswarnung ertönte und widerwillig hangelte Daniel in seine Kabine und schnallte sich an. Das Schiff wandte sein Heck mit dem Spiegel der Laserstation zu, ein Laser schickte sein Licht auf den Heckspiegel und bremste das Schiff ab, bis es in einem Orbit über Tethys einschwenkte. Am Perihel wenige Kilometer über der Mondoberfläche hangelten Daniel und die anderen Passagiere in das von der Oberfläche kommende Shuttle, das am Schiff angedockt hatte. Dessen Passagiere waren Arbeiter in den Abbauanlagen und Raffinerien, in den Magnetkatapulten, mit denen die auf dem Mond gewonnenen Materialien in den Orbit geschossen wurden, und für die Wartung der Habitate zuständige Techniker. Nun hangelten sie an Daniel und seinen Kollegen vorbei in das Schiff, auf dem Weg in die Freizeit. Ihre zufriedenen Gesichter, die bei vielen sichtbare Vorfreude und Ausgelassenheit angesichts der vor ihnen liegenden Tzentis freier Zeit, verwirrten und ärgerten Daniel. Merkten sie denn überhaupt nicht, wie schematisch und gelenkt ihr Leben ablief? Deprimiert schnallte er sich in seinem Sitz an. Auf dem tausend Kilometer durchmessenden Tethys, wo nur ein Sechzigstel der Erdschwerkraft herrschte, arbeitete Daniel im Element-Abbau. Er steuerte einen der gigantischen Lastservos, die große Blöcke aus der Kruste des Himmelskörpers schnitten und zur Element-Raffinerie transportierten. Das abgebaute Material bestand hauptsächlich aus Wassereis, von dem in der Element-Raffinerie Einschlüsse aus Gasen und Silikaten getrennt wurden. Jede Arbeitsperiode dauerte drei Tzentis, eingeteilt in 33 Blöcke mit je 3,5 Stunden Arbeit und fünf Stunden bezahlten Pausen sowie drei Freischichten von je 8,5 Stunden. Den drei Tzentis auf Tethys folgten 250 Stunden Freizeit, sinnlose Freizeit. Schon während des Rückflugs nach Laßwitz graute Daniel davor. Zuhause im Bad starrte er missmutig sein Bild im Holospiegel an. Wie viele Männer auf Laßwitz war er hübsch, etwas feminin, die vollen Lippen und schulterlangen, blonden Locken verstärkten diesen Eindruck. Daniel streckte sich die Zunge raus. Er war mit seinem Äußerem nicht unzufrieden, doch es langweilte ihn ebenso wie alles andere. Spontan ging er zum Kosmetiker und ließ sich die Haare umfärben: Rosa, farblich seinen Lippen angepasst. »Hübsch«, sagte er zu seinem alter ego im Holospiegel. »Schade um deine schönen Haare«, sagte seine Mutter, als sie das nächste Mal mit ihm holophonierte. Auch die meisten seiner Freunde und Bekannten waren irritiert, was Daniel freute. In der nächsten Schicht auf Tethys gab es viele neugierige Blicke und einige Fragen, danach hatten sich alle an sein verändertes Aussehen gewöhnt. Daniel flüchtete wieder in Drogen, doch auch das nutzte sich ab. Allmählich wurden ihre Traumwelten schal und unwirklich. Auf Frauen hatte er schon lange keine Lust mehr. 'Nur weg hier!', dachte er. 'Und möglichst weit.' Er überprüfte sein Konto. Wenn er seine Wohnungseinrichtung verkaufte, reichte es für einen Flug bis Vesta. Einen Antrag auf Mehrarbeit lehnte die Element-Raffinerie ab, deshalb blieb es zunächst bei Vesta. Erste Station seiner Reise war Daressallam, das in dreizehn Millionen Kilometern Entfernung um Saturn kreiste. Es war ein Torus, in dessen Zentrum ein langer Nabenzylinder mit viel Platz für Hangars und Lagerhallen lag. Daniel kannte Daressallam bereits; eine Frau, mit der er ein halbes Jahr zusammen gewesen war, stammte von hier. Jetzt kam es ihm genauso wie ein goldener Käfig vor wie sein Heimatorbital, nur dass die Menschen hier dunkler waren, Arabisch anstatt Deutsch sprachen und die Schrift anders herum lief. Er blickte nicht zurück, als Daressallam und die übrige Region Saturn hinter dem Heck des Passagierschiffs nach Vesta im All verschwanden. Vesta hinterließ keinen besonderen Eindruck bei ihm. Er fand auf dem Asteroiden eine Stellung als Servotechniker, besuchte das Föderationsorbital und schickte seinen Eltern und einigen Freunden von dort eine Botschaft. 0,6 Jahre nach seiner Ankunft näherte sich Vesta Mars bis auf 130 Millionen Kilometer, eine Gelegenheit für eine kurze und billige Passage in einem Spiegelschiff. 3Auf Mars angekommen, ließ Daniel sich in Newcomb nieder. Die etwas düstere Atmosphäre der Kuppelstadt und ihre gewaltigen Hochhäuser faszinierten ihn. Ebenso das Leben im seltsamen Rhythmus von Hell und Dunkel, »Tag« und »Nacht«, das er bisher nur aus Holos und alten Zwei-D-Filmen kannte. Einen lokalen Tag nach seiner Ankunft fand Daniel Arbeit als Servoführer im Element-Tagebau außerhalb der Stadt. Er bekam kaum die Hälfte des Gehalts auf Tethys und wohnte in einer engen, dunklen Schlafbox, deren Einrichtung nur aus einem Gelbett und Faltmöbeln bestand. Dann fand Daniel im Wohnungskanal ein Zimmerangebot von einem gewissen Bruce. Ohne viel zu erwarten, fuhr er zu der angegebenen Adresse unweit der Universität, am Rande eines großen Parks. Bruce war etwas größer als er, dunkel, massig gebaut und breitschultrig. Er betrachtete Daniel anerkennend und führte ihn durch die Räume. Es waren insgesamt sechs, auf nicht weniger als dreihundert Quadratmetern, darunter das freie Zimmer, 48 Quadratmeter groß. Hohe Decken, elegante Haushaltsgeräte und -servos, teure handgefertigte Möbel, dezent arrangierte Holoanimationen. Dann ein kleiner Sportraum mit mehreren Geräten und eine Schwimmbahn. »Ich habe sie einbauen lassen, um jederzeit ein paar Runden machen zu können«, erklärte Bruce. Daniel war beeindruckt: »Enorm. So was gibt es bei uns nicht.« »Woher kommst du?«, fragte Bruce. »Laßwitz, Region Saturn.« »Sagt mir nichts, ist auch egal.« Bruce legte den Arm um Daniel, seine Hand fuhr unter Daniels Hose und umfasste seinen Po: »Du kannst deine Sachen holen.« Daniel wusste selbst nicht, warum er in seine Schlafbox zurückkehrte, den Computer, Kleider, Schmuck und sonstigen Besitz in seine Tasche packte und wieder nach Bruce fuhr. Sein Zimmer hatte kein Bett. »Du schläfst bei mir«, sagte Bruce entschieden und schob ihn in das Schlafzimmer. Als Daniel ihn zögernd anblickte, ergänzte er: »Wenn du nicht willst, kannst du gleich wieder gehen.« Benommen zog sich Daniel aus und legte sich in das Bett, das so riesig und dabei elegant war wie alles in der Wohnung. Bruce glitt neben ihn und streichelte seinen Rücken. »Machst du es zum ersten Mal?«, fragte er. »Ja.« Sacht drehte Bruce ihn auf die Seite und etwas spritzte feucht zwischen seine Pobacken, ein Gleitmittel. Gegen seinen Willen entspannte sich Daniel, von einer Droge im Gleitmittel gefügig gemacht. Die Spitze von Bruces Penis kitzelte ihn, verharrte einen Moment und stieß dann unerbittlich in ihn hinein, weit hinein. »Beweg den Arsch auf und ab ... ja so .. nicht zu schnell«, sagte Bruce. Daniel hob und senkte rhythmisch seinen Unterleib, krümmte sich, heißer Schmerz ... Am nächsten Morgen weckte Bruce ihn, als ob nichts geschehen wäre: »Frühstück ist fertig.« Daniel setzte sich an den Esstisch, eine große runde Platte aus rötlichem Marsgestein, und begann zu essen. Die Zeit verging, »Tage« und »Nächte«. Bruce konnte nicht genug von ihm bekommen. Der Sex fand jedoch ausschließlich in der Dunkelperiode statt, wenn die in der Wohnung angebrachten Lichtquellen die einzige Beleuchtung waren. Für Daniel, der an ein Leben in Weltraumsiedlungen unter nur geringen Helligkeitsschwankungen gewohnt war, war das eine seltsame Angewohnheit. Oft sträubte sich Daniel, wenn sein Liebhaber ihn nahm. Blickte er dann an sich herunter, sah er seinen erigierten Penis und gestand sich ein, dass es ihm gefiel. Saß oder stand er in der stets überfüllten Metro auf dem Weg zur Arbeit, erinnerte er sich oft aufgeregt an die vergangene Dunkelperiode ... oder dachte voller Ekel daran, wie erniedrigend es gewesen war. Mehr als einmal durchsuchte er einen der Annoncen-Kanäle nach Wohnungsangeboten, konnte sich dann zu nichts entschließen. Wenn er bei Bruce auszog und wieder in einer Schlafbox lebte, konnte er besser gleich Newcomb verlassen. Wohin dann? Ins stockreaktionäre Tharsis? Oder in eine der vielen, von Chinesen oder anderen aus Ostasien stammenden Sprachgemeinschaften, bewohnten Kuppelstädte des Planeten? Dort müsste er erst einmal eine neue Sprache lernen, von anderen Anpassungsproblemen ganz zu schweigen. Sollte er in das Leibnitz-Orbital ziehen, das auch nur eine Spielart von Laßwitz oder Daressallam war? Und um die Region zu verlassen, fehlte ihm Geld. Obwohl er bei Bruce umsonst wohnte, war sein Konto bestenfalls bei Null, häufig genug im Minus. Er ging nun einmal gern aus, in einen Drogensalon oder kaufte sich Drogen für zu Hause und nahm gelegentlich eine Prostituierte. Allein oder mit einigen Bekannten vom Element-Abbau besuchte er Kinos und ein verblüffend gutes Theater, aß in teuren Restaurants oder mietete einen Flitzer, um mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die rötliche Marsoberfläche zu rasen. Für Reisen zu anderen Kuppelstädten den Vakuumzug zu nehmen, schien ihm langweilig. Gelegentlich überredete er einige seiner Kollegen dazu, gemeinsam einen Flieger für einen Trip nach Deucolionis, Schiaparelli, Noachis oder Proctor zu mieten. So blieb er bei Bruce. William, sein engster Freund, fragte ihn: »Sag mal, Daniel, du haust deine Zahlkarte auf den Kopf, als ob es kein Morgen gäbe. Von den paar lausigen Vau-Ees, die du im Abbau verdienst, kannst du dir das doch nicht leisten.« Daniel und er waren durch Newcomb gezogen, durch Bars, Drogenshops und Pornokinos. In einem Wunschhaus hatten sie Gonyli, eine Prostituierte aus der von Chinesen bewohnten Kuppelstadt Noachis, aufgelesen und sie in Williams kleine Wohnung mitgenommen. Jetzt lag sie erschöpft vom Sex mit ihnen auf dem Bett und schlief. William und Daniel räkelten sich in zwei an Drähten von der Decke hängenden Sesseln und tranken den Newcomb-typischen wässrigen Kaffee. »Was soll ich mit meiner Zahlkarte sonst machen, wenn ich Wohnung und Essen umsonst bekomme?«, antwortete Daniel. »Ich habe ein Verhältnis ... mit einem anderen Mann ... er ist sehr reich ... Physiker und Teilhaber eines Unternehmens für hochverdichtete Materie ... ich wohne bei ihm ... er schläft jede Nacht mit mir, macht, wozu er Lust hat ... bitte erzähl niemanden davon.« »Dass du mit deinem hübschen Arsch Nebeneinnahmen machst, wissen im Abbau sowieso alle«, lachte William. »Nun mach nicht so ein Gesicht, über so etwas regt sich hier niemand auf. Frag sie hier.« Williams Hand klatschte auf den Hintern der Prostituierten. Sie erwachte und murmelte unwillig auf Chinesisch, William antwortete ihr, sagte dann auf Englisch: »Er versteht kein Chinesisch.« Sie wandte sich zu Daniel. Ihre Zahlkarte hing in einer goldenen, mit Rubinen besetzten Hülle am rechten Ohr. »Was ist schon dabei, es für Geld zu machen? Schlimmstenfalls könnte ich kotzen ... es ist so ekelhaft manchmal ... aber hier ist es den Leuten egal, ob du auf den Strich gehst oder nicht. Und du trägst ja nicht einmal die Zahlkarte, schläfst nur mit einem Mann, das zählt eh nicht.« »Auf Laßwitz gibt es sowas nicht«, erzählte Daniel. »Damit«, er schnippte mit dem Zeigefinger gegen ihre Zahlkarte, »könntest du kein Geld verdienen .... es gibt bei uns zu viele sexbesessene Amateure.« Daniel begann, Freunde von ihm zu sich einzuladen, zeigte ihnen sein Zimmer. Um dem Gedränge in den öffentlichen Badeanstalten zu entkommen, benutzten sie manchmal die Schwimmbahn. Für seine Beziehung zu Bruce interessierten sie sich kaum. Wenn jemand etwas über Bruce wissen wollte, dann fragte er oder sie eher nach seinem Einkommen und seinen Geschäften als danach, was er mit Daniel trieb. Langsam, langsam verlor Bruce die Lust an Daniel. Nach dem Sex scheuchte er ihn aus dem Bett und er musste in seinem eigenen Zimmer schlafen. Daniel beschloss, sich nach einem anderen wohlhabenden Liebhaber umzusehen. Er kaufte sich einen Hausmantel, sehr eng und seinen Po betonend, eine Videokreation, über deren Stoff Wirbel in Giftgrün, hellem Violett und Rosa zogen. Zwischen den Wirbeln waren große durchsichtige Flächen. Sonst trug er knappe Miniröcke, dazu auffällige, bis zu den nackten Schultern reichende Ohrringe und balancierte auf hochhackigen Schuhen. Laßwitz gehörte zu den Weltraumsiedlungen, in denen derartige Kleidung bei Männern nichts Außergewöhnliches war. Anders Newcomb. »So kannst du nicht zum Abbau kommen«, sagte William. »Wieso. Ich zieh mich doch sowieso um.« »Es geht trotzdem nicht. Auf der Straße ist es kein Problem, da hasten die Leute sowieso aneinander vorbei. Und wer 'n Blick auf dich wirft, denkt du bist 'ne Nutte oder 'n Stricher und fragt sich nur, wo deine Zahlkarte ist. Aber das heißt nicht, dass du in dem Fummel im Habitat aufkreuzen kannst.« »Dann eben nicht! Baut doch eure Scheiße selber ab, ich kündige!«, explodierte Daniel. »Das ist wohl das Beste«, sagte William. »Und jetzt reg dich wieder ab, ich hätte da möglicherweise einen neuen Job für dich.« Er holophonierte, richtete kurz die Kameras auf Daniel und fragte ihn: »Hast du einen Gedächtnis-Klip?«»Ja«, antwortete Daniel. William sprach weiter, schloss die Verbindung und sagte: »Wir können gleich kommen.« »Was ist es.« »Eine Bar. die Two Moons. Du wirst schon sehen.« Eine Taxikabine brachte sie auf Untergrundschienen und durch vertikale Schächte zu einer weitläufigen Bar, die ein Hochhausstockwerk dreihundert Meter über dem Boden einnahm. Hohe Decke, die Fenster ließen viel Licht herein, in Kübeln große, immergrüne Pflanzen, Möbel aus Stahlrohr und Glas. Servos konnte Daniel nicht sehen. »Zum Trinken gehe ich nie hierher, es ist einfach zu teuer«, erklärte William. Die Gäste waren aus Newcombs Oberschicht und trugen dunkle Hosen und Jacken, wie sie auch Bruce immer anzog, wenn er in sein Unternehmen fuhr. Manche Frauen trugen anstelle der Hosen auch enge, bodenlange Röcke. Dazwischen war eine Handvoll Touristen in den unterschiedlichsten Kleidungen. Ganz anders sah die dritte Gruppe aus: Die Frauen waren schlank und trugen schmale Röcke, die kaum über den Po reichten, dazu an dünnen Trägern hängende Shirts. Manche hatten auch dezenten Platin- oder Goldschmuck. Daniel blickte genauer hin, erkannte, dass auch einige Männer so gekleidet waren. Andere Männer trugen Shorts und kurzärmelige Hemden und zeigten gut entwickelte, jedoch nicht protzige Muskeln. In den Händen hielten sie Tabletts mit Gläsern, Flaschen und Karaffen, die sie den Gästen auf die Tische stellten. »Bedienungen«, erklärte William. Ehe Daniel ihn fragen konnte, was er damit meinte, kam ein großer, dunkelhäutiger Mann in einem dunkelroten Anzug auf sie zu. Er winkte ihnen zu, ihm zu folgen und lotste sie über eine enge Wendeltreppe in einen Raum über der Bar. »Ich bin ÃŽlaiyas, für den Service zuständig. Deine Arbeit ist ganz einfach: Du bekommst einige Tische zugeteilt, nimmst alle Bestellungen der Gäste entgegen, die sich an diese Tische setzen und gibst sie an den Keeper weiter. Du musst alle Bestellungen im Kopf behalten, deshalb kann hier niemand ohne Gedächtnis-Klip arbeiten. Der Keeper macht dir die Getränke, du stellst sie auf ein Tablett und bringst sie den Gästen.« »Ist ja vormodern«, nörgelte Daniel. »Warum machen das nicht Servos?«»Servos haben nicht so einen hübschen Arsch wie du«, lachte ÃŽlaiyas. »Deine Hauptaufgabe ist es, schön auszusehen, dezent mit dem Hintern zu wackeln und die Gäste anzulächeln.« So begann Daniel, als »Bedienung« zu arbeiten, eine absurde Tätigkeit. Doch jetzt konnte er immer leicht bekleidet herumlaufen, seinen Körper zeigen und sich möglichen Liebhabern präsentieren. Die Gäste im Two Moons waren allerdings tabu. »Ihr seid nur zum Ansehen da. Wer mit Gästen rummacht, fliegt«, hatte ÃŽlaiyas gesagt. Doch das galt nur für die Arbeit dort. Sonst ....»Du läufst rum wie ein Stricher«, sagte Bruce, als Daniel vom Two Moons zurückgekehrt war und sich zum Abendessen an den Tisch setzte. »So was tragen alle Bedienungen im Two Moons«, erklärte Daniel. »Ich kenn das Two Moons«, entgegnete Bruce gereizt. Selbst wenn Bruce Anstoß an Daniels Outfit nahm, gab es genug Männer in seinem Bekanntenkreis, denen es gefiel. Manchmal fügten sie bei einer Einladung an Bruce hinzu: »Und bring deinen hübschen Freund mit.« Wo es möglich war, flirtete Daniel mit ihnen, auf der Suche nach großzügigen Männern. Er ließ zunächst nicht mehr zu, als flüchtige Berührungen. Bruce entging das nicht: »Du glaubst doch nicht, dass du weiter auf meine Kosten leben und mit jedem Kerl, der dir über 'n Weg läuft, ins Bett hüpfen kannst«, sagte er. »Pack deinen Krempel und verschwinde!«Daniel mietete eine kleine Wohnung sechshundert Meter über dem Boden. Sie hatte einen faszinierenden Blick auf eine der Häuserschluchten, welche die Stadt durchzogen. Wie alles Stilvolle in Newcomb war sie teuer, ließ von seinem Einkommen als Bedienung im Two Moons fast nichts mehr übrig. Doch er hatte genug Liebhaber, die sein überzogenes Konto ausglichen. Immer zwei oder drei zur gleichen Zeit, auf Distanz voneinander und nie mehr als einer während einer Dunkelperiode. Nicht, dass er dabei noch viel empfand. Nie hätte er früher oder während seiner Zeit mit Bruce gedacht, dass gleichgeschlechtliche Liebe einfach nur öde war, eigentlich nicht anders wie der Sex in seinen letzten Jahren auf Laßwitz. Vielleicht war es als Frau aufregender? 4Knall auf Fall ging er zu einem Institut für Geschlechtsumwandlung. Ein Quartal später trat sie auf die Straße, mit dem selbst kreierten Namen Danyâh. Neben der Geschlechtsumwandlung hatte sie einige kosmetische Veränderungen vornehmen lassen. Die Haare hatten jetzt ein helles Violett und durch die linke Brust, etwas unterhalb der Brustwarze, hing ein schwarzer Ring. Wohin jetzt? Danyâh dachte an ihre Liebhaber. Ob der eine oder andere sie auch als Frau haben wollte? Aber sie hatte die Geschlechtsumwandlung nicht wegen diesen Langweilern gemacht. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont des Planeten und in den Häuserschluchten von Newcomb war es schon dunkel. Danyâh überlegte und fuhr zu Bruce. Wie zu erwarten, war er um diese »Tageszeit« in seiner Wohnung und ließ sie auch ein: »Du bist ...« »Danyâh«, sagte sie rasch. »Egal.« Er lächelte kalt. »Ich habe Besuch ... einige kennst du schon.« Er führte sie ins Gesellschaftszimmer. Dort waren etliche von Bruces Bekannten, darunter auch Ex-Liebhaber von Daniel. Außerdem Gonyli und einige andere Prostituierte beiderlei Geschlechts. Gonyli erkannte sie trotz der Geschlechtsumwandlung und lächelte einladend. Danyâh gesellte sich zu ihnen und registrierte befriedigt, dass einige der Männer und auch Frauen verstohlen auf ihre Brüste blickten, welche ihre Bluse kaum bedeckte. Sie lächelte, schlug die nackten Beine übereinander, ließ den Träger ihrer Bluse von der Schulter rutschen, unterhielt sich und genoss das herrliche Gefühl, wenn einer ihrer Gesprächspartner den Ring an ihrer Brust berührte. Einige leichte Drogen versetzten sie in Hochstimmung und die Bluse glitt von ihrem Leib. Sie begann zwischen den zuerst verblüfften, dann begeisterten Gästen zu tanzen und sprang auf einen Hängetisch, der unter ihrem Gewicht schaukelte. Karaffen und Gläser wurden von ihren Füßen beiseite geschleudert, es klirrte und splitterte (also benutzte dieser Snob Bruce tatsächlich altmodisches Silikatglas) und Reinigungsservos kamen angerollt. Danyâh sprang vom Tisch, wirbelte zwischen den Gästen hindurch, löste den Slip und warf ihn weg. Prompt wurde er von einem Servo aufgesammelt. Sie tanzte nackt weiter, als Frau und in der niedrigen Schwerkraft war es wundervoll. Die Gäste johlten und pfiffen und klatschten ihr auf den Leib. Irgendwann taumelte sie und Arme fingen sie auf, es war Gonyli. Sie trug Danyâh zu einem Hängesofa, legte sie sanft auf die Kissen und küsste sie überall. Die beiden Frauen vergaßen die Party um sich herum. Danyâh schmiegte sich an die andere, spürte ihre dezent parfümierte Haut. Es fühlte sich wunderbar an, sie streichelte Gonylis Schoß und hörte sie glücklich seufzen ... Lange nach »Mitternacht« verabschiedete Bruce die letzten Gäste. Auch Gonyli musste sich aus Danyâhs Armen lösen und gehen. Bruce trat zu Danyâh und ihr Herz raste. Fiebrig und erregt öffnete sie seine Hose, groß und hart sprang ihr sein Glied entgegen. Der Ring an ihrer Brust interessierte Bruce besonders. Er zog seinen Zeigefinger hindurch und Danyâh begann zu stöhnen. Die Sensoren auf dem Ring waren über einen künstlichen Nervenstrang mit ihrem Lustzentrum verbunden. »Ach so ist das«, sagte Bruce spöttisch. Er stand über ihr und sie richtete ihren Oberkörper auf und führte seinen Penis durch den Ring. Der weitete sich und pulsierte, Danyâh stöhnte wieder .... sie ließ sich zurückfallen und spreizte die Beine. Ihr Kopf hing über dem Rand des Sofas, während Bruce über sie kam. Sie fühlte sein Glied in ihrem Schoß, es füllte sie ganz aus und sie kam zu einem überwältigenden Orgasmus, einem von vielen in dieser Nacht. Irgendwann trug Bruce sie ins Bett und zwang sie auf alle Viere. Selbst das bereitete ihr eine nie gekannte Lust. Danyâh wollte nicht mehr als »Bedienung« eine völlig sinnlose Tätigkeit ausüben. Sie fand Arbeit in der Stadtreinigung von Newcomb und musste die Servos warten und reparieren, welche den Müll von den Straßen kehrten. Kam sie als Frau im allerknappsten Fummel zum Gebäude der Stadtreinigung, ehe sie im Umkleideraum in ihr Arbeitstrikot stieg, nahm niemand Anstoß. Im Gegenteil! Wohlgefällige Blicke folgten ihr dann und wenn sie sich nach Arbeitsschluss umzog. Hätte sie das vor ihrer Geschlechtsumwandlung gemacht, wäre er wahrscheinlich verprügelt worden. Was hatten die Leute hier doch für eine beschissene Doppelmoral! Aber egal. Das Wichtigste war eh Bruce. Er ließ sie wieder bei sich wohnen und führte sie häufig aus. Die Nächte mit ihm waren unvergleichlich ... ekstatisch ... aufregend ... interessant ... annehmbar ... trostlos ...bald war alles so wie vor ihrer Geschlechtsumwandlung oder noch schlimmer. Sie nahm wieder Drogen, selbst während des Sexes. Bruce störte das nicht. Er fand es sogar erregend, sie zu beschlafen, wenn sie im Drogenrausch delirierte oder sich mit einer Orgasmuspille aufputschte. Er war eh ein vormoderner Egoist, der sie nur in seiner Wohnung duldete, weil sie ihn weniger kostete als eine Prostituierte. Noch immer war Danyâh mit William befreundet. Manchmal dachte sie an seine gierigen Blicke auf ihren Körper, wenn sie ihm von den Nächten mit Bruce erzählt hatte und überlegte, aus Gefälligkeit mit ihm zu schlafen. Die Vorstellung erzeugte nur Leere ... eigentlich war Newcomb genauso langweilig wie Laßwitz. Nur war das Leben hier sehr viel beschissener! Sie fuhr zum Bahnhof, trat in die Holophonzelle und sprach eine Botschaft auf Williams Mailkont: »Hâi, Will. Ich hau ab. Frag nicht, wohin. Grüß Gonyli von mir, falls du mal wieder mit ihr schläfst. Bruce kannst du sagen, er soll sich sein Ding sonstwohin stecken ... oder sag ihm gar nichts, egal.« Sie kaufte ein Ticket nach Bäis und setzte sich in den Vakuumzug. Die Kuppelstadt am Fuße des Olympus Mons gefiel ihr sofort. Hier lebten schöne Menschen mit dunkler Hautfarbe, die ein melodisches Französisch sprachen und über der Stadtkuppel ragte der höchste Berg des Sonnensystems in den Himmel. Danyâh schloss sich einer hinduistischen - oder war sie buddhistisch? - Sekte an, lebte keusch und nahm keine Drogen mehr. Der Ring an ihrer Brust verschwand und ihr Haar erhielt wieder das natürliche Blond. Jetzt wohnte sie in einem »Tempel«, einem hundert Meter hohen konischen Gebäude mit einer Fassade aus vielfarbigem Glas. Sie trug lange weiße Gewänder, ernährte sich von Reis und rohem Gemüse und trank dazu Wasser pur. Ihre Tage bestanden aus Meditieren und Gemeinschaftsarbeiten. Die Sekte verzichtete auf Servos, deshalb musste Danyâh alles Geschirr von Hand reinigen, mit »Besen«, »Handfeger« und »Kehrblech« Schmutz aus dem Tempel entfernen oder mit einem feuchten »Wischlappen« Statuen von »Göttern« putzen. Eine stupide Schikane, durch die sie »Demut« lernen sollte. So ein Quatsch! Sie merkte, dass sie von den Glaubenssätzen der Sekte überhaupt nichts begriffen hatte und sie ihr auch egal waren. Alles war so sinnlos! In der Einschienenbahn fuhr Danyâh zum Gipfel des Olympus Mons. Unterwegs hatte sie keinen Blick für die imposante rötlich-graue Gebirgslandschaft, in der sich der Zug verlor. Im Habitat am Rand des viele Kilometer durchmessenden Gipfelkraters zog sie ihren Raumanzug an und schleuste sich aus. Mit großen Sprüngen rannte sie zum Kraterrand, sprang über das Geländer und fiel ins Leere. Ein Sturz bis zum Grund einige hundert Meter unter ihr wäre auch in der niedrigen Marsgravitation das Ende gewesen, wenn nicht der Anzug automatisch seine Notdüsen aktiviert und sie mit einem leichten Ruck auf dem Boden des - leider! - schon lange erloschenen Kraters abgesetzt hätte. Hysterisch schluchzend und lachend torkelte sie zu dem Fahrstuhl, der zwischen dem Boden des Kraters und der Spitze des Habitats hin und her fuhr. NOTFALL-PACK LEER BITTE NACHFÜLLEN blinkte es über ihrer Helmscheibe. Das war es! Jetzt kam ihr nichts mehr dazwischen. Selig lächelnd verließ sie am Kraterrand die Liftkabine und schleuste sich wieder aus. Mit langen Schritten entfernte sie sich von einigen Touristen und ihrem Führer und lief, bis weit und breit niemand war, der sie hätte zurückhalten können. Ohne einen Moment zu zögern, schwang Danyâh sich über das Geländer und fiel fiel fiel bis zu einem alles auslöschendem Schlag ... »Es war kein unerklärlicher Unfall, sondern Selbstmord!«, kreischte Danyâh. »Ich hab mein Leben weggeworfen, versteht ihr?!«Tonlos fuhr sie fort: »Als ich dann nicht richtig tot war, sondern im Datenspeicher, wollte ich zuerst nicht wiedergeholt werden. Das war doch wieder nur dieser goldene Käfig, durch all den Fortschritt in den letzten siebenhundertfünfzig Jahren nur noch mehr perfektioniert. Jaf´ar hat mich dazu gebracht, es mir anders zu überlegen. Selbst, wenn ich selbst nicht wiederkommen wollte, so ist die Geschichte doch voll von Menschen, für die ein zweites Leben genau das Richtige ist. Deshalb bin ich Operatorin geworden.« Weder Danyâhs Eltern noch die anderen sagten etwas und nach einer langen Pause erklärte sie: »Meistens denke ich jetzt, dass Leben besser als Tod ist, doch dann sehe ich die Ewigkeit, die vor uns liegt und ich weiß es nicht mehr.«

Bearbeitet von Beverly, 03 August 2005 - 20:51.


#2 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 03 August 2005 - 20:59

"Im goldenen Käfig" ist ein Abschnitt aus dem RomanBeverly SchnettVölker der MilchstraßeDie Sterne sind nur einen Schritt entferntedition kaitain, erscheint August oder September 2005Ich habe "Im goldenen Käfig" für eine Vorstellung gewählt, weil mir selbst der gerade an der für uns nicht vorstellbaren Perfektion seines Lebens verzweifelnde Daniel sehr gut gefiel. Daniel / Danyâh lehnt Dinge ab, die für uns mit Recht erstrebenswert sind und diese Ablehnung findet in dem Vorwurf des vorgeplanten Lebens eine nicht einfach von der Hand zu weisende Begründung.

#3 TransDimTraveller

TransDimTraveller

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Geschrieben 06 August 2005 - 19:21

Hi Beverly!Zuerst einmal hat mir die Idee sehr gut gefallen und auch Dein Stil entwickelt genug Flow, um einen bis ans Ende Deiner Story zu tragen. Nur Eines hat mir nicht so gut gefallen: Es entwickelt sich alles irgendwie sprunghaft. Es geht einfach alles zu schnell: Daniel ist langweilig und - holldriho - schon hält er Bruce den Hintern hin, zwecks Wohnungssicherung, und mutiert im nächsten Augenlick zum Miniröckchentragenden fast-Stricher, der nach "Kunden" sucht, die ihn für die holde Kohle aushalten. Dann die Geschlechtsumwandlung, wieder Bruce, kein Bruce mehr, Olympus Mons und der finale Selbstmord - all das gibt einem das Gefühl, als würde man mit Siebenmeilenstiefeln durch Deine Story stürmen...und das Entscheidende dabei verpassen.Mein Tipp: Zeige mehr! Du nämlich erzählst vieles ("...dass Gleichgeschlechtliche Liebe einfach nur öde war." ) Gezeigt hätte es vielleicht so klingen können: "Daniel gähnte als er die Zimmerdecke betrachtete und wäre fast erschrocken, als das Geschaukel mit einem erschöpften Grunzen erstarb. Etwas wälzte sich von ihm. Ach ja, murrte er. Da war ja noch etwas. Er befreite sich vom Arm seines Liebhabers und betrachtete dessen schlafenden Besitzer. Er widerstand einem weiteren Gähnen. Wenigstens hattest du deinen Spaß." Klar würde es dadurch länger, aber ich glaube schon, dass Du durch solche "optischen Kniffe" eine größere Nähe zu Deinen Figuren schaffen kannst und dass deren Entscheidungen dadurch glaubwürdiger aussehen, als wenn Du dem Leser "nur" davon erzählst. Natürlich ist das auch eine Geschmacksfrage und lesbar ist "Im goldenen Käfig" durchaus. Die Idee mit dem Brustwarzenring hat eh Bonuspunkte verdient :D Viel Erfolg jedenfalls mit Deiner Veröffentlichung!

#4 Beverly

Beverly

    Temponaut

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Geschrieben 07 August 2005 - 14:14

Hallo TransDimTraveller,danke für deine Kritik. "Im goldenen Käfig" ist tatsächlich sehr knapp, ein einem viel kürzeren Sitl geschrieben als die anderen Teile von "Völker der Milchstraße". Das liegt auch an dem tragischen Ende, auf das die Geschichte zuläuft und das mir nur glaubhaft scheint.

#5 rockmysoul67

rockmysoul67

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Geschrieben 10 August 2005 - 15:49

(Vorbemerkung. Ich hatte diese Antwort ohne Internetbesuch vorbereitet, also ohne TransDimTravellers Antwort zu lesen. Wir sagen prinzipiell das Gleiche, aber ich stelle meine Antwort trotzdem mal ein. Es wird wohl was an die Kritik dransein, wenn zwei Leute sich unabhängig von einander über einen Text ähnlich äussern.)


Transsexualität im Weltall: Welch ein Thema!

Ich bin begeistert: Die Geschichte entwickelt sich logisch, deine Zukunftsversion ist technologisch voller Abwechslung, das soziale Zusammenleben ist nachvollziehbar (mir gefielen beispielsweise die vielen obligatorischen Freistunden), Daniel ist charakterlich eine Person, die "hängen bleibt".

Dies ist eine Geschichte, die innerhalb des Romans erzählt wird? Wie auch immer, auch als Kurzgeschichte an sich, würde sie bestens funktionieren.

Doch da ist was. Ein wichtiger Punkt, ich hoffe, du atmest bei deiner nächsten Schreibe ein bisschen durch, hältst kurz ihnen und lässt dir das Folgende durch den Kopf gehen.

Bei wichtigen Schlüsselereignissen, hier sind es die Entscheidungen von Daniel, neigst du dazu zu überspringen. Du schreibst einen Satz oder einen ganz kurzen Abschnitt, der besagt: "Patsch, so ist es, jetzt wird umentschieden, nun gibt es eine Wendung in der Geschichte!"

Insbesondere in dieser Geschichte ist das Hauptthema für viele Leser schwer verständlich. Es ist kein Fehler, den Leser dann an die Hand zu nehmen und erzählend die schwierigen Stellen zu erklären.

Es gibt vier besonders krasse Entscheidungen, auf die ein Leser ein wenig vorbereitet sein sollte:

A) Der plötzliche Umzug in ein anderes System.
B) Die unseriöse Behandlung von Bruce zu einem möglichen Mieter.
C) Der Entscheid zur Geschlechtsverwandlung.

Gehen wir sie mal durch.

A) Daniel ist der Einzige, der sich langweilt. Weshalb? Du gibst keine Begründung an (die folgt erst viel später). Nehmen wir, als Beispiel, mal die folgende Szene. Daniel hat eine super Freundin. Jeder Mann ist eifersüchtig auf Daniel. Aber es klappt nicht so, Daniel kriegt keinen hoch, die Beziehung zerbricht. Als Folge dieses Ereignisses entscheidet Daniel wegzuziehen.
Der Leser ist jetzt - auch wenn du es nicht wirklich gesagt hast und Daniel es sich noch nicht bewusst ist - von selbst draufgekommen, dass Daniel wahrscheinlich schwul ist, dies selber noch nicht weiss und sich deshalb unsicher fühlt.

B) Daniel geht nur eine Wohnung besichtigen. Er erwartet nicht viel. Bruce, der Wohnungsbesitzer, macht Daniel an. Dies ist nicht der normale Gang einer Wohnungsbesichtigung und wird (jedenfalls nach dem Gefühl des Lesers) auch nie normal sein. Auch hier hätte eine Vorentwicklung stattfinden sollen. In der Anzeige hätte etwas stehen sollen, dass Sex als Mietreduktion möglich ist. Zu Daniels Überraschung ist Bruce ein Mann (er müsste dann natürlich einen geschlechtsneutralen Namen tragen, Andrea vielleicht). Aber Daniel entscheidet, sich die Wohnung trotzdem mal anzuschauen. 'Andrea' ist sich aber nicht bewusst, dass dies jemand ist, der sich nur gegen normale Bezahlung für die Wohnung interessiert, und er macht Daniel an: ganz logisches Missverständnis. Daniel nun nimmt - zu seinem eigenen Erstaunen, er ist sich seiner eigenen Homosexualität noch nicht bewusst - das Angebot an. Erneut: ganz logisch und weiterhin spannend für den Leser.

C) Okay, die Geschlechtsverwandlung. Ab dem Moment, dass er bei Bruce einzieht, hat Daniel eine gelungene Charakterentwicklung durchgemacht, die ihm auch Richtung Geschlechtsverwandlung treibt. Aber dann entscheidet er sich einfach so spontan, als Lösung eines Problems, sich verwandeln zu lassen. Menschen machen plötzliche Entscheidungen. Die neue Haarfarbe. Ja. Die Frauenkleidung. Ja. Aber - für uns arme Leser - eine Geschlechtsoperation? Die Entscheidung an sich geht zu schnell, findet zu plötzlich statt. Eine Szene, in der Daniel ein Gespräch mit einem anderen Transsexuellen hat (vielleicht kennen die sich aus den Two Moons), wäre beispielsweise eine Möglichkeit gewesen, um die Leser glaubwürdig an diese Entscheidung zu bringen.

In einem Roman hast du Platz, du besitzt den Raum, einen wichtigen Verlauf einzufügen. In einer Kurzgeschichte soll man nötigenfalls Nicht-so-Wichtiges kürzen oder weglassen und dafür Schlüsselszenen einfügen, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen.

Ich kann mir so vorstellen, wenn du diese Geschichte aus deinem Roman lösen und als Kurzgeschichte umarbeiten würdest, sie ein Eigenleben führen könnte. Sie ist etwas Besonderes, eine Geschichte zum Lieben oder zum Hassen, gut für Publikation oder Verbreitung auf dem Internet.

#6 Beverly

Beverly

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Geschrieben 10 August 2005 - 21:52

Ich kann mir so vorstellen, wenn du diese Geschichte aus deinem Roman lösen und als Kurzgeschichte umarbeiten würdest, sie ein Eigenleben führen könnte. Sie ist etwas Besonderes, eine Geschichte zum Lieben oder zum Hassen, gut für Publikation oder Verbreitung auf dem Internet.

Hallo rockmysoul67, die Geschiche wird so, wie sie ist, in "Völker der Milchstraße" erscheinen (ist schon in Druck), weil Danyâh auch in den anderen Teilen eine wichtige Rolle spielt. und die Geschichte ihren Hintergrund erklärt.Aber die Idee mit der Ausweitung ist mir auch schon während dieser Diskussion gekommen, vielleicht werde ich sie in einem anderen Zusammenhang noch umsetzen.


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